Kolumne: Deutscher Alltag:Deutscher Alltag

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Kurt Kister

Nun ist Weihnachten auch schon wieder vorbei. Man hat noch mal in glückliche Kinderaugen geguckt, von denen man leider nicht weiß, ob sie im nächsten Jahr vor lauter Pubertät noch so leuchten werden. Es wäre nicht schlecht, wenn der hinkende Kerl mit der Feder am Hut irgendwann in den nächsten Tagen vorbeikäme und einen Deal anbieten würde: die Seele gegen diesen einen Augenblick, gegen die Möglichkeit, die Zeit anzuhalten, verweile doch, du bist so schön. Aber welchen Augenblick, um Mephistos willen, nähme man dann?

Wäre es einer jener Momente, in denen man dachte, das Glück, das große, besondere, könne nur in den Augen einer Frau liegen? Ein Swimmingpool in Fort Worth, Texas oder dieses Lied von Carly Simon, in dem empfohlen wird, man solle die weißen Nächte nicht erwähnen und vor allem nicht die Versprechungen hinterher? Hmm, diese Art von Glück dauernd zu erleben, wäre wohl eher schädlich. Bevor die Seele hinabführe, stürbe man langsam in einem Gewittersturm von Gefühlen.

Und wie wäre es mit dem, was man "Erfolg" nennt? Das Rad der Zeit anhalten bei der Preisverleihung, der Laudatio mit all den Nettigkeiten, die dem Redner, der ein großer Neidhammel sein kann, aus dem Munde träufelten? War es nicht großartig, als man unter dem Applaus der Kollegen nach vorne schritt, um den Preis entgegenzunehmen? Nein, es war eigentlich nur gelbliche Eitelkeit, man zog den Bauch ein und kam sich toll vor, weil man glaubte, "besser" zu sein als die anderen. Eigentlich hat man ohnehin schon für zu vieles, was man im Beruf tut, fast die Seele verpfändet - und nicht einmal an den Fürsten der Finsternis, sondern nur an seine renditedurchbluteten Kleinhintersassen, die oft ein täuschend weiches Deutsch sprechen.

Sicher, abgesehen von Liebe, Leidenschaft und Lebenswerk gibt es manches andere für den mephistophelischen Moment: nach dem Abitur der Skitag mit dem Vater in Südtirol; die Fahrt im offenen Lincoln Continental durch New Mexico; der erste (und einzige) Fast-Sechstausender. Aber genau das ist das Problem mit dem Festhalten des Glücks. Glück ist so kurzweilig und flüchtig wie der Duft des Sommers. Eine halbe Stunde auf dem Gipfel des Kilimandscharo reicht für den Rest des Lebens. Wäre man, dank des Kontrakts mit dem Hinkenden, jederzeit, gar dauernd da oben, empfände man das gar nicht mehr als den Gipfel, gar als Glück. Es wäre nur zu windig, scheißkalt, und man fühlte sich schlecht wegen der dünnen Luft und dem blümeranten Magen.

So gesehen ist es gar nicht schlimm, dass Weihnachten vorbei ist. Die Augen des Sohnes haben geleuchtet, und das reicht. Zumindest für dieses Jahr.

© SZ vom 24.12.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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