Kommentar:Zwischen alt und neu

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Augsburg streitet um die Zukunft des Brechtfestivals

Von Yvonne Poppek, Augsburg

Der letzte Tag des Augsburger Brechtfestivals ist für den künstlerischen Leiter Joachim A. Lang gut gelaufen. Das konnte jeder sehen, der am Sonntag im Goldenen Saal beim "Nachruf auf Brecht" war. Die Schauspieler Meret Becker, Thomas Thieme und Dominique Horwitz sprachen über Brecht, trugen Lieder und Texte vor, entflammt, wortmächtig, halsbrecherisch und unterhaltend. Lang saß mit auf der Bühne, lieferte die biografischen Hintergründe zu Brecht. Und erhielt so viel Applaus, dass Moderator Max Moor ein wenig belustigt feststellte: "Sie mögen den."

Die Sache mit dem Mögen ist für Augsburg allerdings nicht so eindeutig. Die Diskussion, wer die Leitung des Festivals 2017 innehaben soll, überschattete das diesjährige Programm. Es ist ein politischer Streit, dessen Knoten längst nicht gelöst ist. Langs Vertrag als künstlerischer Leiter wurde bereits zweimal verlängert. Insgesamt war er sieben Jahre Festivalchef. Reicht das? Oder doch nicht?

Betrachtet man die Zahlen, ist der Erfolg Langs nicht von der Hand zu weisen. Die Veranstaltungen sind gut besucht, 13 000 Zuschauer kamen 2015, dieses Mal - bei kürzere Festivaldauer - 10 500. Alle Jahre konnten bekannte Künstler verpflichtet werden mit enormer Zugkraft. Lang hat Bertolt Brecht, den unbequemen Dichter, seiner Geburtsstadt etwas näher gebracht. Er hat es den Augsburgern gemütlich mit ihm gemacht, mit solchen Veranstaltungen wie dem "Nachruf", in denen große Schauspieler schöne Texte vortragen. Da gibt es kaum Reibungsfläche.

Mit der Ausgabe 2016 ist der von Lang ausgearbeitete, biografisch orientierte Zyklus beendet. Für Augsburg wäre dies ein guter Zeitpunkt, einen neuen Leiter zu berufen, der naturgemäß mit einem neuen Konzept kommen würde. Das Festival ist als Triennale angelegt, alle drei Jahre ist eine neue Handschrift erwünscht. Die Gefahr, dass sich Veranstaltungen wiederholen oder ähneln, wie zuletzt beim Brechtfestival der Fall, wäre gering. Und: Neuer Leiter, neue Perspektive, neue Impulse - wäre das nicht gerade bei einem Dichter wie Brecht angemessen, der mit seinem Werk wachrütteln und verändern wollte?

Hinzu kommt, dass es bei dem Streit um Lang, den die SPD und CSU offenbar gerne halten, die Grünen und mehrere andere politische Gruppierungen aber ziehen lassen wollen, schon viel verbrannte Erde gibt. Die Worte, die die Grünen zu Lang fanden, waren hart, Lang wehrte sich entsprechend. Einmal der Kritik preisgegeben, mehren sich nun - berechtigt oder nicht - die Klagen über den künstlerischen Leiter. Je länger Lang bleibt, desto härter werden diese politischen und persönlichen Fehden geführt werden. Will man das wirklich?

Kulturreferent Thomas Weitzel hat erklärt, dass er für die Zeit nach 2016 ein Konzept hat. Bislang weiß man darüber nichts. Sollte es aber ein ähnlicher Coup sein wie mit dem designierten Stadttheaterintendanten André Bücker, wird es spannend. Insbesondere verknüpft mit der Idee, das Festival am Stadttheater zu verankern - vielleicht Herausforderung und Chance für Festival und Theater, wenn die Spielstätte von 2017 an saniert wird. Am 15. März soll der Kulturausschuss die längst überfällige Entscheidung zum Brechtfestival treffen. Es geht ums Bewahren oder Erneuern. Doch wer diesen Schlussakkord zum Festival verpasst, der sei getröstet: Gut möglich, dass es nächstes Jahr davon eine neue Auflage gibt.

© SZ vom 08.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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