Jubiläum:Traumtänzer im Café

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Sturmwarnung: Anna Karina, Claude Brasseur in "Außenseiterbande". (Foto: Imago/AGD)

Der Schauspieler Claude Brasseur, einer der Jungs aus Godards "Außenseiterbande", wird achtzig Jahre alt.

Von Fritz Göttler

Es war einmal, im Frühjahr 2001, Claude Brasseur war nach Cannes gekommen, um beim Festival einen neuen Film vorzustellen. Er sitzt in einem Restaurant, so erinnert er sich in einem Interview, da kommt Quentin Tarantino herein, und ein Schauder geht durch den Saal. Tarantino erblickt Brasseur und lächelt ihm zu. Brasseur, von Natur aus ein wenig schüchtern, ist verunsichert, das muss ein Irrtum sein! Da kommt Tarantino schon auf ihn zu, "Sie heißen Rimbaud", begrüßt er ihn, "Nein, nein, Sie täuschen sich", erwidert Brasseur. "Doch doch, Sie heißen Arthur Rimbaud", sagt Tarantino, und natürlich hat er recht. Claude Brasseur ist Arthur in Jean-Luc Godards "Bande à part/Die Außenseiterbande" von 1964, neben Sami Frey als Franz und Anna Karina als Odile, drei Namen, die bei Godard mit literarischen Referenzen aufgeladen sind.

Odile & Arthur & Franz, die drei legendären Louvre-Sprinter - 9 Minuten und 43 Sekunden für einen Durchlauf, an wackligen Wärtern vorbei, die keine Chance gegen die drei haben - , die drei Traumtänzer, die einmal wirklich einen kleinen Tanz in einem Café improvisieren, eine Minimalmusicalnummer zwischen den Cafétischen, die bis heute alle Hollywood-Musicals um Längen schlägt.

"Bande à part" ist bis heute der bekannteste und kühnste und frischeste Brasseur-Film geblieben, und es ist irgendwie schmerzlich, fünfzig Jahre später zu sehen, wie naiv und resolut zugleich der Protest einer jungen lost generation ablief, von der Poesie gesteuert. Die zwei Jungs und das Mädchen sind in einer spielerischen Liebe zu dritt gefangen und in Träumen vom schnellen Geld, und in Kinorollen natürlich, Gangsterfilmen und Western. "Die Helden zu imitieren", schreibt Frieda Grafe über Arthur, "macht ihm solchen Spaß, dass es seine Wirklichkeit wird."

Claude Brasseur wurde am 15. Juni 1936 geboren, er kommt aus einem großbürgerlichen Haus, seine Eltern sind Pierre Brasseur und Odette Joyeux, zwei große staatstheatertragende Schauspieler, ganz ihrer Karriere hingegeben. Claude hat das Kino also auch als eine Befreiung empfunden, aber er ist nicht bei der Nouvelle Vague geblieben, ihm fehlte die ein wenig manische Selbststilisierung, die Belmondo oder Jean-Pierre Léaud zum Erfolg führten. Einmal hat er für Truffaut gespielt ("Ein schönes Mädchen wie ich", 1972, neben Bernadette Laffont), ein zweites Mal für Godard ("Détective", 1985, neben Nathalie Baye und Johnny Halliday). Seine Rollen holten ihn schnell zurück in die Bürgerlichkeit, und von dort ins Theater. Er passt sich dem Typus Bulle an, einige Jahre lang verkörpert er einen in der TV-Serie "Franck Keller".

Sein kühnster Film hat Quentin Tarantino tief geprägt

Lange war das seine ganz eigene Mischung, die in die Stirn ragenden Haarfransen, die etwas Mönchisches suggerieren, darunter der durchtriebene, auch mal böse Blick. Als ewig besorgter Vater versuchte er die junge Sophie Marceau zu dirigieren in den erfolgreichen "La Boum"-Filmen der Achtziger - und spielte die Klischees der Rolle so lässig durch, wie er seine breiten Hosenträger zur Schau stellte. Nur wenige Jahre nach "La Boum 2" spielte er den Mann von Marceau in "Abstieg zur Hölle", einen Schriftsteller in der Krise, der zum Mörder wird.

Beim Tanz von "Bande à part" ist Brasseur auf magische Weise bei sich. Er trägt einen karierten Winterpullover und ist auf die kleinen Schrittfolgen konzentriert, auf das Klatschen der Hände, und gleichzeitig geht ihm Anna Karina neben ihm nicht aus dem Sinn, die Schottenrock, schwarze Strümpfe und einen Hut trägt. Wird die Welt ein Traum oder wird der Traum die Welt? Am Mittwoch wird Arthur Claude Brasseur achtzig Jahre alt. Tarantino hat seine Produktionsfirma in Los Angeles A Band Apart genannt.

© SZ vom 15.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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