Klassik:Eigenwillig

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Das Singapore Symphony Orchestra

Von Rita Argauer, München

Mut wird nicht immer belohnt. 70 Jahre Care-Pakete gibt den Anlass für ein Benefiz-Konzert in der Münchner Philharmonie - doch das mutig ausgewählte Programm wirkte auf das Publikum leider nur mäßig attraktiv. Jan Vogler und Arabella Steinbacher spielen mit dem Singapore Symphony Orchestra, und normalerweise haben solche Gala-Konzerte ein eher konventionelles Programm; eines, das durch seine Zugänglichkeit ins Konzert lockt und die Zuhörer wenn möglich so beschwingt in die Pause entlässt, dass sie gleich noch mehr spenden.

So überrascht es, dass die Werkauswahl für dieses Konzert höchst eigenwillig ist und hauptsächlich aus Stücken des 20. Jahrhunderts besteht - eigentlich fast ein Tabu, wenn es darum geht, Klassik in möglichst zugänglicher Form zu präsentieren. Doch das Singapurer Orchester unter der Leitung von Lan Shui zeigt auch durch seine Spielweise, dass hier kein Interesse an plumper Überwältigungsstrategie besteht. Dieses Orchester ist zart, glasklar schimmernd im Streicherton, zurückhaltend bei den Bläsern und sorgfältig in Rhythmik und Zusammenspiel. Bei Max Bruchs "Kol Nidrei" erklingt das unter Jan Voglers konstant kantablem Cello-Ton ganz hinreißend. Das "Kol Nidrei" dient so weder der pompösen Feierei, noch wirkt es klebrig-sentimental, sondern berührt auf die Art eines sorgsam musizierten und dunkel belegten Wiegenlieds. Anschließend beginnt Arabella Steinbacher Prokofjews zweites Violinkonzert in ähnlicher Manier stoisch und lässt das Eröffnungsthema gleichbleibend in einer ausweglosen Kreisbewegung verharren. Auch hier übt sich das Orchester in Zurückhaltung, selbst die stampfenden Wechselrhythmen klingen gediegen; aber ab und an leider auch etwas eingeschlafen. Erst im dritten Satz mischen sich geräuschhaftere Farben dazu, die den Prokofjew in schrägem Glanz leuchten lassen.

Doch nur etwa die Hälfte der Plätze in der Philharmonie sind besetzt - das Prinzip, eine Gala und ein spannendes Programm zu vermischen, geht hier leider nicht auf. Aber auch der zweite Teil, den das Orchester mit der modernistischen Dekonstruktion populärer Musikgenres des 19. Jahrhunderts bestreitet, ist genauso anspruchsvoll wie befriedigend für die Sinne: Der Wiener Walzer versüßt Strauss' "Rosenkavalier"-Suite und zerschallt in Ravels "La Valse", der Marsch wird zur Wehmut in Hindemiths sinfonischen Metamorphosen. Stilvoll gesetzt in einem anspruchsvollen Rahmen für eine Benefiz-Gala, der leider zu wenige Menschen beiwohnten.

© SZ vom 28.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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