Konzertagenturen:Erbe bewahren

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Andreas Schessl steigt bei Hörtnagel ein

Von Egbert Tholl, München

Was ist es nun? Fusion, Teilfusion, Übernahme, Kooperation? Georg Hörtnagel, Andreas Schessl, Konstanze Hörtnagel und Sonia Simmenauer drucksen ganz schön herum, als sie der Presse etwas vorstellen, wofür einen klaren Namen zu benennen offensichtlich schwer fällt. Die nüchterne Beschreibung: Georg Hörtnagel, Gründer der gleichnamigen Konzertdirektion, ändert die interne Struktur seiner Firma und nimmt drei neue Gesellschafter auf: seine Tochter Konstanze Hörtnagel, Andreas Schessl, Chef von München-Musik, und Sonia Simmenauer, äußerst wichtige Agentin in Sachen Kammermusik, die schon lange mit Hörtnagel selbst zusammenarbeitet.

Hörtnagel veranstaltet seit 1961 Konzerte in München, Polling und Nürnberg. Davor war er Musiker und ist es im Herzen zeit seines Lebens geblieben. Hörtnagel war Solokontrabassist an der Staatsoper, im Staatsorchester also, bis ihn eine Verletzung an der Hand zur Aufgabe des aktiven Musikerlebens zwang - nicht ganz allerdings, legendär wurden seine Auftritte in Schuberts "Forellenquintett" über Jahrzehnte hinweg. Durch sein Musikerwesen gelang es ihm, intensive Kontakte zu namhaften Künstlern aufzubauen. Zu ihm kamen Martha Argerich, Gidon Kremer und Svjatoslav Richter, seine Kammermusikreihen wurden berühmt. Doch irgendwann wurde es Zeit, sich um dieses Erbe, um den Fortbestand dieses grandiosen Musikerreservoirs zu kümmern. Tochter Konstanze ist im Hauptberuf Ärztin und Forscherin für genetische Analysen in Tübingen, Tochter Beatrice führt die Geschäfte in Nürnberg. Dazu drängte Simmenauer darauf, das Erbe in eine überlebensfähige Struktur zu überführen. Die Lösung ist der Einstieg von Andreas Schessl, über München-Musik wichtigster Konzertveranstalter Münchens, Musikliebhaber und exzellenter Geschäftsmann.

Der Kontakt kam nicht über Nacht, 1953 etwa schrieb Hörtnagel an Vater Schessl, Mitglied des Koeckert-Quartetts, eine Postkarte aus Moskau, wo er gerade spielte, als einer der ersten deutschen Musiker nach dem Zweiten Weltkrieg. Tatsächlich wird der Konzertbesucher den Strukturwechsel zunächst nicht merken, die Hörtnagel-Konzerte bleiben im Erscheinungsbild unverändert. Schessl indes kann sich freuen, am Rande seines Konzert-Kosmos' nun eine Mitverantwortung für exzellente Kammermusik zu haben, die zum großen Teil nach wie vor von Georg Hörtnagel (mit-)ausgewählt werden soll.

Freilich: Ganz kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass hier ein kleiner Schritt zu einer Monopolisierung des Konzertangebots in München getan wird, auch wenn Hörtnagel als Marke und Programm bestehen bleibt. Doch was soll's, wenn es der Musik nützt . . .

© SZ vom 23.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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