James Lee Burke:Nazi-U-Boot vor New Orleans

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"Dave, du musst eins werden mit dem Schwert." Italienische Mafiosi, Neonazis und aufrechte Iren in "Mississippi Jam", einem verstörenden Dave-Robicheaux-Roman von James Lee Burke, nun endlich auf Deutsch.

Von Fritz Göttler

Es ist eine bizarre, unerbittliche Dreiecksgeschichte, die sich in diesem Buch entwickelt - Dave Robicheaux, Deputy Sheriff in der kleinen Stadt New Iberia, dazu auch Bootsverleiher mit anliegendem Anglershop, der vehemente Held einer Reihe Romane von James Lee Burke, seine Frau Bootsie, die robust sein kann, aber auch verletzlich, und der geheimnisvolle Will Buchalter, der Daves Dienste sich unbedingt versichern will und gemein in die Ehe eindringt. Mit diesem Roman treibt Burke den Surrealismus, der dem Noir-Krimi-Genre eingeboren ist, auf die Spitze. Ein deutsches U-Boot wird der Anlass für psychischen und physischen Terror. Das Boot liegt vor der Küste von New Orleans auf dem Meeresgrund, die Nazis hatten damit Jagd auf amerikanische Öltanker gemacht, um die Benzinlieferungen der Alliierten zu sabotieren. 1942 wurde es von den Amerikanern versenkt. Dave, heißt es, wisse den Lageort, er habe es schon zweimal zufällig beim Tauchen gesichtet.

Die Stadt New Orleans ist der surreale Schauplatz par excellence, wo Schwüle herrscht und Regen- und Gewitterwolken schnell den Himmel überziehen. Und wo Menschen unterschiedlichster Länder und Rassen sich begegnen, zusammentun, attackieren, wo Ende des vorigen Jahrhunderts rücksichtsloser Drogenhandel grassiert, Verbrechen nicht nur aus eiskalter mafiöser Gangsterdisziplin durchgezogen werden, sondern auch in Erinnerung an okkulte einheimische Mysterien.

Statement zu Tarantino: Der Kerl weiß einen Scheißdreck über das Verbrechen.

"Mississippi Jam" ist 1994 in Amerika erschienen, schaffte es damals nicht unter die bei uns herausgebrachten Robicheaux-Romane und kommt jetzt erstmals auf Deutsch heraus. Es ist ein Roman, der die Gewalt Mitte der Neunziger skizziert, die Konfusion, in der die Regierung von Ronald Wilson Reagan das Land hinterließ, ein Interregnum, bevor die Correctness die Gesellschaft in den Griff nahm. Der jüdische Geschäftsmann Hippo Bimstine will das U-Boot bergen, will ein morbides Casino daraus machen. Dave Buchalter hat ganz andere Pläne damit, er ist ein Rassist, ein Neonazi, ein Psychopath. Er bedrängt Daves Frau, überfällt in der Nacht das Ehepaar brutal, verstört sie durch seine bedrohliche, unsichtbare Präsenz bei nächtlichen Besuchen im Haus. Eine Transgression ungeheurer Art, die wirklich alle Grenzen zu überschreiten bereit ist. "Dave, du musst eins werden mit dem Schwert", hat er eines Nachts quer über die Wand im Badezimmer mit Lippenstift geschrieben, "ich werde dich auf eine Art lieben, wie keine Frau es kann. WB."

New Orleans affiziert alle, auch Dave, der sich gern besonnen und väterlich gibt, wird immer wieder von emotionalen Gewaltschüben gepackt; so ergeht es auch seinem Ermittler-Freund Clete Purcel - sie sind meine Don Quijote und Sancho Pansa, hat Burke von den beiden gesagt. Bei aller Gewalt halten sie sich streng an den Verhaltens- und Treue-Code, der in der Stadt quer durch die Lager geht, Kriminelle und Cops zusammenschließt. Eine robust-sentimentale Beziehung entstehen lässt zu dem Iren Tommy Lonighan, dessen Aktionsrhythmus bestimmt wird durch den Krebs, der ihm nur noch wenig Zeit lässt. Und der sich empört über all jene, die aus seinem Code ein billiges Spektakel machen: "Widerlich", schimpft er über den Film "Reservoir Dogs": "Ein Haufen Mafiatypen schlägt einen Bullen zusammen und foltert ihn. Keine Typen aus der Mafia würden so was tun. Der Kerl, der das geschrieben hat, weiß einen Scheißdreck über das Verbrechen."

Die Perversion hat in diesem Roman manchmal eine erschreckende Aura von Normalität. Buchalter steht, als er zum ersten Mal sich in Daves Haus drängt und dessen Frau bedroht, fasziniert vor Daves Sammlung von Jazzplatten. Benny Goodman, 1933! Und mit aufdringlicher, kindlicher Subtilität: "Achten Sie auf meine Hände. Sehen Sie, ich berühre die Rillen nicht. Der Schweiß von Fingerabdrücken kann eine Schallplatte genauso beschädigen, wie er auf der Bläuung einer Schusswaffe Rost verursachen kann."

James Lee Burke: Mississippi Jam. Aus dem Englischen von Jürgen Bürger. Pendragon, Hamburg 2016. 588 Seiten, 17,99 Euro. E-Book 15,99 Euro.

© SZ vom 12.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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