Kritik:Das höchste aller Gefühle

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Wechseln unter Hochdruck die Rollen: David Benito Garcia und Anne Bontemps. (Foto: Fabian Frinzel)

Kristo Šagors "Ich lieb dich" als Uraufführung in der Schauburg

Von Sabine Leucht

Zitroneneis prickelt auf der Zunge. Liebe kribbelt im Bauch. Und so wie kaum einer sein Leben lang einer einzigen Eissorte treu bleibt, so verblasst auch die Liebe zu einem bockigen Meerschweinchen oder einem Menschen mit der Zeit. Jedenfalls manchmal. Aber nicht so bei Lias Großeltern. Die kauzigen zwei, die jahrein jahraus auf der Hollywoodschaukel Tee trinken, werden von Lia und ihrem Freund Julian konsultiert, weil Julians Eltern sich scheiden lassen wollen und er deshalb nicht mehr an die Liebe glaubt. Sie können kräftig fluchen, etwas wackelig, aber immer noch prächtig tanzen - und kennen sich aus mit dem Gewicht des Moments und der Verwandtschaft von Liebe und Hass. Jedenfalls stellen es Anne Bontemps und David Benito Garcia so dar, die Lia und Julian, aber auch alle anderen Figuren in Kristo Šagors "Ich lieb dich" spielen. Das Stück des mehrfach prämierten Autors ist als Auftragswerk für die Schauburg entstanden und webt ein hochkomplexes Gespinst rund um das höchste und unzuverlässigste aller Gefühle. Mit viel Witz und Gespür für Feinheiten wie das fehlende "e", das aus dem monumentalen "Ich liebe dich!" ein "Ich lieb dich" macht, das man - zumal ohne Ausrufezeichen - auch einfach mal zwischen Tür und Angel fallen lassen kann.

Für Kinder ab acht Jahren ist es nicht immer leicht, dem Stück zu folgen, denn nicht nur die Liebe, auch der Tod hat schon mehrfach zugeschlagen, bevor Garcia als Julian seine Geschichte erzählt. Zeitliche Logik und Chronologie sind ausgehebelt; der noch gewöhnungsbedürftige Hochdruck, mit dem sich vor allem Bontemps unter anderem als albernes Zitroneneis, grunzendes Meerschweinchen und Julians entscheidungsschwacher Vater in alle Bewegungs-Spleens und Dialekte schmeißt, dient hier der Orientierung im Stück, in dem gegen Ende fast sekündlich Rollen und Perspektiven wechseln.

Ulrike Günther hat in der Uraufführung das Schauspielerfutter aus der Vorlage herausgekitzelt, Andreas A. Straßer die wunderschöne Bühne gebaut, mit einem zylinderförmigen Zelt über einer Schaukel, von dem aus weiße Stoffbahnen auf die Zuschauer zulaufen. Die sind auf beiden Seiten der Bühne ganz nah dran am Geschehen, das irgendwo zwischen Himmel und Erde, Fantasie und Realität spielt und nicht erklär-, sondern nur erfahrbar ist. Ganz wie die Liebe!

Ich lieb dich , Termine u.a.: Mo./Di., 26./27. Feb., 10 Uhr; Schauburg, Franz-Joseph-Straße 47

© SZ vom 26.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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