Koch mal wieder!:Häuptling heißer Herd

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Der Freitagabend galt im ZDF als Quotennotstandszone - dann lud der Talkmaster Johannes B. Kerner zum Kochen.

Von Christiane Langrock-Kögel

"Das ist ein sauberer Löffel", sagt Johannes B. Kerner, der Moderator im Hamburger TV-Studio. Dann taucht er das Silberbesteck in den Saucentopf des Sterne-Kochs Johann Lafer.

Kocht nicht, guckt nur: Johannes B. Kerner. (Foto: Foto: dpa)

Kerner schiebt sich neben den weiß bejackten Herrn der Töpfe; er selbst ist wie immer mit Anzug und Krawatte bekleidet, natürlich auch ordentlich frisiert.

Seit ein paar Monaten lässt der fast tägliche ZDF-Talkmaster freitagabends mit fünf Fernsehköchen in Echtzeit ein Menü bruzzeln. Ebenso trainiert naiv, wie Kerner sich sonst um 23 Uhr den Männern und Frauen aus Politik, Showbiz und Kultur zuwendet, spickt er auch in blitzende Edelstahltöpfe.

Kann er überhaupt kochen? Egal, sein Sender, das ZDF, verlässt sich auf ihn. Kerners Quoten sind stabil gut, und auch das im Dezember 2004 aus einer spontanen Idee heraus entstandene Freitags-Kochen hält Temperatur.

Es läuft also gut für Johannes B. Kerner, und diese Gewissheit strahlt er an diesem Morgen im Mai mit jedem Schritt aus. Er kommt, etwas zu spät, um kurz nach elf in sein Büro an der Hamburger Rothenbaumchaussee, in beiger Freizeithose, olivgrünem Hemd mit Stickerei und Turnschuhen ohne Schnürsenkel.

"Sagt jetzt bitte, ich sei nur mal kurz draußen gewesen", grinst er den beiden Damen in seinem Vorzimmer zu. "Du hast die Wagen umgeparkt, die im Halteverbot standen", schlägt seine Assistentin vor.

Kerner lässt sich in den Polstersessel fallen, schenkt Rotbuschtee aus der Thermoskanne ein. Sein Weg hat ihn über den Wochenmarkt geführt, "der Spargel kostet nur fünf Euro das Kilo", freut er sich.

Kerner weiß, wie man jemanden für sich einnimmt, das ist sein Berufs- und vielleicht Lebensprinzip. "Was ich Ihnen alles erzähle", sagt er nach ein paar Sätzen, "wir kennen uns erst fünf Minuten!"

In einer Adventswoche des vergangenen Jahres sagte ihm Hollywood-Star George Clooney kurzfristig für Kerner ab, und der Gastgeber - so erzählt er es - fragte die für den Vorabend als Gesprächspartner eingeplanten TV-Köche Johann Lafer, Tim Mälzer, Ralf Zacherl, Rainer Sass und Sarah Wiener, ob sie nicht als Ersatz für Clooney spontan ein Weihnachtsmenü im Studio zaubern könnten?

Kerners Koch-Klub

Sie konnten. Seitdem tauchen sie in nahezu identischer Besetzung (einen prominenten Gast gibt es auch) an jedem Freitag in Kerners Koch-Klub auf. Die Sendung hat kein großes Konzept.

Sie setzt auf den Reiz des Gegensätzlichen (Schnurrbartträger Lafer und Turnschuhkoch Mälzer) und das dampfende Chaos. Jeder kocht und quatscht vor sich hin. Es gibt ein Leitthema (aktuell: "Urlaubsländer"). Grillwart Kerner schreitet die Reihe ab. Sobald am heißen Herd etwas fertig ist, laufen die Köche mit einer Probe ins Publikum - dem wird suggeriert, seine Meinung sei entscheidend.

Der Freitagabend ist ein schwieriger Sendeplatz; vor Kerner läuft das verdiente, aber etwas quotenkalte Kulturmagazin Aspekte. Sieht man sich die Minutenentwicklung der Kerner-kocht-Quote an, kriegt er die Zahlen meistens von Minute eins bis Minute 60 um 50 bis 100 Prozent nach oben - also zum Beispiel von 0,82 Millionen zu Anfang auf 1,65 Millionen am Ende (ein durchschnittlicher Marktanteil von elf Prozent).

Nahezu jeder Sender hat im Zuge des Kochshow-Booms nach eigenen Rezepten gesucht, dem ZDF fiel Kerners Küchen-Kammerspiel einfach zu. Programmdirektor Thomas Bellut hat es auf jeden Fall bis Jahresende verlängert. Kann er den Erfolg der neuen Sendung erklären?

Er sei zuerst skeptisch gewesen, sagt Bellut, aber das leicht anarchische Element komme gut an. Das tue dem Freitagabend gut, der "nicht optimal" laufe. Aspekte nach hinten schieben, Kerner nach vorne? Bellut dementiert nicht, doch eine Entscheidung stehe noch aus.

Kerner will am Format nichts ändern. Er wird also nicht mitkochen und auch keine Schürze tragen - das hatte er mal überlegt. Er wird weiter nett-ahnungslos fragen, freitags eben nach Fischsorten und Garzeiten. Er sagt, dass ihm diese Rolle manchmal schwer falle, weil er sich seine Fragen selbst beantworten könne.

Zu Hause hat er nun ein paar Mal Spargel gekocht, mit Rinderfilet, das innen rosa war. Er sagt: "Ich kann ein bisschen kochen, fragen Sie den Johann!" Kerner kann kochen! Was für eine Schlagzeile.

© SZ vom 3.6.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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