Kritik:Holzgespinst

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"Maidorf" im Schwere Reiter verhandelt das Wir-Gefühl

Von Judith Nikula, München

Als sich die Türen zum Einlass öffnen, hat die Performance auf der Bühne im Schwere Reiter bereits begonnen. Während das Publikum noch auf der Suche nach einem Sitzplatz ist, bohren, hämmern und sägen fünf Schauspieler an einem Gebilde aus schmalen Holzlatten herum. Ein Sechster sitzt abseits der werkelnden Gruppe, ausgeschlossen, ein Einsamer am Rande des Geschehens.

Gemeinschaft, Inklusion und Exklusion, ein "Wir-Gefühl" - das sind die Themen, mit denen sich Franz von Strolchen in der Uraufführung von "Maidorf - Trilogie des Zusammenlebens Vol. 2" auseinandersetzt. Der Regisseur erzählt die Geschichte der fiktiven Ortschaft Maidorf, in der die Welt noch in Ordnung ist und der Zusammenhalt groß. Einzig der Neuankömmling Georg Augenthaler (Kenneth Huber), der sich einen Prunkpalast erbaut, verkörpert mit schwarz lackierten Fingernägeln und seinem goldenen Hemd jenes Fremde, das die Gemeinde vehement ablehnt. Die Rolle des Außenseiters ist ihm gewiss.

Während Huber mal als exzentrischer Augenthaler, mal als Erzähler die Dorfchronik von 1996 bis 2016 abhandelt, bauen die restlichen Performern, unter anderem auch Bühnenbildner Jens Burde oder Musikerin Laura Landergott, kontinuierlich an dem Holzgebilde herum, dessen Form letztlich an ein überdimensionales Tipi erinnert. Kollegial wird ein symbolisches Maidorf errichtet - ein Gemeinschaftsort, allerdings nur für jene, die ohnehin schon integriert sind. Augenthaler ist und bleibt draußen.

Dies trifft umso härter, als sogar das Publikum Teil der inszenierten Gemeinschaft ist: Jeder Handgriff am Regiepult, jedes Wachstum im Maidorf ist bestens zu beobachten. Man ist quasi mittendrin, wenn an der neuen Heimstätte gezimmert wird. Eindrucksvoll verwischt von Strolchen in seiner Inszenierung die Grenze zwischen Bühne und Publikum und lotet so das Gefühl von Gemeinschaft immer wieder neu aus.

© SZ vom 23.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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