Klassik:Schöner Götterfunken

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Zum Protest bereit: Simon Rattle äußerte sich am Rande von Proben mit den BR-Symphonikern zur Auflösung des europäischen Jugendorchesters. (Foto: Stephan Rumpf)

Simon Rattle schließt sich Protest gegen drohende Auflösung des europäischen Jugendorchesters an

Von Judith Nikula, München

"Wenn es eine Institution gibt, von der die europäischen Ideale und Werte verkörpert werden, dann ist es das European Youth Orchestra", sagte Sir Simon Rattle am Dienstag. Der britische Dirigent, sonst bekannt für seine besonnene und freundlich Art, zeigte sich bei einer hastig einberufenen Pressekonferenz im Herkulessaal echauffiert angesichts der drohenden Auflösung des renommierten Jugendorchesters der Europäischen Union. Denn zum 1. September streicht die EU dem European Youth Orchestra (EUYO) jegliche Fördermittel aus ihrem Kulturprogramm.

Als ein Zeichen der Solidarität mit den jungen Musikern spielten er und das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (BRSO) spontan bei einer Probe für das Konzert an Fronleichnam den Schlusssatz aus Beethovens Neunter Sinfonie. Im Ensemble des BRSO sitzen derzeit zwölf Alumni des EUYO. Eine von ihnen ist die belgische Geigerin Valerie Gillard, die ihre Zeit im Jugendorchester als "fantastische Erfahrung" bezeichnet. "Der Zusammenhalt unter den jungen Musikern war unvergleichlich. Kulturelle Grenzen haben wir dort immer überwunden."

Vor genau 40 Jahren, im Jahr 1976, gründeten Joy und Lionel Bryer gemeinsam mit dem Dirigenten Claudio Abbado das European Youth Orchestra als Symbol für den Zusammenhalt und die kulturelle Vielfalt Europas. Seither waren mehr als 3 000 europäische Musiker aus 28 Ländern Teil des jungen Ensembles. "Die EU und das EUYO haben eines gemeinsam: Sie ziehen Menschen an, die Grenzen überwinden und Brücken bauen", sagte einst Jean-Claude Juncker, Präsident der Europäischen Kommission. Jahrzehntelang wurde das Orchester direkt von der EU unterstützt - immerhin gab es in den Siebzigern einen Parlamentsbeschluss für dessen Gründung. Eine Änderung der Förderungs-Richtlinien der EU bedingte jedoch bereits 2014, dass die Finanzierung des Jugendensembles nur noch projektweise im Rahmen des Programms "Creative Europe" ermöglicht werden sollte. Weil auch diese Stütze nun wegfällt, und bislang keine finanzielle Alternative angeboten wurde, droht im Spätsommer das Ende des renommierten Orchesters. Der Widerstand gegen diese Entscheidung ist enorm: Unzählige Kampagnen kämpfen im Internet unter dem Hashtag #SaveEUYO für den Erhalt der Institution. Eine Online-Petition richtet sich gar persönlich an Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlamentes.

Auch Simon Rattle setzt noch Hoffnungen in all diese Protestaktionen: "Es klingt wie ein Klischee, aber die Musik ist tatsächlich eine internationale Sprache, mit der alles möglich ist."

Bleibt zu hoffen, dass es auch die EU schafft, ihre grenzenlose Bürokratie zu überwinden und die Zukunft des Orchesters sichert.

© SZ vom 25.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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