Kultur-Sozialpreis:Unkonventionelle Lösungen

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Hedwig Rost und Jörg Baesecke nennen sich als Objekt-Theater-Duo "Kleinste Bühne der Welt"

Thomas Goerge hat schon mit Christoph Schlingensief in Bayreuth gearbeitet, war auch in dessen Opernprojekt in Afrika involviert. Dessen Operndorf in Burkina Faso versteht sich als ein globales Kunstprojekt mit der Vision, Kunst wieder mitten im Leben anzusiedeln. Diese Haltung prägt auch den gebürtigen Freisinger.

Als Bühnenbildner arbeitet er an Theatern in ganz Deutschland, ist als Regisseur gefragt. Auch wenn er zu Hause in Freising ist, ruht er sich nicht aus. Dort hat er etwa zwei Kafka-Werke in einer Wirtschaft inszeniert und darin auch das Schicksal von Flüchtlingen zum Thema gemacht. Ein anderes Projekt war die szenische Lesung des letzten großen Romans des vor zehn Jahren gestorbenen Schriftstellers Carl Amery, "Das Geheimnis der Krypta". Das Buch enthält zahlreiche Anspielungen auf Freising, da Amery Kindheit und Jugend hier verbracht hat. Wenn auch im Mittelpunkt die Domkrypta mit der Bestiensäule steht, so ist der Roman nicht lokal begrenzt, sondern, wie immer bei Amery, global ausgeweitet: Es geht um globale Erwärmung, Überbevölkerung, Umweltzerstörung, es gibt Kriege. Goerges gekürzte Fassung war als Lesung mit Videoeinspielung und Aktionen ein großer Erfolg.

Für den Tassilo-Kultursozialpreis aber mitausschlaggebend war auch die unkonventionelle Open-Air-Version der Sage von Siegfried, dem Drachentöter, die er 2017 in Hallbergmoos als integrative und inklusive Aufführung präsentierte. Neben den Ringern des SV Siegfried holte Thomas Goerge junge Flüchtlinge mit ins Boot, aber auch einen kleinwüchsigen Schauspieler und einen mit Glasknochenkrankheit. Der Regisseur interpretiert Siegfried als unbegleiteten minderjährigen Flüchtling, und die spielen wie deutsche Jugendliche gern Computerspiele. Weil es in einem davon, in Minecraft, am Ende gilt, einen Drachen zu töten, ähneln die Kostüme mancher Figuren in Goerges Siegfried-Version denen im Computerspiel. Er bevorzugt unkonventionelle Lösungen, auch weil er sich als Schüler im Theater oft über ein schlechtes Bühnenbild ärgerte. Also beschloss er, es besser zu machen.

Überhaupt sind Flucht und Migration Themen, die Goerge nicht loslassen. Das hänge auch damit zusammen, dass sein Vater 1945 aus Ostpreußen fliehen musste und damit seine Heimat verlor, mutmaßt er. Daher sei das Thema in seiner Familie immer präsent gewesen.

Für seinen "Siegfried" jedenfalls arbeiteten Kinder und Erwachsene, Deutsche und Ausländer, Menschen mit und ohne Handicap zusammen - erfolgreich und mit viel Freude. Das Projekt erfüllt damit den sozialen Anspruch, den Goerge an Kunst und Theater stellt. Natürlich inszeniert er auch Stücke an Schauplätzen der Hochkultur, aber unkonventionellere Orte finde er interessanter. Der Tassilo-Kultursozialpreis ermutigt ihn hoffentlich, seine erfolgreiche Arbeit fortzusetzen.

© SZ vom 20.04.2018 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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