Justizministerin Zypries mit "Bild" in der U-Bahn:Einmal Dschungel und zurück

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Die Bild-Zeitung forderte Justizministerin Zypries zu einer lebensbedrohlichen Tat auf: Sie sollte sich in eine Berliner U-Bahn wagen. Bild-Redakteur Franz J. Wagner hat sie begleitet - und überlebt.

Willi Winkler

Am Rande von Berlin, zur polnischen Grenze hin, streifen neuerdings wieder Wölfe durch die Wälder und suchen, wen sie verschlingen. Bären wurden noch nicht gemeldet, aber Wildschweine gibt es genug. In manchen Nächten hält sie nichts mehr, dann fallen sie rudelweise in die Hauptstadt ein. Rette sich, wer kann! Berlin ist, wir Provinzler ahnten es, Berlin ist ein Dschungel.

Nicht zu unterschätzen: Eine Fahrt in einer Berliner U-Bahn. (Foto: Foto: dpa)

Der Dschungel ruft, nein, er brüllt doch. Täglich neue Meldungen über neue Schlägereien. Jugendliche Täter sind es, oft Ausländer, die gute Deutsche treten und in der U-Bahn zusammenschlagen. Ein Thema nicht nur für den Leitartikel, sondern erst recht für den Reporter. "Beachtung", große womöglich, fand einst Franz Josef Wagners "Kriegsberichterstattung aus Israel, Ägypten und Vietnam", wie er auf der Klappe seines Romans Im September wenn ich noch lebe (1979) erklärt, aber was sind die Golan-Höhen, was der Vietcong gegen das bürgerkriegsgeängstigte Berlin?

Gemeinsame Geisterfahrt

Wagner forderte deshalb in seiner Bild-Kolumne, in der er sonst Nicolas Sarkozy darum beneidet, dass der "den Hintern von Carla Bruni streicheln" darf und nicht er, die Justizministerin Brigitte Zypries auf, mit ihm U-Bahn zu fahren. In allen Ehren natürlich; sie ist ja kein Super-Model, sondern eine "Verharmloserin" (Wagner) und kann einfach nicht so gut wie Wagner ("Raus mit Euch, auf nimmer Wiedersehn") gegen kriminelle Ausländer krawallieren.

Die gemeinsame Geisterfahrt kommt kurz vor Mitternacht zustande. Den in vielen Schlachten geprüften Reporter schaudert's. Da unten sieht es ganz anders aus als oben in der Bild-Redaktion an der Kochstraße. "In der U-Bahn riecht es nach abgestandenem Leben", aber trotz beschmierter Wände will sich der Feind einfach nicht zeigen. Man plaudert, schaut, wartet. Die Reportage eilt rasch ihrem Höhepunkt zu: "Drei Betrunkene steigen zu, sie haben Bierflaschen in den Händen."

Letzter Halt Notrufsäule

Der nächste Hieb, der nächste Tritt - gilt er mir oder gilt er der Frau Ministerin? Aber nichts passiert. Wagner hat zum Glück eine Süddeutsche in den Händen; dieser Abwehrzauber wird ihm das Leben in der Hölle unter Berlin gerettet haben.

Vielleicht war's auch das mehrköpfige Film-Team, das das Paar bei seiner Feindfahrt begleitet hat. Den Reporter kitzelt die Angst. "Ich stelle mir vor, wie ich blutüberströmt zu der Notrufsäule krieche und den untersten Knopf erreiche", depechiert der Frontberichterstatter Wagner in die Redaktion. Die besten Geschichten waren schon immer die erfundenen.

© SZ vom 19./20.1.2008/kur - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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