Interview mit Judi Dench:Ein Harvey auf dem Hintern

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Bühnenfreundschaft, Kinospaß und "Der Duft von Lavendel" - ein Gespräch mit Judi Dench.

Fritz Göttler und Susan Vahabzadeh

SZ: Hat Ihnen am Anfang Ihrer Karriere wirklich jemand gesagt, fürs Kino sei mit Ihrem Gesicht alles verkehrt?

Judi Dench ist eine der großen Damen der britischen Bühne, aber auch im Kino ein Star - sie ist Bonds Boss M, war für vier Oscars nominiert und hat ihn für "Shakespeare in Love" bekommen. (Foto: Foto: rtr)

Dench: Aber ja. Hat ja auch gestimmt - vor "Mrs. Brown", in dem ich Queen Victoria spielte, habe ich nur sechs oder sieben Filme gedreht. Den hat Harvey Weinstein gesehen - und ins Kino gebracht. Das hat meine ganze Karriere verändert. Deswegen sage ich immer, ich hätte mir seinen Namen auf den Hintern tätowieren lassen. Aber meine Liebe gehörte dem Theater, das ist immer noch so. Ich will das Gelächter hören. Oder die Stille. Man macht den Leuten im Publikum ein Geschenk. Einmal, an der Royal Shakespeare Company, waren wir alle verkatert, weil wir eine Party gehabt hatten, und da sagte ich: Lasst uns für die Dame im blauen Kostüm in der ersten Reihe spielen, sie sieht traurig aus! Sie ist dann in der Pause geflüchtet, wahrscheinlich haben wir ihr Angst gemacht.

SZ: Der Wechsel zwischen Bühne und Kino hat in England Tradition. Gibt es dort mehr Respekt vor dem minimalistischen Spiel, nach dem die Kamera verlangt, als in anderen Ländern?

Dench: Man muss immer wissen, welche Geste es ist, die funktionieren wird, aber man erschließt sich die Rolle auf dieselbe Weise - wie würde die Figur in dieser Situation reagieren? Was mich am Kino stört, das ist, dass immer alles in Aspik erstarrt zu sein scheint. Auf der Bühne kann man improvisieren - das mache ich besonders gern mit Ian McKellen, das geht, weil wir uns gut kennen. Auf der Bühne ist man derjenige, der die Geschichte von Anfang bis Ende erzählt, man hat die Kontrolle, man kann sich verbessern. Ich fühle mich sehr unsicher bei der Arbeit fürs Kino. Da kann ich auch nicht besser werden, weil ich mich selbst nicht anschauen kann, um zu sehen, was ich mache - wenn ich nur über diese Hürde drüberkäme...

SZ: Sie haben dort ja schon ziemlich viel Erfolg! Man sollte eigentlich meinen, dass Sie ein großes Herz fürs Kino haben - Sie haben Actionfilme gemacht und Fantasy, die Bonds und "Riddick".

Dench: Ich fühle mich halt immer geschmeichelt, wenn mich jemand fragt. Und es geht da - sorry, liebe Autoren - nie ums Drehbuch. Ich treffe die Entscheidung immer nach dem Team, ob Leute dabei sind, mit denen ich arbeiten möchte. Ich will ganz verschiedene Rollen spielen und ich will Spaß dabei haben. Ich fand es leicht, mit Charles Dance zu arbeiten, weil er selbst Schauspieler ist. Maggie Smith und ich spielten gerade zusammen in einem sehr schwierigen David-Hare-Stück, als er uns den Vorschlag machte.

SZ: Mit Dame Maggie Smith arbeiten Sie oft. Ist Freundschaft unter Schauspielerinnen selten? Gab es nie Rivalitäten?

Dench: Nein, nein, nein! Mit Mags? Wir kennen uns schon ewig, seit wir Ende der Fünfziger zusammen auf der Bühne standen, haben oft am Vic gespielt. Es gefällt mir, mit einer Freundin zu arbeiten - jemandem, mit dem man quasi eine eigene Kurzschrift hat. Vielleicht gibt es Rivalität in Hollywood, das weiß ich nicht, aber dort arbeiten Schauspielerinnen auch nicht so zusammen, wie es am Theater üblich ist. Ich denke ja, dass sich die Chemie zwischen Darstellern, der Spaß, den man bei der Arbeit hat, im Kino genauso mitteilt wie bei einer Theatertruppe. Wahrscheinlich hat uns Charles Dance deswegen gefragt. Oder nur, weil wir zwei "Dames" sind - er hat sich die ganze Zeit über uns lustig gemacht.

SZ: Haben Sie bei "Lavendel" je überlegt, die Rollen zu tauschen?

Dench: Das bin ich jetzt schon ein paar Mal gefragt worden, seltsam. Es war immer so herum gedacht. Charles hat mir Ursula angeboten, dieses große Kind. Maggies Rolle ist viel stärker. Aber ich mag die Unschuld, mit der Ursula sich verliebt - man hat nicht den Eindruck, dass sie je gemerkt hat, was sie verpasst hat, aber sie ist voller Emotionen.

SZ: Wie geht ein Action-Regisseur wie Lee Tamahori, der den letzten Bond inszeniert hat, mit Ihnen um? Ist das anders als ein Dreh mit Regisseuren, die an Bühnenschauspieler gewöhnt sind?

Dench: Naja, ich scherze viel, wenn ich jemanden kenne - und ihn kannte ich nicht. Aber ich würde jederzeit wieder mit ihm, mit Action-Regisseuren arbeiten - sie müssen mich halt fragen!

SZ: Als M kommen Sie sicher zurück - Sie haben der Rolle mehr Präsenz und Öffentlichkeit verschafft, als sie je hatte.

Dench: Ja - aber damit hatte ich nicht gerechnet. Ich zögerte, es war mein Mann, der sagte: Das musst du machen! Werde ein Bond-Girl! Es war großartig. Mein Enkel findet es unheimlich cool, dass ich M bin, aber er kann es immer noch nicht richtig glauben.

© SZ vom 6.10.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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