Kritik:Flirrend kluge Verbindung

Lesezeit: 1 min

Die Münchner Symphoniker spielen Ullmann und Mahler

Von Rita Argauer, München

Es ist den Münchner Symphonikern hoch anzurechnen, welche Programme dort so zusammen gestellt werden. Etwa das Klavierkonzert von Viktor Ullmann, das im Herkulessaal mit Gustav Mahlers Symphonie Nr. 5 eine flirrend kluge Verbindung eingeht. Ullmann, der 1944 in Auschwitz ermordet wurde, komponierte dieses Konzert 1939 in Prag, neun Monate nach dem Einmarsch der deutschen Truppen dort. Es ist ein schneidend hartes und gebrochenes Werk, in dem sich durch einen beständigen Wechsel zwischen Tonalität und Atonalität die zunehmende Unsicherheit der Lebensrealität spiegelt.

Die Symphoniker unter ihrem Chef Kevin John Edusei beginnen den Kopfsatz, der von einem Forte-Streichermotiv unbarmherzig angetrieben wird, mit harter Wucht, über die Danae Dörken am Klavier trotz heftiger Akkorde kaum darüber kommt. Doch das macht nichts, denn um das Ausstellen eines virtuosen Solo-Instruments geht es hier sowieso nicht. Die romantische Träumerei im Andante kippt leicht ins Jazzige, das Finale begründet sich auf einem rasend-dunklen Pizzicato, es zeigt sich ein fernes Idyll, das aber wüst von scharfen Streichern unterbrochen wird. Orchester und Solistin entwickeln die Musik zu einem zwingenden und im akustisch teils überforderten Herkulessaal auch forschen Klang. Ein streng gebundenes Aufbegehren und Zerbrechen entsteht, das in greller Groteske Parallelen zu Mahler trägt. Doch während Mahlers Brüchigkeit etwas Prophetisches und seiner Zeit Vorauseilendes hat, ist Ullmanns Gebrochenheit auf unheilvolle Art an seiner Realität geschult.

Das greift Edusei mit seiner Lesart von Mahler auf. Die Trauermarscheröffnung erklingt bedeckt abgründig, eine unheilvolle Ruhe liegt darin. In der nächsten Stunde windet sich die Musik vom schunkelnd zerbröselnden Scherzo zum dionysischen Finale. Edusei setzt auf gemäßigte Tempi und eine Freilegung der motivischen Schichten, die Mahler zu Chaos-Passagen aufgetürmt hat. Die Brüche erklingen so nicht aggressiv gegeneinander ausgestellt, sondern entwickeln eine individuelle Schönheit, was das Orchester, das nach ein paar Unsicherheiten in den ersten beiden Sätzen im Scherzo zusammen gefunden hat, wunderbar umsetzt.

© SZ vom 09.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: