Kleinkunst:Disco war mal

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Häufiger Gast im Lindenkeller: der Liverpooler Saxofonist Albie Donnelly und seine Band "Supercharge". (Foto: Hartmut Pöstges)

Der Lindenkeller in Freising widmet sich seit seiner Wiedereröffnung vor 20 Jahren nur noch der Kultur

Von DIRK WAGNER, Freising

"Wenn wir heute den Kabarett-Nachwuchs nicht fördern, gibt es in zehn Jahren kein Kabarett mehr", prophezeit Hartmut Fischer von der Stadtjugendpflege Freising. Gemeinsam mit seinem Kollegen Fritz Andresen und mit Adi Gumberger vom Kulturamt Freising stemmt er das Programm im Lindenkeller seit dessen Wiedereröffnung vor 20 Jahren. Viele der Stars, die einst über die Nachwuchsförderung erst groß wurden, danken das dem Freisinger Lindenkeller bis heute, indem sie immer mal wieder dort auftreten. Und sei es nur, um in einer Vorpremiere das neue Programm zu testen, bevor sie damit größere Bühnen bespielen.

"Im Lindenkeller habe ich schon ganz früh eine Comedy-Kleinkunst-Heimat gefunden", sagt beispielsweise Michael Mittermeier. "Künstler wie ich waren froh, dass man eine coole Bühne zum Experimentieren hatte. Und so ganz nebenbei, die Disconächte waren auch gut exzessiv." Tatsächlich lockten diese Disconächte in den Achtzigerjahren sogar Gäste aus Augsburg und Regensburg nach Freising, erinnert sich Fritz Andresen, der damals schon im "Außendienst" für den Lindenkeller gearbeitet hatte, will heißen: als Plakatierer und Parkplatzwächter. Mit den Tanzveranstaltungen konnten auch die Konzerte gegenfinanziert werden. Leider provozierte der Autolärm der nach Disco-Schluss nächtlich abreisenden Besucher zunehmend Beschwerden der Anwohner des Lindenkellers. 1991 musste der bayernweit bekannte Laden schließen, in dem neben vielen anderen Kleinkünstlern schon in den Siebzigerjahren der Münchner Stadtindianer Willi Michl "als Urheber des Bairischen Blues" aufgetreten war.

Dabei hätte es durchaus weiter Live-Konzerte im Lindenkeller geben können. Anders als die Tanzveranstaltungen waren die nämlich über einen Bestandsschutz genehmigt, der sich darauf berufen konnte, dass Live-Musik hier schon seit mehr als hundert Jahren stattfand, auch wenn das anfangs wohl vor allem Blasmusik gewesen sein dürfte. Doch ohne die Einnahmen aus den Disconächten hatte der damalige Betreiber Klaus Hänel auch die Konzerte im Lindenkeller nicht mehr finanzieren können. Also wurde der Laden geschlossen, und lediglich ein Graffiti in der Freisinger Innenstadt tat kund, dass mit dem Tod des Lindenkellers auch die Musik in der Stadt gestorben sei.

Auf der Suche nach alternativen Spielstätten nahm die Initiative Jugendkultur daraufhin auch das alte Gefängnis und die Vimy-Kaserne ins Visier. Letztlich sollte es aber dann doch wieder der Lindenkeller sein, den die Stadt Freising nun dem Land Bayern abkaufte und komplett renoviert am 11. Oktober 1996 als städtischen Veranstaltungsort wiedereröffnete. Diesmal mit einem Budget, das keine ruhestörenden Disconächte mehr zur Finanzierung des Programms brauchte.

Mittlerweile wird die Programmgestaltung eher durch die Nähe zu München und durch die Größe des Lindenkellers, die Auftritte von ganz unbekannten Künstlern kaum zulässt, erschwert. "Die Experimentierfreudigkeit der Jugend hat auch nachgelassen. Früher konnten wir mit drei Schülerbands den Saal füllen. Heute kommen Jugendliche nur, wenn die Bands schon einen Namen haben", sagt Andresen. Und Gumberger ergänzt: "Selbst die Freisinger gucken zuerst, was in München läuft, während sich der Münchner nur selten nach Freising begibt." Umso stolzer kann Freising auf die drei Programmgestalter sein, denen es gelingt, sowohl Rocklegenden in den Lindenkeller zu locken als auch den Nachwuchs zu fördern und lokalen Künstlern eine Plattform zu bieten.

An diesem Samstag werden die ersten 20 Jahre des neuen Lindenkellers mit Albie Donelly's Supercharge gefeiert. Die Band des Liverpooler Saxofonisten, der schon auf Studioaufnahmen von Bob Geldof und den Boomtown Rats mitwirkte und mit Größen wie Chuck Berry und Ray Charles auftrat, ist mit seinem Rhythm'n'Blues schon seit 40 Jahren ein Partygarant. Unterstützt wird er im Lindenkeller vom Schlagzeuger Pete York und von den Jazzpiraten um den Saxofonisten Harry Saltzman.

© SZ vom 15.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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