Klassik-Nachwuchs:Doppelspitze aus dem Haus

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Neue Gesichter beim ARD-Musikwettbewerb

Von Thomas Jordan

München - Gerade als Elisabeth Kozik, die organisatorische Leiterin des diesjährigen ARD-Musikwettbewerbs, davon erzählt, dass ein amerikanischer Teilnehmer ohne seinen Kontrabass in München gelandet sei, passiert es: Nabil Shehata macht eine ausholende Bewegung und das Wasserglas des Dirigenten fliegt bei der Pressekonferenz im BR-Hochhaus auf den Boden. War es der Schreck über das Pech des jungen Musikers? Der Musikprofessor kann das schließlich nachfühlen. Er war 2003 selbst der erste Kontrabass-Preisträger des ARD-Musikwettbewerbs und sitzt dieses Jahr zum ersten Mal in der Jury des weltgrößten Klassik-Nachwuchswettbewerbs: "Ich finde es einfach spannend, wenn 50 Kontrabässe zusammenkommen und man neue Techniken hört", sagt er.

Insgesamt 199 Musiker sind dieses Jahr eingeladen, ihr Können zu beweisen. Mehr als 80 Prozent der Eingeladenen stammen aus dem Ausland, Frankreich ist diesmal mit 32 Teilnehmern die stärkste Nation. Das Wichtigste an dem Wettbewerb, der vom 29. August bis zum 16. September in verschiedenen Münchner Konzertsälen ausgetragen wird, ist allerdings nicht das Preisgeld von insgesamt mehr als 180 000 Euro. Es sind die Kontakte zu Konzertveranstaltern und Plattenfirmen, die sich dadurch ergeben. Das belegt das Beispiel der Zwillinge Ani und Nia Sulkhanishvili, die 2015 den zweiten Preis im Fach Klavier gewonnen haben. Nun, ein Jahr später, stellen sie ihre erste eigene CD vor, die sie in den Studios des Bayerischen Rundfunks produziert haben: Antonín Dvořáks "Legenden", einen Zyklus wenig bekannter Klavierduette des tschechischen Komponisten: "Wir kommen aus Georgien und dort ist Volksmusik etwas Besonderes. Auch Dvořák war sehr verliebt in die Volksmusik. Wir glauben, dass wir diese Musik sehr gut verstehen," sagen die beiden zu ihrer Wahl.

Der seit 1952 bestehende Musikwettbewerb fördert aber nicht nur Nachwuchstalente, sondern bringt auch selbst neue Musikstücke hervor: Für jedes im Wettbewerb vertretene Instrument haben zeitgenössische Komponisten ein Stück geschrieben, das dann von den Teilnehmern gespielt wird. Darunter ist dieses Jahr ein musikalischer Krimi: Das Kontrabass-Stück "Tamam Shud" des Komponisten Moritz Eggert, ist die Vertonung eines mysteriösen, bisher nicht aufgeklärten Todesfalls am australischen Somerton-Beach im Dezember 1948. Die Leiche konnte bis heute nicht identifiziert werden. "Wie wenn man am Sonntagabend vor dem Fernseher sitzt und Tatort schaut, so ähnlich ist dieses Tamam-Shud-Stück", sagt Nabil Shehata.

Zusammen mit dem seit 2006 bewährten Oswald Beaujean stellt die BR-Klassik-Redaktionsleiterin Meret Forster erstmals im Team die künstlerische Leitung des Musikwettbewerbs. Sie will in Zukunft die Weiterverwertung von Stücken verstärken, die für den ARD-Wettbewerb komponiert wurden und schon jetzt in das Repertoire von Musikhochschulen eingegangen sind. "Meine Wunschkandidatin", sagt Beaujean, und BR-Hörfunkdirektor Martin Wagner betont, dass der Verzicht auf eine externe Leitung nichts mit den aktuellen Sparplänen des BR zu tun habe. Allen Beteiligten aus dem Herzen sprechen die Sulkhanisvili-Zwillinge dann am Ende eines Einspielfilms über ihren Erfolg von 2015: "Wir wollen nicht, dass das alles nach diesen zwei Wochen vorbeigeht, wir wollen, dass das weitergeht."

© SZ vom 29.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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