Jubiläum:Gestern war Corinth

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Das Kunstforum Ostdeutsche Galerie in Regensburg feiert 50-Jähriges. Gegründet wurde es als ein Akt der Selbsthilfe geflüchteter Künstler

Von Sabine Reithmaier

Die Regensburger nennen sie "die Ostdeutsche". Sagen nicht Kunstforum oder gar KOG, wie das "Kunstforum Ostdeutsche Galerie" auch tituliert werden könnte. Aber Verkürzungen würden vom eindeutigen Profil nur ablenken. Das Museum setzt sich mit dem kulturellen Erbe der einstmals deutschen Kulturräume in Osteuropa auseinander, bewahrend auf der einen Seite, reflektierend auf der anderen Seite. So erfolgreich, dass das Haus inzwischen in der Kunstszene ein anerkannter Partner ist. "Darauf können wir stolz sein", findet Direktorin Agnes Tieze.

Die Kunsthistorikerin leitet das Haus seit vier Jahren, war noch nicht geboren, als am 16. November 1966 in einer konstituierenden Sitzung die Stiftung Ostdeutsche Galerie gegründet wurde. Nach jahrelanger Vorarbeit des Adalbert-Stifter-Vereins und der Künstlergilde Esslingen, einer Art Selbsthilfeorganisation für geflüchtete und vertriebene Künstler. "Denen war schnell klar, dass es ein Museum geben sollte", sagt Tieze. Allerdings interessierten sich auch Gießen und Krefeld für so ein Museum. Regensburg machte das Rennen, nicht nur wegen seiner geografischen Randlage - weder DDR noch Tschechien waren weit -, sondern auch weil die damals gerade entstehende Universität eine osteuropäische Ausrichtung als künftigen Schwerpunkt propagierte.

Die Organisationsstruktur war von Anfang an komplex. Neben dem Bund, der Stadt Regensburg, dem Adalbert-Stifter-Verein und der Künstlergilde Esslingen waren die elf alten Bundesländer im Stiftungsrat vertreten. Der Zweck war klar: ein Museum für Künstler zu schaffen, die aus den ehemaligen deutschen Reichsgebieten stammten. Die Formulierung stieß nicht auf allgemeine Begeisterung. Aber Paragraf 96 des Bundesvertriebenengesetzes verpflichtete den Bund, "das Kulturgut der Vertreibungsgebiete in dem Bewusstsein der Vertriebenen und Flüchtlinge, des gesamten deutschen Volkes und des Auslandes zu erhalten". Der Paragraf ist immer noch gültig, aber seit den Zeiten des Kalten Kriegs hat sich viel verändert. Inzwischen tragen nur mehr der Bund, Bayern und die Stadt die Stiftung. Die Debatte, ob die Osteuropa-Ausrichtung noch zeitgemäß sei, kochte regelmäßig hoch, zum letzten Mal Ende der Neunzigerjahre, als die rot-grüne Regierung den Stiftungsauftrag in Frage stellte. Allerdings konnte das Museum damals bereits auf eine Vielzahl grenzüberschreitender Aktivitäten verweisen und so einem Förderungsstopp entgehen.

Die neue Ära hatte im Haus längst eingesetzt, gab es doch immer weniger Deutsche, die beim Begriff "ostdeutsch" an Gebiete in Polen, Russland oder Tschechien dachten. Die Bezeichnung galt nur mehr für das Gebiet der neuen Bundesländer. Das Kunstforum änderte also seinen Sammlungsauftrag, konzentrierte sich nicht mehr ausschließlich auf Geburtsorte oder Wirkungsstätten, sondern versuchte sich im Dialog mit zeitgenössischen Künstlern. Die Umbenennung 2003 in "Kunstforum Ostdeutsche Galerie" unterstrich das Ziel, als Plattform für die Kunst des östlichen Mitteleuropas zu fungieren.

Derzeit wird gerade das Dach des Kunstforums saniert. Daher präsentiert sich die Dauerausstellung nur in einer stark verkleinerten "Highlight-Hängung". Baustellen gehören aber zur Geschichte des Museums. Ursprünglich stand auf dem Gelände nur ein Schützenhaus, in dem heute die Verwaltung residiert. 1871 baute die Stadt gegenüber eine Turnhalle, die sich 1910 in eine Kunsthalle wandeln musste; die Oberpfälzer Kreisausstellung benötigte Platz. Das Haus erhielt eine Kuppel, auf der Pallas Athene, die Göttin der Künste, thront und über den Stadtpark blickt.

1951 zogen die Galerie zeitgenössischer Kunst Ostbayerns und 1957 die sudetendeutsche Galerie ein. Vier Räume mussten reichen, bis 1966 das neue Museum beschlossen wurde. 1970 bei seiner Eröffnung präsentierte sich das Haus deutlich vergrößert mit 20 Räumen und mit einem zur Straße hin verlegten Eingang. 1981 folgte der Grafiktrakt an der Nordseite.

Wenn es nach Agnes Tieze geht, könnte auch gut weitergebaut werden, etwa in der Bibliothek - "sie ist schlecht zugänglich, eine Leseecke fehlt völlig". Der Raum für Museumspädagogik ist auch zu klein, und von einem Café mit Museumsshop träumten schon ihre Vorgängerinnen. Aber Agnes Tieze ist zuversichtlich, auch wenn sie weiß, dass nicht alles umzusetzen ist. Im Moment denkt sie gerade darüber nach, wie sie die ungezählten Donaudampfer-Touristen besser ins Museum locken könnte. Um die 40 000 Besucher zählt sie alljährlich, da wäre schon noch Luft nach oben, findet sie.

Inzwischen beherbergt das Museum 2000 Gemälde, 500 Bildwerke und 30 000 Papierarbeiten, darunter Werke von Lovis Corinth, Käthe Kollwitz, Max Pechstein, Karl Schmidt-Rottluff, Otto Mueller, Ludwig Meidner, Lyonel Feininger und Oskar Kokoschka, aber auch Markus Lüpertz, Sigmar Polke, Katharina Sieverding. "Dafür, dass es uns erst 50 Jahre gibt, ist es ein schönes Konvolut", findet Tieze.

Gefeiert wird an vier Tagen bei freien Eintritt mit diversen Veranstaltungen. Gesucht wird auch ein Maskottchen fürs Museum, so rot wie die Säulen der Bildhauerin Magdalena Jetelová, die das Gesicht des Forums prägen. Und die Pläne für die nächsten 50 Jahre? "Wir werden uns noch viel mehr mit der zeitgenössischen Kunstszene beschäftigen", sagt Tieze. Nur dann könne der Brückenschlag zu den Nachbarländern wirklich gelingen.

50 Jahre Kunstforum Ostdeutsche Galerie Regensburg, Do., 17., bis So., 20. November freier Eintritt, Infos zu Veranstaltungen: www.kunstforum.ne t

© SZ vom 15.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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