Künstlerporträt:Angsterprobt

Lesezeit: 2 min

Begegnet Ängsten rund um den Erdball mit Humor: Schauspieler und Autor Simon Pearce. (Foto: FEEZ Unterhaltungs GmbH)

Nach seinem erfolgreichen ersten Bühnenprogramm "Allein unter Schwarzen" tritt der Münchner Autor und Kabarettist Simon Pearce nun mit "Pea®ce on Earth" im Lustspielhaus auf

Von Oliver Hochkeppel

Selber schuld, könnte man sagen. Wenn man als Kabarettist die Premiere seines neuen Programms nur wenige Tage nach der Bundestagswahl ansetzt, muss man eben damit rechnen, bis zur letzten Sekunde noch umschreiben zu müssen. "Es ist bei mir nicht so schlimm, weil ich kein klassischer politischer Kabarettist bin", sagt Simon Pearce, "aber man kann natürlich auch nicht so tun, als ob nichts gewesen wäre. Ein bisschen was muss man anpassen und einflechten." Mehr als zwölf Prozent für die AfD, das liegt ihm doch ordentlich im Magen, er hat schließlich allen Grund, das persönlich zu nehmen.

Ist Simon Pearce doch nicht nur der Sohn der Volksschauspielerin Christiane Blumhoff, sondern auch des Nigerianers Charles Bioudun Pearce. Dunkle Haut und krause Haare, das macht einen - so unschön es ist, das eingestehen zu müssen - bis heute automatisch zur Zielscheibe eines latenten bis offenen Alltagsrassismus. Den hat der 1981 geborene Pearce in seiner Jugend in Puchheim erlebt, den erlebt er mitunter noch heute in München und auf Tour. Das geht los bei der Wirtin, die sich die Hand an der Schürze abwischt, nachdem sie dem kleinen schwarzen Jungen die Hand gegeben hat, oder bei blöden Sprüchen in der S-Bahn und im Fußballverein; zieht sich über die ständigen Polizeikontrollen; kulminiert darin, am Ostbahnhof von Glatzen zusammengeschlagen zu werden und vor einem Auftritt rassistische Schmähbriefe zu bekommen, die einem Prügel androhen.

Fast noch schlimmer ist, dass so viele an ihren Vorurteilen festhalten, selbst wenn man ihnen das Gegenteil beweist und vorlebt. "Mein Vater war eigentlich der bayerische Vorstadt-Spießer: Hecke schneiden und dabei Bayern 1 hören. Meine Mutter, die war ein Hippie", erinnert sich Pearce. Trotzdem wurde seine aus dem Fernsehen bekannte Mutter gegrüßt, wenn sie alleine unterwegs war, gemeinsam mit der "Negerfamilie" aber gerne geschnitten oder "übersehen".

Man könnte darüber leicht bitter werden, Simon Pearce aber ist ein ausnehmend ausgeglichener, bayerisch-fröhlicher, selbstbewusster Mensch. "Ich hatte natürlich auch viele schöne Erlebnisse und eigentlich eine tolle Kindheit", erklärt er. "Und alles andere habe ich schon immer mit Humor genommen." Nach einem halbherzigen Lehramtsstudium beschloss er nach dem frühen Tod des Vaters endgültig, Schauspieler und Comedian zu werden. Machte eine Ausbildung an der Schauspielschule Zerboni, bekam erste Rollen, unter anderem beim Chiemgauer Volkstheater und im "Kanal Fatal". Und schrieb nach und nach sein erstes Bühnenprogramm "Allein unter Schwarzen", in dem er vor allem seine Jugenderfahrungen kabarettistisch aufarbeitet - mit einer seltenen Mischung aus Cleverness, Selbstironie und politischer Unkorrektheit.

Das schlug ein, die Säle wurden schnell größer, er spielte beim Nockherberg-Singspiel mit und auch sein heuer erschienenes erstes - und ernsteres, streckenweise durchaus bedrückendes - Buch "So viel Weißbier kannst gar ned trinken" läuft gut. Also ist jetzt das zweite Programm fällig: "Pea®ce on Earth!" Es hätte autobiografisch weitergehen können: "Ich hätte noch genug Geschichten übrig gehabt. Doch dann wäre mir endgültig ein Stempel aufgedrückt worden. Ich wollte das Spektrum deshalb erweitern, allgemeiner werden. Deshalb geht es jetzt ganz generell um Ängste", erklärt Pearce. Natürlich spielt die Angst vor Fremden eine Rolle, aber auch so etwas wie Flugangst, unter der Pearce selbst lange gelitten hat. Pearce will unterhalten, aber eben auch ein bisschen aufklären, Ängste und Ressentiments abbauen, eben in Richtung "pearce on earth". Ziemlich sicher wird das gut ankommen. Sieht er den Erfolg also als Rache, als Wiedergutmachung für erlittene Unbill? "Ja, das ist ja wohl das Mindeste" antwortet er. So schelmisch, wie das nicht viele können.

Simon Pearce , Mittwoch, 4. Oktober, 20 Uhr, Lustspielhaus, Occamstraße 8

© SZ vom 04.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: