Kino: "Road to Perdition":Schenk´s Hanks!

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Sam Mendes macht Tom Hanks zum schwarzen Mann in seinem Film "Road to Perdition"

ANKE STERNEBORG

Es beginnt mit einem Familienausflug, der Vater und die Mutter, die zwei Söhne steigen in den Familienwagen, den schwarzen Buick. Das Ziel aber ist keine sonnige Sommerfrische - es geht zu Totenwache, in einer düsteren, dunkel getäfelten Villa der Stadt. Als Michael Sullivan seinen Sohn Michael auf den Ernst der Situation einschwört, nickt dieser Michael, ohne zu ahnen, dass nun seine Kindheit schon fast vorbei ist.

(Foto: SZ v. 04.09.2002)

Das Dunkel des Totenreichs lastet von Anfang an auf den Bildern, es legt sich als Schatten über die Gesichter, füllt jede Nische aus, erstickt den Atem des Lebens. Wie bereits "American Beauty", der erste, bei weitem lichtere Film von Sam Mendes, ist auch "Road to Perdition" aus der Perspektive eines so gut wie Toten erzählt. Wie die traurigen Helden des amerikanischen film noir ist auch Michael Sullivan von Anfang an ein dem Untergang Geweihter. Sein Weg führt ihn aus der Finsternis des Verbrechens ins grelle Weiß eines Strandes, aber einen Sinn macht sein Leben nur noch durch seinen Sohn - dessen Zukunft, das andere Leben, das er ihm ermöglichen will. Der junge Michael ist im gefährlichen Moment zwischen Kindheit und Erwachsensein, in jenen Jahren, da die unverbrüchlichen Gewissheiten von Zweifeln durchlöchert werden. Plötzlich steht die Frage im Raum, was Daddy eigentlich tut, wenn er arbeiten geht.

Die Antwort ist nicht leicht für Michael Sullivan, der als hired hand arbeitet, als Killer im Dienste des irischen Mob. Tom Hanks spielt diesen Sullivan mit der grimmigen Starre eines Verzweifelten. In Filmen wie "Philadelphia", "Saving Private Ryan" oder "Castaway" kamen bereits dunkle Seiten seiner Leinwand-Figur ans Licht, wurden feine Risse sichtbar in seiner Mr.-Nice-Guy-Fassade. Der gnadenlose Gunman, den er nun verkörpert, leidet an seiner Situation, existentiell, aber er weiß, dass er in der Schuld seines Ersatzvaters steht - des generösen John Rooney (Paul Newman), der ihn einst von der Straße aufgelesen hat. Anders als in "Scarface" oder den "Godfather"- Filmen oder in "Bonnie and Clyde" hat das organisierte amerikanische Verbrechen bei dem Engländer Mendes nichts Rauschhaftes. Seine Killer führen sich nicht auf als Kings of the World, die ihr exzessiv ihr Highlife genießen. Sie sind Gefangene ihrer Regeln und Rituale - das macht "Road to Perdition" fürs Genre des film noir, was Clint Eastwoods "Unforgiven" für den Western war: einen illusionslosen Abgesang, eine düstere Ballade des Untergangs.

Sehen bedeutet den Verlust der Unschuld in diesem Film - ein einziger Augenblick genügt, um die Spirale von Zerstörung und Tod, Verrat und Rache in Gang zu setzen. Eines Nachts versteckt sich der neugierige Michael im Auto des Vaters und wird Zeuge von dessen Morden. Die schrecklichen Ereignisse lassen die Menschen verstummen, den Gangster, der jahrelang seinen Job getan hat, den Jungen, der etwas erfährt, das sein Vaterbild zerstört. Der Pate will die Familie des Augenzeugen auslöschen, die Mutter und der Bruder sterben, der Vater und Michael müssen fliehen. Konsequent destilliert Sam Mendes die Tragödie ganz aus den Gesichtern, aus dem Blick verstörter Kinderaugen und den versiegelten Lippen des Vaters - und mit jeder Minute scheinen Dialoge immer überflüssiger, scheint jedes Wort am Ende unmöglich und unnötig.

Mendes bleibt auch in seinen Kinoarbeiten der Bühnenmensch, in seinen kühl kalkulierten und perfekt stilisierten Bildern - die geschlossene künstliche Welt, die er komponiert, ist immer zugleich atemberaubend schön und beklemmend, und es ist, als hätte er den film noir von allen Genre-Schnörkeln befreit, aufs Wesentliche reduziert. Die Geschichte des Films basiert auf einer graphic novel, einem Comic-Roman von Max Allan Collins und Richard Piers Rayner (deutsch bei Heyne), die der großartige Kameramann Conrad Hall in langen, ruhig gleitenden Einstellungen, in wortlosen Szenen immer wieder durchschimmern lässt.

Fast zu erwarten war natürlich, dass der Theatermann Mendes das Drama aus der amerikanischen Depressionszeit einer Shakespeare-Tragödie angeglichen hat - in der es um sehr viel mehr geht als um schmutziges Geld und skrupellos erkauftes Vergnügen. Ein zweiter Sohn kommt ins Spiel, Newmans leiblicher Sohn, der den Vater skrupellos betrügt und bestiehlt - er kann ihm nicht verzeihen, dass er seinen Ziehsohn Michael immer vorgezogen hat.

"Road to Perdition", sagt Sam mendes, sei ein Film über zwei Väter, die ihre Söhne zu schützen versuchen, sagt Mendes. Wie in "American Beauty" wird das eigentliche Drama reflektiert durch die Groteske des Voyeurismus - durch einen sinistren Mann, der die Ereignisse mit einer Kamera festhält. Jude Law spielt den Polizeifotografen Maguire, der offiziell die Leichen auf seine Platte bannt, und es ist gespenstisch, wie hässlich dieser attraktive Mann hier aussieht: lange, nikotinverfärbte Fingernägeln, ausgedünntes Haar, bleiche Haut, gelbe Zähne und fischiger Blick - ein Nosferatu, der seinen Opfern das Blut aussaugt mit seinem Apparat. Im Auftrag des Mobs heftet er sich an die Fersen von Michael Sullivan, der sich von seinem persönlichen Rachefeldzug gegen den Mörder seiner Familie nicht abbringen lässt. Eine zaghafte Annäherung findet statt auf ihrer Flucht, die sich aber jeder gemeinsamen Zukunft verweigern muss. Das Amerika, das sie gemeinsam durchqueren, verweigert jede Aussicht auf Freiheit. Ihr Weg endet in Perdition, ein kleiner Ort am Meer - aber auch eine Hölle endloser Verdammnis.

ROAD TO PERDITION, USA 2002 - Regie: Sam Mendes. Buch: David Self. Kamera: Conrad Hall. Musik: Thomas Newman. Mit: Tom Hanks, Paul Newman, Jude Law, Jennifer Jason Leigh, Stanley Tucci, Daniel Craig, Tyler Hoechlin. Twentieth Century Fox, 119 Minuten.

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