Klassik:Ausbildung auf Klassenfahrt

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Paradiesische Zustände: Ohne finanzielle Sorgen können sich die Studenten am Curtis Institute auf ihre Ausbildung konzentrieren. (Foto: Curtis Institute)

Am Curtis Institute of Music studierten bereits Leonard Bernstein oder Hilary Hahn. Das Konservatorium mit Sitz in Philadelphia zeichnet sich auch durch ein besonderes Unterrichtskonzept aus: Man geht auf Tournee

Von Rita Argauer

Die Kluft ist groß zwischen musikalischer Ausbildung und der professionellen Ausübung von Musik. Während Erstere meistens in geschlossenen Räumen beim Üben erfolgt, schließt mit ein bisschen Glück die Konzerttätigkeit an - verbunden mit Tourneen, kurzfristigen Zusammenarbeiten und Flexibilität im Repertoire. Als Ulrich Nicolai vor einigen Jahren den Dirigenten Herbert Blomstedt an die Münchner Musikhochschule einlud, um das Hochschulorchester in einer offenen Probe zu dirigieren, begründete der Professor das fast wehmütig damit, dass der Prozentsatz der Musiker, die im Berufsleben tatsächlich mit solchen Dirigenten arbeiten, sehr gering sei. Aus einer ähnlichen Haltung, aber versüßt durch die US-amerikanische Think-Positive-Attitüde, ergab sich das Unterrichtskonzept des Curtis Institute of Music aus Philadelphia. Da müssen die Studenten nicht darauf warten, ob sie irgendwann tatsächlich als Musiker arbeiten werden. Da gehört das Touren zum Stundenplan. Auf musikalischer Klassenfahrt wird so erprobt, was sonst jeden Tag geübt wird. Ein Konzept, das aufgeht - zumindest, wenn man den Prominenz-Faktor der Alumni ansieht: Am Curtis Institute studierten Leonard Bernstein, Hilary Hahn oder Lang Lang.

Für den Rektor Roberto Díaz liegt der Erfolg seiner Absolventen aber nicht ausschließlich daran, dass sie schon während der Ausbildung regelmäßig auf Tournee sind. Neben dem Üben, das natürlich obligat sei, sind dem chilenisch-amerikanischen Bratscher zwei Dinge besonders wichtig: die illustre Riege der Dozenten und wie die 175 Studenten des Instituts mit diesen zusammen arbeiten. "Normalerweise hat man einen festen Lehrer, der einen ausbildet", erklärt Díaz. Nicht so in Philadelphia - hier wählen die Studenten je nach dem, welche Epoche und welche Schwerpunkte sie gerade interessieren, aus, zu welchem Lehrer sie gerade gehen wollen. Auch das ist wieder so ein US-Klischee des Liberalismus', der eine breite und somit auch marktkonforme Ausbildung ermöglicht.

Doch in einer Sache unterscheidet sich das Curtis Institute von anderen Konservatorien und Universitäten in den USA. Denn über eine Stiftung, an deren Vermögen die berühmten Absolventen des Instituts wohl einen nicht unerheblichen Anteil haben, wird die Uni finanziert, so gibt es keine Studiengebühren. "Die Studenten sollen sich konzentrieren, sie sollen üben und Sachen ausprobieren, man kann nur über den Tellerrand schauen, wenn man auch die Zeit dafür hat und nicht nebenher jobben muss", erklärt Díaz. Und in gewisser Weise jobben die Studenten ja für ihr Studium, wenn sie im Namen der Uni auf Tour gehen. Gerade hat die Kammermusikformation in Berlin und Dresden gespielt, im kommenden Jahr soll das Schulorchester nach Europa kommen. Fast das ganze Jahr sei irgendeine Delegation der Schule unterwegs, erklärt Díaz und präsentiert damit wieder ein sehr amerikanisches Grundprinzip: "Learning by doing". Nach München kommt die Kammermusik-Delegation nun mit einem ungewöhnlichen Programm aus Mozarts Klarinettentrio, KV 498, David Ludwigs "Our long war" für Sopran, Geige und Klavier, sowie Messiaens Klarinettenquartett "Quatuor pour la fin du temps".

Curtis on Tour , Montag, 30. Mai, 20 Uhr, Allerheiligen Hofkirche, Residenzstr. 1, 21 83 73 00

© SZ vom 28.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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