Konzertreihe:Zeitgeistsound

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Ein Bass ist nichts für Mädchen? Kinga Glyk setzt sich durch - wenn es sein muss auch gegen den eigenen Vater. (Foto: Kinga Glyk)

Das 16. Internationale Jazzweekend in Unterföhring lockt sein Publikum mit Szenegrößen und einem vielseitigen, gut durchdachten Programm, das dem Fußball Konkurrenz macht

Von Ralf Dombrowski

Für Konzertveranstalter hätte es schlimmer kommen können. Denn während sich Gastronomiekollegen üblicherweise darauf verlassen können, dass Fussballfans Gaststuben mit Großleinwänden fluten, stehen Musiker in den Wochen der Weltmeisterschaft oft in leeren Sälen. Da diesmal die deutsche Mannschaft beschlossen hat, sich schon frühzeitig aus der Wertung zu nehmen, stehen die Chancen jedoch gut, dass auf dem Weg zum Endspiel am Sonntag noch nicht alle Publikumsenergien verbraucht wurden. Und das ist gut so, denn im Falle des Jazz-Weekends, das am Wochenende zum 16.Mal im Bürgerhaus Unterföhring über die Bühne geht, würden die Zuhörer einiges verpassen.

Kinga Glyk zum Beispiel. Die polnische Bassistin ist eine der Aufsteigerinnen der europäischen Jazzszene und wird spätestens seit der Veröffentlichung ihres dritten Albums "Dream" im vergangenen Sommer in der Welt der Musik-Connaisseure bestaunt. Die 21-Jährige, die gerne mit Hut auf dem Kopf und ihrem Vater am Schlagzeug auftritt, hat das Instrument, das einst durch Vorgänger und Vorbilder wie Jaco Pastorius in den Jazz eingeführt wurde, schon als Teenagerin für sich entdeckt und ehrgeizig studiert. "Ich wusste von Anfang an, dass ich Bass spielen würde, da gab es gar keinen Zweifel. Denn ich mochte diese tiefen Noten. Schon als Kind stand ich vor dem Radio und tat so, als würde ich Bass spielen", erinnert Glyk sich an ihre Anfänge. "Mein Vater übrigens war zunächst gar nicht begeistert, als ich ihn fragte, ob er mir einen Bass kaufen wolle. Er schlug mir Klavier, Geige oder Gitarre vor, eben etwas, das besser zu Mädchen passt. Aber ich konnte ihn überzeugen, da war ich elf Jahre alt. Seitdem spiele ich Bass". Ihr Talent entwickelte sich schnell zu Virtuosität und virale Kommunikationskanäle sorgten dafür, dass Glyk mit einer im Jugendzimmer aufgenommenen Solo-Version von Eric Clapton "Tears In Heaven" zu einer Youtube-Berühmtheit wurde, bevor Plattenfirmen sie entdeckten. Inzwischen ist sie vom Insider-Tipp zur anerkannten neuen Kraft am E-Bass avanciert und macht am Freitagabend von 20 Uhr an im Bürgerhaus Station.

Tags darauf kommt eine weitere Koryphäe in die Stadt. Vor kurzem erst zog Kurt Elling in der Bestenliste der Kritiker des renommierten amerikanischen Jazzmagazins Down Beat mit großem Vorsprung an seinen Konkurrenten Theo Beckmann und Gregory Porter vorbei, um auf Platz eins der Kategorie "männliche Sänger" zu landen. Das ist auch kein Wunder, denn der Stimm-Souverän aus Chicago ist ein ebenso vielseitiger wie emphatischer Künstler, der Gesang als umfassendes Medium einer swingboppenden musiktheatralischen Gestaltung versteht. Elling erzählt Geschichten, stellt dar, bezirzt und umgarnt, mit solidem Gespür für Entertainment, aber ohne in flache Gefilde zu geraten. Er nimmt neben den Standards des Great American Songbook auch Bob Dylan, Paul Simon oder Leonard Bernstein ins Programm, Lieder eben, die Bedeutung haben und daher die Interpretation lohnen. Für sein Konzert am Samstagabend bringt er ein herausragend besetztes Quintett mit, das unter anderem mit Trompeter Marquis Hill einen stilistisch geschmackvoll modernen Star des zeitgenössischen US-Jazz zu seinen Reihen zählt.

Als Ausleitung und bei freiem Eintritt präsentieren darüber hinaus die Klarinettisten Stephan, Klaus und der Geiger Johannes Dickbauer am Sonntagvormittag um 11 Uhr ihr Collective zur Matinee am S-Bahnhof Unterföhring, das neben der Cellistin Asja Valcic mit dem Trompeter Mario Rom und dem Schlagzeuger Patrice Héral ebenfalls reichlich Prominenz und die "Hohe Gesprächskultur" des österreichischen Jazz in den Landkreis bringt. Im Vorfeld führt der Hoppel Hoppel Rhythm Club bereits am Donnerstag um 15 Uhr beim Kinderkonzert in der Schulaula den Nachwuchs in die Klangwelt der improvisierenden Musik ein. Ein rundes, abwechslungsreiches Programm, das den Fussball schon mal vergessen lässt.

16. Internationales Jazz-Weekend 2018 , Do. bis So., 12. bis 15. Juli, Bürgerhaus Unterföhring, Münchner Straße 65, Programminfos unter www.buergerhaus-unterfoehring.de

© SZ vom 12.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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