Interview mit M. Night Shyamalan:Patina der Blindheit

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Der gebürtige Inder über starke Frauen und Farben in seinem Film "The Village".

Interview: Susan Vahabzadeh

Er ist ein Ostküstengewächs, in seiner Arbeit, seiner Imagination, seine Heimatstadt ist Philadelphia. Den Horror geht M. Night Shyalaman überlegt, systematisch an, in der Tradition von Poe und Charles Brockden Brown. Was Hollywood ein wenig verblüfft, aber - der Einspielergebnisse wegen - auch erfreut.

Ostküstengewächs mit Hang zum Gruselfaktor und dem Spiel mit Filmgenres: M. (für Manoj) Night Shyamalan. (Foto: Foto: AP)

SZ: Was war Ihr Ausgangspunkt, als Sie mit dem Drehbuch zu "The Village" angefangen haben? Wollten Sie eine Geschichte über Angst schreiben? Shyamalan: Das Wichtigste an der Geschichte, die zentrale Szene ist für mich, wenn das Mädchen beschließt, den Jungen zu retten, den sie liebt. Ich wollte eine Liebesgeschichte schreiben, und es sollte auf jeden Fall ein Kostümfilm werden.

SZ: Man wird das Gefühl nicht los, dass Sie sehr genüsslich mit den Erwartungen Ihres Publikums spielen... Shyamalan: Es macht eben Spaß, mit den Genres rumzuspielen - man weiß in "The Village", glaube ich, sehr, sehr lange nicht, in welcher Art Film man sitzt.

SZ: Besonders irritierend in "The Sixth Sense" war, wie leicht man die Szenen zwischen Bruce Willis und seiner Frau akzeptiert. Er ist ja tot und sie weiß gar nicht, dass er da ist, also sieht es so aus, als würde sie ihn ignorieren - eine richtig desaströse Ehe. In "The Village" ist das umgekehrt: Bryce Dallas Howard ist blind, sieht den Jungen nicht, spürt aber seine Gegenwart, bevor er redet oder sich bewegt. Shyamalan: Als ich "The Sixth Sense" schrieb, dachte ich erst, es wird schwierig das durchzuspielen - und dann war es unglaublich einfach, es hat richtig Spaß gemacht, diese einseitigen Ehekräche zu schreiben. Bei "The Village" habe ich allerdings nicht daran gedacht, dass es genau anders herum ist. Bryce ist blind, weil Behinderungen in Menschen oft etwas zum Erblühen bringen. Wenn ich Blindheit in anderen Filmen dargestellt sehe, stört es mich oft, dass alles, was der Schauspieler tut, mit der Patina der Blindheit belegt ist. In Wirklichkeit vergisst man doch oft, das jemand blind ist - blinde Menschen schauen nicht die ganze Zeit an einem vorbei.

SZ: Sie haben eine ziemlich prominente Besetzung zusammenbekommen. Sind Sie jetzt so weit, dass Schauspieler Ihnen zusagen, ohne das Drehbuch zu kennen? Shyamalan: Nunja, sie haben es dann schon bekommen... Aber sie haben sich total eingesetzt, und großartige Leute haben kleine Rollen angenommen. Man kann Erfolg an vielen Aspekten festmachen - aber sie sind alle eigentlich unbrauchbar. Es gibt immer richtig schlechte Filme, mit denen noch mehr Geld gemacht wurde, und auf Kritiker kann man sich auch nicht verlassen. Die wirkliche Auszeichnung ist, wenn die Schauspieler, die man will, sofort dabei sind - sie haben mir die Ehre gegeben. Sigourney Weaver, Jayne Atkinson, die eine legendäre Theaterschauspielerin ist... Ich wollte lauter extrem starke Frauen in diesem Dorf haben, Atkins, die im Grund das Dorf durch ihren Mann führt...

SZ: Das ist ja ein bizarres Konzept im ausgehenden 19. Jahrhundert - ein Dorfrat, in dem lauter Frauen sitzen. Shyamalan: Es ist nicht normal, ein bisschen irritierend, wie vieles, was wir in dieses Dorf gepackt haben.

SZ: Haben Sie viel recherchiert über solche Orte im 19. Jahrhundert? Shyamalan: Ja, und das Faszinierende war: Sie und ich haben völlig unterschiedliche Vorstellungen vom 19. Jahrhundert, und beide sind nicht ganz richtig. Die Möbel beispielsweise - ich war verblüfft, wie viele Möglichkeiten es gibt, einen Tisch auszusuchen, der in einem Haus an der Ostküste im Jahr 1890 gestanden haben könnte. Glas, geometrische Formen - vieles kommt einem sehr gegenwärtig vor, man kann sich nicht vorstellen, dass die Dinge so aussahen vor mehr als hundert Jahren. Oder Stoffe! Wir haben Stoffe hergestellt mit Farben, die aus Beeren gewonnen waren.

SZ: Farben spielen ja eine große Rolle - Rot und Gelb, das erinnert einen verteufelt an amerikanische Alarmstufen... Shyamalan: Naja, Rot symbolisiert Gefahr, weil es einen aufregt, immer schon und überall. Der Film ist interpretiert worden als riesiges politisches Statement. All diese Interpretationen, die ich gelesen habe... Es ist einfach eine Geschichte über Menschen, die den Glauben an die Menschheit verloren haben. Interessant wird es erst, wenn das Herz und der Verstand einander widersprechen.

© SZ vom 9.9.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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