Kritik:"Walküre" auf der Rakete

Lesezeit: 1 min

Überzeugend: Yordanka Derilova als Brünnhilde. (Foto: Petra Pintscher)

Der "Ring des Nibelungen" aus Sofia im Festspielhaus Füssen

Von Christina Prasuhn, Füssen

Eine Sternstunde? Für das Festspielhaus Füssen mit Sicherheit. Während hier die meiste Zeit des Jahres vor allem Musicals gezeigt werden, steht an diesem Abend Richard Wagners "Walküre" auf dem Programm und wird am Ende der beinahe sechs Stunden langen Aufführung vom Publikum begeistert gefeiert.

Der "Ring des Nibelungen" der Bulgarischen Nationaloper Sofia ist ein ambitioniertes Projekt: Die Entscheidung des Regisseurs und Intendanten Plamen Kartaloff, alle Rollen ausschließlich mit bulgarischen Sängern zu besetzen, grenzt schon ein wenig an den Wagner'schen Größenwahn, wird aber letztendlich zur positiven Überraschung. Das futuristische Bühnenbild des Künstlers Nikolay Panayotov ist zwar mit einfachen Mitteln realisiert, aber die bunte Mischung aus Multimedia-Projektionen und symbolischen geometrischen Elementen, die sich dynamisch verwandeln, bildet eine phantasievolle Ergänzung zur Handlung. Ein gigantischer Ring, der sich in der ersten Szene in zwei Hälften teilt und im Hintergrund verschwindet, kehrt in der letzten Szene mit einer Feuer-Projektion zurück und umschließt die auf dem Felsen schlafende Brünnhilde. Auf einem Fließband ziehen immer wieder einzelne Szenen in Retrospektive vorbei; die Walküren sitzen nicht auf Pferden, sondern stehen auf Raketen, die von schwarz gekleideten Menschen bewegt werden. Neben den gesanglichen Herausforderungen bedeutet dies eine zusätzliche Anforderung an den Gleichgewichtssinn der Sängerinnen; entsprechend wird der Walkürenritt von den Zuschauern mit begeistertem Zwischenapplaus honoriert.

Der Orchestergraben ist ebenso wie in Bayreuth abgedeckt, doch der Einfluss auf die Klangqualität ist ein anderer. Das 77-köpfige Orchester unter der Leitung von Erich Wächter klingt über weite Strecken undifferenziert, dumpf und vor allem zu leise. Andererseits bietet dies einen enormen Vorteil für die Sänger, die dadurch eine geringere Durchschlagskraft benötigen. Insbesondere Martin Iliev als Siegmund und Tsvetana Bandalovska als Sieglinde profitieren von dieser Situation; die Harmonie zwischen Bandalovskas dunklem Sopran und Ilievs Tenor mit baritonalem Timbre wird ergänzt durch ihre berührende Darstellung des verliebten Geschwisterpaares. Schade nur, dass Siegmunds "Winterstürme weichen dem Wonnemond" trotz des zurückgenommenen Orchesters eher an einen Sturm im Wasserglas erinnert.

Die überzeugendste Leistung des Abends bietet Yordanka Derilova als Brünnhilde. Während sie im zweiten Akt sehr ruhig, mit klarer Artikulation und einer großen Bandbreite an Gefühlen singt, zeigt sie im dritten Akt alle Qualitäten ihres dramatischen Soprans. Im Vergleich dazu bleibt Martin Tsonev als Wotan seltsam farblos.

© SZ vom 15.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: