Jubiläum:Der Unsichtbare

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Dustin Hoffman, Inberiff des Method Actors, der hinter seinen Rollen verschwindet, wird achtzig Jahre alt.

Von Philipp Stadelmaier

"Wäre Dustin Hoffmans Gesicht sein Vermögen, wäre er zu einem Leben in Armut verdammt." So witzelte das Life-Magazin 1967, als gerade "Die Reifeprüfung" ins Kino kam. Hoffman war damals dreißig Jahre alt, in der Rolle lief er meist wie betäubt durch die Gegend, aber der Film wurde trotzdem ein Riesenhit und sein Hauptdarsteller schlagartig bekannt - er kam zu einer Karriere und auch zu Vermögen.

Bis dahin gab es in Hoffmans Leben wenig, was ihn für diesen Erfolg prädestiniert hätte. Der Sprössling einer jüdischen Familie, geboren am 8. August 1937 in Los Angeles, wollte erst Pianist werden, doch das Talent fehlte. Also wandte er sich der Schauspielerei zu. Bald lernte er einen anderen Charakterkopf kennen, Gene Hackman, und gemeinsam zogen sie nach New York, wo in den Sechzigerjahren zeitweise auch noch Robert Duvall in ihrer Wohngemeinschaft hauste: drei künftige Schauspielgranden, aber ein Leben am Existenzminimum. Hoffmans Rettung war dann Mike Nichols und die "Reifeprüfung". Dort spielte Hoffman Benjamin Braddock, diesen Studenten mit dem dauerstarrenden Blick, der nicht weiß, was er mit seinem Leben anfangen soll, und eine Affäre mit der älteren Mrs. Robinson (Anne Bancroft) beginnt. Die Figur wurde zur Ikone vieler - ebenfalls ziellos nach Orientierung suchender - junger Amerikaner. So beeindruckend wie der Erfolg war allerdings Hoffmans Zurückhaltung auf der Leinwand. Konnte er überhaupt spielen, oder war er einfach nur ein Durchschnittstyp, ganz "er selbst"? Um den Regisseur John Schlesinger von seinen Künsten zu überzeugen, begegnete er ihm bei einer Verabredung auf dem Times Square als Obdachloser. Schlesinger erkannte ihn nicht - und besetzte ihn für "Asphalt-Cowboy". Das Resultat war beeindruckend: Hoffmans kranker und abgehalfterter New Yorker Gauner, der einen Callboy aus Texas unter seine Fittiche nimmt, ist schon mal ziemlich weit entfernt vom Wohlstands-Ennui der "Reifeprüfung".

Ebenso wie in diesem ersten großen Erfolg hat Hoffman auch danach immer wieder passive Typen gespielt, die vor allem eines können: zuschauen. In der "Reifeprüfung" ist er von Mrs. Robinsons mesmerisiert, in "Little Big Man" wird er Zeuge der Dezimierung der indigenen Bevölkerung. Und dann ist da die berühmte Szene in "Der Marathon-Mann", in der ein alter Nazi-Zahnarzt (Laurence Olivier) einen jüdischen Studenten (Hoffman) brutal mit Zahnbesteck foltert. Hoffman kann nur dasitzen, zuschauen - und schreien. Sicher: In all diesen Filmen wird er irgendwann die Passivität überwinden und entschieden handeln, aber immer noch mit dem stoischen Blick. Ganz bei sich selbst.

Paradoxerweise führte er dadurch etwas in seine Filme ein, was den Blick von ihm weg auf die anderen lenkt. Als zarter, brillentragender Häftling in einer französischen Strafkolonie tritt er etwa in "Papillon" vollkommen hinter dem von Steve McQueen verkörperten Helden zurück. Und hat man nicht auch in "Die Unbestechlichen", in dem er und Robert Redford die Watergate-Journalisten Bernstein und Woodward spielen, den Eindruck, dass er hinter dem charismatischen Schönling Redford zurücksteht, ohne dabei irgendetwas von seiner Präsenz zu verlieren? So ist es auch nicht verwunderlich, für welche Filme Hoffman seine Oscars gewonnen hat. Einmal für das Scheidungsdrama "Kramer gegen Kramer", wieder so eine Jedermann-Geschichte mit viel Projektionspotenzial. Und dann für den ganz in sich eingeschlossenen Autisten Raymond in "Rain Man", eine Rolle, auf die er sich über ein Jahr lang vorbereitet haben soll. Als Method Actor verschwindet er eben gern hinter seinen Charakteren. Seine schönsten Rollen der Achtziger- und Neunzigerjahre sind aber vielleicht zwei andere. In "Tootsie" ist er ein Schauspieler, der nur Erfolg hat, wenn er sich als Frau verkleidet; in "Wag the Dog" ein Filmproduzent, der nie die gewünschte Anerkennung erhält. Beide Filme erzählen vielleicht auch von diesem Paradox: ein so großer Schauspieler zu sein, dass man ihm das Spiel kaum noch ansieht - und er hinter seiner Kunst allzu unsichtbar wird. Das Life-Magazin hatte also unrecht: Hoffmans Gesicht war ein Vermögen wert - es ist nur nie so berühmt geworden wie andere. Erfolg hat er immer noch, selbst wenn man ihn vor lauter Schminke kaum mehr erkennt, wie in Tom Tykwers "Das Parfum", oder wenn nur noch seine Stimme übrig bleibt, wie zuletzt in den animierten "Kung Fu Panda"-Filmen. Aktuell im Kino aber schaut man sich am besten die "Reifeprüfung" an - der Film ist gerade in einer digital restaurierten Fassung zu sehen. Um den 50. Geburtstag dieses großen Films zu feiern - und vor allem den 80. Geburtstag von Dustin Hoffman.

© SZ vom 08.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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