Klassik:Vom Reiz der Spurensuche

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Martin Stadtfeld spielt Mozart in der Philharmonie - auf seinem aktuellen Album interpretiert der Pianist auch Kinderwerke des Komponisten aus dem "Londoner Skizzenbuch", die er im Netz entdeckt hat

Von Rita Argauer

Gerne werden die Jugend- oder Kinderwerke an den Anfang von Klavierfibeln gesetzt. Der lernende Schüler wird so an das Werk heranführt, das spielende Kind wird über das komponierende Kind der spezifischen Klangsprache näher gebracht. Abgesehen davon sind die kindlichen Werke für den Schüler meist auch technisch einfacher zu bewältigen.

Kinderstücke haben oft ein derartiges Image. Man nimmt sie nicht so ganz ernst, denn die volle künstlerische Reife steckt ja erst im Erwachsenen. Die Kinderstücke alter Meister sind oft Kuriositäten, die deren Frühbegabung unterstreichen, aber gleichzeitig auch die jahrmarktschreierische Attraktivität von vorgeführten Wunderkindern haben. Doch der Pianist Martin Stadtfeld widmete sich immer wieder solchen Werken. Bereits 2009 hatte er Jugendstücke von Beethoven eingespielt, und auch mit dem Werk des jungen Bach hat er sich bereits auseinandergesetzt. Doch mit der Veröffentlichung eines Skizzenbuchs des kindlichen Mozart ist ihm etwas gelungen, das das herablassende Image solcher Kompositionen als Trugschluss entlarvt. Mozarts "Londoner Skizzenbuch" ist relativ unbekannt: "Für mich war das wirklich ein Schatz", sagt Stadtfeld, der auch verwundert darüber ist, dass dieses Büchlein bisher weder von anderen Pianisten noch von der Musikwissenschaft wirklich wahrgenommen wurde: "Es gibt nur einen einzigen Musikwissenschaftler, der erkannt hat, wie wertvoll das ist."

Für Stadtfeld ist die Beschäftigung mit solchen frühen Kompositionen keine Spielerei, sondern eine "Spurensuche", die ihm die Komponisten näher brächte. Und der Weg zu Mozart führte über Google. Er habe über kommende Projekte nachgedacht und ein wenig im Internet recherchiert. "Man hat ja immer das Bild des Künstlers in seiner unerklärlichen Genialität", erklärt Stadtfeld, es reize ihn, mit solchen Recherchen diesem Bild auf den Grund zu gehen: "Es ist spannend zu fragen, woher die Leute kommen und wo die Wurzeln dieser Musik liegen." Und Mozarts Kinderstückchen haben ihn überrascht: "Da ist alles schon da, was für uns Mozart ist." Der Tiefgang, das Überschäumende, das Originelle, wo man sich immer frage, woher er das eigentlich hat, all das habe auch das Kind schon gehabt.

18 Miniaturen sind in dem Buch, die der damals achtjährige Mozart während einer Reise zwischen 1764 und 1765 schrieb, hinzu kommen drei Mini-Sonaten. Und Stadtfeld spielt diese kleinen Formstudien mit einer ernsthaften Genauigkeit, die die erstaunlichen harmonischen Einfälle, die sich darin finden, umso mehr glänzen lässt. Stadtfeld musste an ein paar Stellen ein paar Töne ergänzen, sich für eine bestimmte Dynamik und Spielweise entscheiden, weil die Noten keine Vortragszeichen enthalten. "Wobei es eigentlich für mich immer relativ klar war, weil Mozart die Stücke zu Strukturen zusammengefasst hat". So finden sich darin eben Sonaten-Strukturen und teilweise auch Menuett-Trio-Verknüpfungen.

Zusammen mit dem Mozarteum Orchester Salzburg unter der Leitung von Ivor Bolton hat Stadtfeld für dieses Projekt auch Mozarts erstes und neuntes Klavierkonzert eingespielt, ein konventionelleres Programm, mit dem er nun auch in München auftritt. Die Welt, die die Skizzen des Kindes aufmachen, sei allerdings für Stadtfeld noch einmal spannender gewesen. Auch weil sich der erwachsene Mozart einige der Gefühle seiner Kindheit bewahrt habe: "Er hat die Kindheit nicht wie viele Menschen abgeschnitten, sonst hätte er so etwas wie die 'Zauberflöte' nie schreiben können."

Die erste Seite von Mozarts "Londoner Skizzenbuch". (Foto: Wikipedia)

Martin Stadtfeld, Mozarteum Orchester , Di., 24. Nov., 20 Uhr, Philharmonie, Gasteig, Rosenheimer Str. 5

© SZ vom 24.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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