Interview: Alexander Payne:Wie in einem Spiegel

Lesezeit: 3 min

Der Regisseur Alexander Payne über Selbsttherapie, die Liebe zum alten Kino und den Luxus, mit Jack Nicholson zu drehen

Nach "Citizen Ruth", mit Laura Dern als Mutter mit Abtreibungsproblemen, und "Election", mit Reese Witherspoon als karrieresüchtigem Schulgirl, stellt Alexander Payne zum Abschluss seiner Omaha- Trilogie Jack Nicholson in den Mittelpunkt. Payne gehört zu den erfolgreichen "Jungautoren" in Hollywood - sein nächster Film wird in Kalifornien spielen, bei den Weinbauern des Valley.

(Foto: SZ v. 26.02.2003)

SZ: Sie wollten einst Auslandskorrespondent werden, nun sind Sie beim Gegenteil gelandet, in der Traumfabrik ...

Alexander Payne: Das sehe ich gar nicht so - in beiden Berufen steckt die Reportage. Meine bisherigen Filme spielen in meiner Heimat, aber es werden viele folgen, mit denen ich mich zunehmend weiter in die Welt hinaus wage. Ich hatte Zusagen für ein Studium an der Columbia School of Journalism und für eins an der UCLA Filmschool - ich habe mich fürs Kino entschieden, weil das nicht nur hinaus in die Welt, sondern auch in mein eigenes Innenleben führt. Das Kino ist zwar keine Selbsttherapie, aber es ist doch eine Möglichkeit, mehr darüber herauszufinden, wer man selbst ist.

SZ: Mit Leuten wie Mark Romanek, Todd Field und Ihnen formiert sich eine Generation von Filmemachern, die sich am Erzählkino der siebziger und achtziger Jahre orientieren als am Kino der Gegenwart.

Payne: Ich bin mit den Filmen der siebziger Jahre groß geworden, die gerade im Rückblick, angesichts all dieser lausigen modernen Filme, viel stärker wirken. Als mein Coautor Jim Taylor und ich 2000 den New Generation Award bekamen, habe ich beim Dank gesagt, dass ich eher nach Anschluss an die alte Generation strebe. Die Filme mit denen ich groß geworden bin, sind nicht nur die besseren, sondern auch die humaneren Filme.

SZ: War es schwierig, mit einem Riesenego wie Jack Nicholson zu arbeiten?

Payne: Mich beunruhigt jeder Schauspieler, man weiß nie was einen am ersten Drehtag erwartet. Das ist für beide Seiten ein Drahtseilakt, ein Ringen um Vertrauen. Bei Nicholson denke ich natürlich an Polanski und Kubrick und Forman und John Huston und all die großartigen Regisseure, mit denen er gearbeitet hat. Aber solche Gedanken sind lächerlich, und ein Luxus, den man sich nicht leisten kann. Nicholson war unglaublich kooperativ, gelassen, professionell.

SZ: Sie machen Durchschnittsmenschen zu den Helden ihrer Filme. Was ist Ihr American Dream?

Payne: Dass wir keine Helden brauchen, und ein Kino haben, das eher wie ein Spiegel funktioniert - in dem wir statt extrem schöner Filmstars, die nichts mit unserem Leben zu tun haben, uns selber sehen können.

SZ: Es sieht so aus als sei Amerika dieser Tage etwas offener gegenüber diesen kleinen realitätsnahen Filmen.

Payne: Immer wenn sich ein Organismus, ein kapitalistisches Modell wie die Filmindustrie verlangsamt, braucht es eine Art Bluttransfusion. Die Gefahr für die jungen Regisseure besteht darin, dass sie davon verführt werden, dass ihre Talente verschlissen werden. Jemand wie Steven Soderbergh, der sehr große kommerzielle Filme macht, die auch intelligent sind, wie "Erin Brockovich" oder "Ocean's Eleven", ist da die Ausnahme.

SZ: Sie leben in Hollywood, Ihre Filme spielen in Omaha ...

Payne: Ja, ich habe eine sehr ambivalente Beziehung zum Lebensstil in Los Angeles. Aber mein Cutter, mein Komponist, mein Labor sind dort, und meine Budgets sind nicht groß genug, um mir den Luxus zu leisten, woanders zu leben. Und denken Sie nur an all die fantastischen Filme, die aus Hollywood kamen, Chaplin, Keaton, Lloyd haben in Los Angeles gelebt, Anthony Mann, Fritz Lang, Jean Renoir, Billy Wilder.

SZ: Sie glauben nicht an Hollywoods Ideale von Schönheit und Perfektion, was bedeutet Ihnen Schönheit?

Payne: Filmische Schönheit ist sehr subjektiv, ist schwer zu finden. Das Problem mit vielen Regisseuren liegt darin, dass sie sich zu sehr auf den Handlungsverlauf konzentrieren, und darüber vergessen was einen Film wirklich ausmacht, wie Zeit wahrgenommen wird, und Dinge beobachtet werden, der Rhythmus, der Geruch eines Films. Die Magie steckt nicht nur im Künstlichen. Für mich besteht die Magie des Kinos schon in seiner schieren Existenz: Dass es möglich ist, die Nahaufnahme eines Menschen, der vom Stuhl aufsteht, zu nehmen und sie mit einer Großaufnahme zu verbinden. Man nimmt Teile der Wirklichkeit und arrangiert sie neu: Die Erfindung des Kinos ist allein ein Wunder! Interview: Anke Sterneborg

© N/A - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: