Kolumne: Deutscher Alltag:Ein Wort zur Heckklappe

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Wer glaubt, Männer mit Familie seien irgendwie freundschaftlicher, der möge gelegentlich mit 130 auf der Autobahn die linke Spur benutzen. Mit Heckklappen-Besitzern ist nicht zu spaßen.

Kurt Kister

In einem langen Autofahrerleben lernt man so manches. Wenn es zum Beispiel früher nach Süden in den Urlaub ging, lagen am Rande der einschlägigen Pässe vom Wurzen bis zum Reschen stets viele Havaristen mit qualmenden Kühlern. "Der Motor überhitzt", sagte der Vater dann fachmännisch, und brummelte noch dazu: "Keilriemen". Vorbei. Zwar hat die Zahl der Autos enorm zugenommen, über die Pässe schiebt man sich im dichten Stau. Verluste gibt es dabei aber kaum. Kühler qualmen nicht mehr, und wenn am Straßenrand mal einer eine Panne hat, dann ist das in aller Regel auch phänotypisch ein Schrottkarren oder zumindest ein in Frankreich gebautes Auto.

Trendsetter mit Seltenheitswert: Der Citroën CX Break war einer der Ersten. Irgendwann setzte dann der Kombiwahn ein. (Foto: Foto: dpa)

Völlig ungefährlich waren früher auch Kombis, also verlängerte Limousinen mit größerer Ladefläche. Erstens gab es davon nicht so viele. Zweitens wurden die meistens von Handwerkern oder anderen kleingewerbetreibenden Stützen der Wirtschaft benutzt. Irgendwann setzte dann aber der Kombiwahn ein, der auch noch auf das Syndrom "Dynamischer-Familienvater-mit-Dienstwagen" traf. Den Folgen dieser unglücklichen Koinzidenz ist man täglich auf Landstraßen und Autobahnen ausgesetzt.

Wurde man früher auf der linken Spur gerne von normal kofferraumigen BMWs und Benzen sowie dem einen oder anderen 911er weggefernlichtet, ist heute das klassische Scheuch-Gefährt ein Audi-Kombi, der mit ungefähr 220 Kilometer in der Stunde, getrieben von, was weiß man, 320 PS dahindonnert. Am Steuer sitzt ein stellvertretender Abteilungsleiter, auf dem Heck kleben zwei Papperln: "Anja on board" und "Sven on tour". Morgens sind Anja und Sven zu ihrem Glück nicht dabei, weswegen der Papa so fährt, als gelte es zwischen Kabul und dem Khyberpass einem X5 voller Taliban zu entkommen. Dabei ist der Papa nicht sehr rücksichtsvoll, denn warum sollte er, der vielleicht bald Abteilungsleiter wird und dann einen A6 Kombi bekommt, beim Spurwechsel auch noch blinken?

Selbstverständlich fahren die Kombi-Kamikazes nicht nur Audi (obwohl sie das gern tun), sondern ein Sammelsurium all jener Typen, die es als längere Autos in Schwarz oder Dunkelblau mit viel PS gibt: VW-Passats und BMW, hin und wieder auch Opel und sogar Skoda. Was einst der Heckspoiler an aggressivem Vortriebspotential symbolisierte, ist heute die Heckklappe.

Wer die Illusion hat, Menschen, gar Männer, mit Familie seien irgendwie weicher, freundlicher, nachbarschaftlicher, der möge gelegentlich mit 130 auf der Garmischer Autobahn die linke Spur benützen. Die Avants, Variants und Tourings werden ihn jagen, als habe Schwarz-Gelb endgültig den Verzicht auf die Besteuerung des Dienstwagens als geldwerten Vorteil beschlossen.

© SZ vom 14.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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