Kindertheater:Eingesperrter Strand

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Das Stück "Himmel und Hände" handelt von zwei sehr unterschiedlichen Freunden

Von Barbara Hordych, München

Der eine guckt am liebsten von seinem Leiterplatz aus in die Luft, der andere wühlt daneben hingebungsvoll mit den Händen in seiner Sandkiste. Blau und Gelb sind die beiden vorherrschenden Farben auf der Bühne, die Ursula Bergmann zum Stück "Himmel und Hände" in der Kleinen Burg, im Keller der Schauburg, gestaltet hat. Die Sandkiste enthält, ein schönes Detail, tatsächlich echten Sand. Dass O (Klaus Steinbacher) keine Schaufeln hat, stört ihn nicht, hat er doch in "Rochts" und "Lonks", seinen Händen, zwei natürliche Grabwerkzeuge. "Du bist ja ganz schmutzig", sagt der kluge und zurückhaltende A (Janosch Fries) prompt, als sie sich kennenlernen. Woraufhin O Sand auf A's Leitersprossen häufelt, um ihn zu ärgern.

Eigentlich will er A nur neugierig machen, auf sich, ihn dazu bewegen, mit ihm gemeinsam Höhlen zu bauen. Doch der lehnt das Wühlen im Sand, dem "eingesperrten Strand", kategorisch ab. Viel lieber reckt er den Kopf nach oben, betrachtet den Himmel, einmal sogar drei Stunden lang, wie er O anvertraut. "Weil ich in den Wolken einen Tausendfüßler sah, aber nur 627 Beine zählen konnte; ein anderes Mal war da Afrika, mit allen Inseln davor", schwärmt er.

Die beiden könnten also unterschiedlicher kaum sein, das machen Fries und Steinbacher, die A und O mit erfrischender Spielfreude verkörpern, rasch klar. Was der bald entstehenden Freundschaft aber keinen Abbruch tut. Vielleicht ist es ja wirklich so, dass sich die Sonne in der Höhle von O ausruht, wenn A ihr an seinem Himmel eine Pause gönnt? Schnell werden beide füreinander das sprichwörtliche A und O, sind einander unentbehrlich, teilen Gedanken und Taten, und was daraus entsteht, ist sehr schön und berührend anzuschauen in Jule Krachts Inszenierung von "Himmel und Hände".

Dann kommt es zur Zäsur. Von A heiß ersehnt, von O genauso gefürchtet. Während A beim Blick in die Ferne fantasiert, was er künftig alles lernen und erfahren wird, vergräbt O sich immer tiefer in der Sandkiste, will davon nichts hören und nichts sehen. Kann nicht einfach alles so bleiben, wie es ist? Autor Carsten Brandau erhielt 2016 den Mülheimer Kinderstücke-Preis für das Werk - zurecht. Die Geschichte vom Entstehen einer Freundschaft, die mit dem ersten Schultag an ihre Grenzen zu stoßen scheint, berührt, stimmt wehmütig - und macht zugleich Lust auf Neuanfänge.

Fries und Steinbacher nehmen die Gefühle ihrer beiden Figuren ernst, lassen ihr junges Publikum lachen und mitfühlen. So dunkel die Höhle auch sein mag, in die O sich vergräbt, um der Veränderung zu entgehen - an ihrem Ende zeigt sich ein Licht. Dort wartet ein Neuanfang, bei dem wieder ein A und ein O aufeinander treffen. Und die Entdeckungsreise des eigenen Ich im (noch fremden) Anderen weitergeht. Eine wunderbar poetische Inszenierung, nicht nur für Vorschulkinder und Erstklässler.

Himmel und Hände, Sonntag, 24. Juni, 11 Uhr, Theater der Jugend

© SZ vom 23.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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