Jubiläum:Jean Nouvel wird 70

Lesezeit: 1 min

Er ist Frankreichs erfolgreichster Architekt. Dabei sind seine spektakulärsten Projekte noch im Bau.

Von Joseph Hanimann

Wenn es einen französischen Weltstar der Architektur gibt, dann ist es Jean Nouvel. Der Mann mit dem Kahlschädel und dem schwarzen Hemd oder T-Shirt ist das, was dem Erscheinungsbild eines Architekten in Frankreich am besten entspricht: kein Ingenieur, kein Bautheoretiker, sondern ein Künstler aus der Tradition der École des Beaux-Arts, an der Architektur seit bald zwei Jahrhunderten gelehrt wird. Auch Jean Nouvel ist ab 1966 durch die Pariser Kunsthochschule gegangen. Als Assistent des quirligen Intellektuellen Paul Virilio und des Betonvirtuosen Claude Parent trieb er sich aber früh auch schon dort herum, wo das Neue disziplinüberschreitend am aufregendsten war.

Seine ersten großen Projekte waren der schiffförmige Sozialwohnblock "Nemausus" in Nîmes und das Institut du Monde Arabe in Paris, das 1987, als eines der ersten "Grands Projets" unter Präsidenten Mitterrand, eingeweiht wurde. Mit der Bewegung "Mars 1976" hatte Nouvel sich schon als Dreißigjähriger von den strengen Prinzipien der "Charta von Athen" losgesagt. Er strebte eine Moderne der optischen Blendung und unkonventionellen Raumgestaltung an, die mehr auf konzeptueller Radikalität, raffinierter Materialverwendung und neuster Technologie als auf Formspielerei beruht. In der Pariser Fondation Cartier (1994), dem Kultur- und Kongresszentrum Luzern (2000) oder dem Musée du Quai Branly in Paris (2006) ist ihm das besonders gelungen.

Seinen Hang zur Extremleistung lebt Nouvel durch seine Vorliebe für Hochhausprojekte aus. Ist das Projekt eines "Unendlichen Turms" im Pariser Défense-Viertel bis heute unausgeführt, so konnte er mit dem Kölner Mediapark Tower, dem Dentsu Tower in Tokio, dem Agbar-Turm in Barcelona oder dem High-Rise Office Building in Katar doch einiges realisieren. Viele von Nouvels prominentesten Arbeiten sind aber noch im Bau: die Louvre-Filiale in Abu Dhabi, das Nationalmuseum in Katar oder der direkt neben dem New Yorker Museum of Modern Art entstehende Wolkenkratzer 53W53. Berüchtigt ist der Pritzker-Preisträger für aus dem Ruder laufende Kosten. Bei der im Januar eingeweihten Pariser Philharmonie haben ihm die Bauherren die Bauleitung aus der Hand genommen, weshalb der Architekt heute mit ihnen prozessiert.

Der Meister, der heute an diesem Mittwoch 70 Jahre alt wird, betreibt seinen Beruf als einen Akt der genialischen Eingebung, dem man manche Regelverletzung nachsehen muss. Für die Betrachter und Benutzer seiner Bauwerke bringt die in den "Ateliers Jean Nouvel" betriebene und vom Meister bis ins Detail streng kontrollierte Werkstattarbeit immer wieder visuelle Beglückung hervor.

© SZ vom 12.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: