Kulturfestival:Mit 66 Jahren

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Erstmals finden die Europäischen Wochen Passau ohne Intendanten statt. Die Festspiele kämpfen ums Überleben - dabei ist der Gedanke, aus dem heraus sie entstanden, gerade besonders aktuell

Von Sabine Reithmaier

Irgendwie läuft das momentan nicht so gut mit dem europäischen Gedanken. Weder in der Europäischen Union, der nationale Egoismen das Leben schwer machen, noch bei den Europäischen Wochen Passau (EW), die an diesem Samstag mit Monteverdis "Marienvesper" offiziell eröffnen. Die amerikanischen Offiziere, die die Festspiele 1952 gründeten, hatten eine klare Intention: die Mauern in den Köpfen einzureißen und Menschen unterschiedlicher Kulturen und Nationen über Kunst zusammenzuführen. Das wäre heute zwar genauso wichtig wie vor 66 Jahren, aber trotzdem ist der europäische Gedanke der EW derzeit nicht unbedingt das vorrangige Thema von Rosemarie Weber. Seit im April der Vertrag zwischen den Festspielen und ihrem Intendanten Thomas E. Bauer aufgelöst wurde, ringt die Vorsitzende des Trägervereins darum, das Festival überhaupt über die Bühne zu bringen.

Die EW finden zum ersten Mal in ihrer Geschichte ohne Intendanten statt. Aber immerhin: Sie finden statt, wenn auch in reduzierter Form. Rosemarie Weber sagt zwei Tage vor Beginn ganz nüchtern: "Ich hoffe, dass wir die Festspiele überleben." Das kann man angesichts der immensen Arbeitsbelastung ganz konkret verstehen. Die Personallage im Festivalbüro ist nach mehreren Kündigungen extrem dünn: Fünf Mitarbeiterinnen haben aufgehört, entnervt von den Streitereien zwischen Intendant und Verein, darunter die Assistentin der Geschäftsführung, aber auch Kolleginnen aus Kartenzentrale und künstlerischem Betriebsbüro.

Festlich, klangvoll und virtuos: Mit Monteverdis "Marienvesper" eröffnen an diesem Samstag die Europäischen Wochen in Passau. (Foto: Toni Scholz)

Vor zwei Wochen folgten noch die beiden Frauen, die für Öffentlichkeitsarbeit, Presse und Marketing zuständig waren. Um die 40 Veranstaltungen in den nächsten fünf Wochen organisatorisch abzuwickeln, stehen Weber vom hauptberuflichen Team nur noch zwei Leute und Praktikantinnen zur Verfügung. Auch wenn sich ihre Mit-Vorstände ebenfalls engagieren - "sie helfen mir kräftig" - , so ist die Last, die die Vorsitzende zu tragen hat, doch gigantisch. Wie sie das mit ihrer Anwaltskanzlei vereinbart? "Die läuft im Moment eher nebenbei", sagt sie knapp.

Das Überleben bezieht sich aber auch auf die finanzielle Situation des Trägervereins: Noch ist unklar, ob die Besucher, verschreckt durch Hiobsbotschaften der vergangenen Wochen, nicht doch ausbleiben. Auch weiß Weber nicht, ob sich die Fußballweltmeisterschaft negativ auswirkt - "die hatten wir nicht eingeplant". Die desolaten Finanzen waren übrigens der Grund für die Trennung vom Intendanten gewesen. Als der Verein merkte, dass die Künstlerhonorare über dem Haushaltsplan lagen, Sponsorengelder dafür weit darunter, war bereits eine Lücke von 300 000 Euro entstanden.

Rosemarie Weber will den Trägerverein zur GmbH machen. (Foto: privat)

Daher verbrachte Weber die vergangenen Wochen damit, ihr relativ simples Rettungskonzept umzusetzen, das da lautet: "Kürzen, kürzen, kürzen." Abgesagt sind der "Jedermann" in Burghausen und die Aufführungen der "Zauberflöte" in Aldersbach (12. bis 14. Juli). Der für "Donau in Flammen" in Vilshofen (7. Juli) geplante Besuch des "El Gigante" entfällt genauso wie der am 6. Juli geplante Festspielball. Einige Konzerte wurden auf nächstes Jahr verschoben, andere finden an neuen Orten statt, etwa der Mozart-Abend mit Anima Eterna und Jos van Immerseel (24. Juni), der vom Großen Rathaussaal Passau in die Klosterkirche Aldersbach umzieht. Nun wackelt durch den plötzlichen Tod von Enoch zu Guttenberg auch noch das Konzert am 7. Juli, das mit ihm und den Bamberger Symphonikern in Niederaltteich hätte stattfinden sollen.

Abgesehen von all diesen aktuellen Schwierigkeiten denkt der Trägerverein natürlich schon darüber nach, wie es 2019 weitergehen soll. Weber wünscht sich einen zuverlässigen Interimsleiter, hat dafür bereits zwei Bewerbungen vorliegen. Er soll die Zeit überbrücken, bis dann, nach einer Ausschreibung, für 2020 wieder ein neuer Intendant gefunden ist. Das gäbe dem Verein auch die Luft, um in aller Ruhe über Strukturen zu diskutieren und die schon aus Haftungsgründen notwendige Umwandlung des Trägervereins in eine gemeinnützige GmbH anzugehen.

Ob sie in diesen Tagen eigentlich schon mal überlegt, einfach alles hinzuschmeißen? Rosemarie Weber zögert einen Moment. Ja, sagt sie dann, den Gedanken habe sie schon gehabt, gerade angesichts der ungezählten, oft bloß winzigen Probleme, die aber alle an ihr zerren. Aufgeben kommt trotzdem nicht in Frage. "Das wäre das Ende der EW." Und das will sie auf keinen Fall. "Deshalb gebe ich einfach alles."

Europäische Wochen. Festspiele Passau, 23. bis 28. Juli, Infos: www.ew-passau.de

© SZ vom 23.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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