Kino: Ben Stiller in "Ausgeflittert":Vulgär aber geschmacklos

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Die Hölle sind wir: In "Heartbreak Kid", dem neuesten Streich der Farrelly-Brüder, verliebt Ben Stiller sich gleich in zwei Frauen und überzeugt einmal mehr mit herzlich groben Gags. Mit wirklich witzigem Video.

Fritz Göttler

Fröhlich wissenschaftlich präsentiert sich dieser Film, wie immer bieten die Regie-Brüder Bobby und Peter Farrelly eine Fülle von Einblicken in die Zoologie, in die Umtriebe des Homo sapiens. Der "Heartbreak Kid" Lenny (Ben Stiller) ist hiervon eine ganz besondere Unterklasse, ein Wesen, das mit vierzig noch nicht verheiratet ist und offenbar nicht sehr viel Erfahrung mit Frauen hat, obwohl es in einer aufreizend schönen Gegend haust, San Francisco, dort einen prächtigen Sportartikelladen führt.

Und obwohl es Freunde hat, die den Glanz eines perfekten Paardaseins beschwören, und einen Vater (Papa Jerry Stiller persönlich), der weitschweifige Erfahrungen aufweist und keine Gelegenheit auslässt, den Sohn zu drängeln und in ein flottes Weekend in Las Vegas zu bugsieren.

Kühn an Cameron Diaz orientiert

Dann geht alles ganz schnell und ohne reifliche Überlegung. Eine blonde Frau, der auf der Straße ihre Tasche entrissen wird - Malin Akerman, die sich kühn an Cameron Diaz in "Verrückt nach Mary" orientiert -, eine täppische Heldentat, ein paar Wochen Dating, eine Heirat, dann ab ins mexikanische Cabo San Lucas. Die Frau weist plötzlich erstaunliche Qualitäten auf, vom Drang die Songs im Radio lautstark mitzusingen bis zur exzessiven Sexspiellust, außerdem eine Deviation des Septums - eine deformierte Nasenscheidewand, die grausam komische Effekte produziert, wenn sie Saft trinkt oder eine Pille schlucken will.

Farrelly-Filme strapazieren ihre Stars ganz unerbittlich, weil sie die Handikaps der Figuren in den Mittelpunkt stellen, die körperlichen Defekte und die sozialen Behinderungen, die eine streng normierte Gesellschaft mit ihren Vorurteilen, Kurzschlüssen und Ersatzhandlungen ihnen aufdrückt. Als Lenny plötzlich einer anderen Frau begegnet - Michelle Monaghan, ein echtes Südstaatenkind, das mit dem Familienclan die Nächte unsicher macht -, verliebt er sich so schnell, dass er nicht dazu kommt, von der Ehe zu erzählen.

Seine Frau hockt derweil im Hotelzimmer, leidet an einem fürchterlichen Sonnenbrand. Weil er die ganze Konfusion nicht rechtzeitig auflöst, muss am Ende auch Lenny dran glauben, die letzte halbe Stunde gestaltet sich zum Spießrutenlaufen par excellence - von der qualligen Attacke einer Portugiesischen Galeere bis zu verzweifelten Versuchen, ohne Pass die Grenze zwischen Mexiko und den USA zu überqueren, inmitten illegaler Einwanderer.

Farrelly-Filme gelten als hart und vulgär und geschmacklos und in keiner Weise korrekt, sie gönnen sich gern grobe Gags unter der Gürtellinie. Aber sie sind nie hartherzig, und sie besitzen eine sympathische Grazie, die die amerikanische Komödie in Jahrzehnten harter Arbeit kultiviert hat - wobei sie durchaus auf europäische Einflüsse beherzt reagierte. Von all dem hat man hierzulande nicht sehr viel mitbekommen, man merkt das am Gefälle zu den täppischen deutschen Komödien, die diesen Herbst überschwemmen, denen, die schon in den Kinos sind, und denen, die uns noch blühen.

Die Grausamkeit der Liebe

Der Heartbreak Kid Lenny hat, dank der Geschwindigkeit, mit der er sich in eingebildete Gefühle verheddert, etwas von den Helden der Nouvelle Vague. Deren Kino hat uns gelehrt, dass in jeder Lust und in jeder Liebe ein großes Stück Grausamkeit steckt. Dass die Liebe am liebsten in der Illusion sich einnistet und vom Verrat lebt - der die Kehrseite ist der Treue zu sich selbst. Dass die Wahl zwischen dem Leiden und dem Nichts manchmal nicht mehr entscheidend ist.

Station gemacht hat der Heartbreak Kid gewissermaßen an der Ostküste - in New York spielt die erste Kinofassung der Geschichte, 1972, mit Charles Grodin, das Script ist von Neil Simon, Regie Elaine May, die unbedingt der unverdienten Vergessenheit entrissen werden muss. Es war ihr zweiter Film, nach dem Misserfolg des vierten, "Ishtar", 1987, hat sie nie wieder eine Chance bekommen. Ihr "Heartbreak Kid" ist geprägt von der sexuellen und politischen Emanzipation der Siebziger, die Farrellys reflektieren nun, 35 Jahre später, auf das neue Klima in den USA, in denen das soziale, das familiäre Netz restlos zerfleddert ist.

In den Sechzigern wollte May Sartres "Huis Clos" auf Amerikas Gegenwart adaptieren - es würde auf Amerika heute, wie es bei Farrelly gespiegelt wird, ebenso perfekt passen. Frage: Und wo kommt da die Hölle her? Antwort: Nun, können Sie eine bessere Definition der Hölle liefern als gegenseitiges Misstrauen?

THE HEARTBREAK KID, USA 2007 - Regie: Bobby und Peter Farrelly. Buch: Scot Armstrong, Leslie Dixon, B. Farrelly, P. Farrelly, Kevin Barnett. Nach dem Drehbuch von Neil Simon und der Geschichte von Bruce Jay Friedman. Kamera: Matthew F. Leonetti. Mit: Ben Stiller, Michelle Monaghan, Malin Akerman, Jerry Stiller, Rob Corddry, Carlos Mencia. Universal, 116 Minuten.

Außerdem laufen an:

"Bis zum Ellenbogen", von Justus von Dohnányi

"Ich habe euch nicht vergessen - Simon Wiesenthals Leben und Vermächtnis", von Richard Trank

"Jindabyne - Irgendwo in Australien", von Ray Lawrence

"Königreich Arktis", von Adam Ravetch, Sarah Robertson

"Das Reichsorchester", von Enrique Sánchez Lansch

© SZ vom 31.10./1.11.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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