Klangfest:Tradition und Trend

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Das Klangfest München im Gasteig zeigt, was die bayerische Musikszene aktuell zu bieten hat

Von Jürgen Moises

Man kann seine Heimat auf verschiedene Weisen verlieren. Sie kann ganz langsam, Stück für Stück verschwinden. Etwa wenn, durch Gentrifizierung angetrieben, von der vertrauten Nachbarschaft nur noch der Bier-Laden um die Ecke übrig bleibt. Bis auch der plötzlich verschwunden ist und an derselben Stelle jetzt ein Architekt über seinem Laptop brütet. Man kann seine Heimat aber auch quasi über Nacht verlieren, wenn sie von Krieg und Fanatismus so zerstört wird, dass einem selbst nur noch die Flucht bleibt. Vom Bier-Laden in der Au erzählt die Münchner Gruppe Hundling im Lied "So genga de Gang", und was den Verlust der Heimat durch Krieg und Fanatismus angeht: Den haben der Bratschist Ehad Abou Fakhar und der Oud-Spieler Abathar Kmash aus Syrien am eigenen Leib erlebt.

Vor ein paar Wochen sind Fakhar und Kmash über die Balkanroute nach München gelangt und treten nun hier mit Emin Redan aus Marokko unter dem Namen Jisr an diesem Samstag beim Klangfest im Gasteig auf. Für ihren Auftritt um 19.15 Uhr im Kleinen Konzertsaal wurde laut Klangfest-Projektleiterin Petra Deka extra ein eigener Programmplatz geschaffen. Weil man, so Deka, das aktuelle Thema Flucht unbedingt aufgreifen wollte. Für Ehad Abou Fakhar und Abathar Kmash, die beide an der Musikhochschule in Damaskus klassisch ausgebildet wurden, ist das übrigens nicht der erste Auftritt in München. Im April waren sie in der Import-Export-Kantine und im Stadtmuseum zu erleben. Was zeigt, wie schnell Integration gelingen kann, zumindest auf musikalischer Ebene.

Auch bei der Diskussion, mit der das mittlerweile siebte Klangfest um 13 Uhr im Foyer des Gasteig beginnt, geht es um das Thema Heimat, oder genauer: um den "Heimatsound". Ist das, was Bands wie La Brass Banda oder Moop Mama machen, indem sie bayerische Musiktraditionen mit Reggae, Jazz und anderen Stilen mischen, "nur eine Erfindung der Industrie oder ein gesellschaftlicher Trend"? Dieser Frage widmen sich unter anderen die Journalistin Dagmar Golle, der Musiker Franz Himpsl von der Unterbiberger Hofmusik und ein Vertreter des Labels Exil Musik. Von 15 Uhr bis Mitternacht gibt es dann Musik satt, von 32 Bands aus München und Umgebung, die auf dem Klangfest von ihren Labels präsentiert werden.

Das ist auch der Unterschied zu anderen Festivals in München, dass hier die bayerischen Labels unter Leitung des Verbands unabhängiger Musikunternehmen (VUT) im Zentrum stehen: in Form von Infoständen, aber eben auch durch die Auftritte ihrer Bands. Was diese auf vier Bühnen von Jazz und Weltmusik über Rock und Elektronik bis hin zur Klassik alles aufbieten, ist so gesehen auch alles "Heimatsound". Das gilt für den bayerischen Folk'n'Roll der bereits erwähnten Hundling, den Isar-Blues von Willy Michl, die alpine Weltmusik von Fei Scho oder das "Liedermaching" von Michael Fitz genauso wie für den Trip-Hop von Akere, den Blues von Dr. Will, den African Jazz von Daktarimba, den Reggae von Yohto oder den Folkpop von Dobré.

Sie alle werden übrigens nicht nur Musik machen, sondern in der Medienlounge auch Rede und Antwort stehen. Außerdem wird mit "Kofelgschroa. Frei.Sein.Wollen" zum ersten Mal ein Dokumentarfilm laufen, und zwar in Kooperation mit dem Dok-Fest. Die auch für die Zukunft geplante Zusammenarbeit sollte eigentlich noch umfangreicher ausfallen, aus Raummangel und Brandschutz-Gründen war das jedoch nicht möglich. Noch eine weitere Neuerung ist laut Daniel Dinkel vom VUT-Süd für die Zukunft geplant, nämlich internationale Branchenvertreter einzuladen und aus dem Klangfest eine Art "Exportmesse" zu machen. Denn der "Heimatsound", so Dinkel, mag hier weitreichend bekannt sein, im Ausland wissen aber nur Wenige davon. Wie dieser aktuell so klingt, das kann man auf dem Klangfest gut lernen.

Klangfest München 2016, Sa., 14. Mai, ab 13 Uhr, Gasteig, Rosenheimer Str. 5, Eintritt frei

© SZ vom 14.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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