Internationale Musiker im BR-Funkhaus:Abgestimmt

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Die Aufregung der Sänger im ARD-Musikwettbewerb

Von Christina Prasuhn, München

Zwischenapplaus bei einem klassischen Konzert, und dann auch noch mitten während der Arie? Unter normalen Umständen undenkbar, aber an diesem Nachmittag im vollbesetzten Studio 1 des Bayerischen Rundfunks ist alles ein wenig anders. Mit großem Selbstbewusstsein und ziemlich bösartigem Humor singt der Bassbariton Dong-Hyub Hong die Arie des Leporello ",Madamina, il catalogo è questo" aus Mozarts "Don Giovanni" und zeigt immer wieder mit einem wissenden Lächeln auf die Fotos der Teilnehmerinnen im Programmheft, wenn es um Don Giovannis zahlreiche Eroberungen geht. Ein Auftritt, der das Publikum schon während des Vortrags zu wahren Begeisterungsstürmen verführt - und der 31-jährige Koreaner wird vom Applaus nicht etwa abgelenkt, sondern sieht es als gutes Zeichen, dass er es in die zweite Runde des ARD-Musikwettbewerbs schaffen wird.

Der 64. Internationale Musikwettbewerb der ARD wird seit dem 31. August bis zum 18. September in den Kategorien Posaune, Flöte, Gesang und Klavierduo ausgetragen. Die besonders beliebte Kategorie Gesang findet in diesem Jahr bereits zum 38. Mal statt; im ersten Durchgang treten an vier Tagen insgesamt 65 Teilnehmer an. Zehn kommen aus Deutschland, jeweils drei aus den USA, Russland und China - und 25 aus Südkorea, davon allein vier mit dem Namen Kim und fünf mit dem Namen Lee, was beim älteren Publikum regelmäßig für Verwirrung und hektisches Blättern in den Programmheften sorgt. Viele Zuschauer verfolgen den Wettbewerb schon seit Jahren und können sich noch lebhaft an die Auftritte der Preisträger Thomas Quasthoff (1988), Anne Sofie von Otter (1982) und sogar Jessye Norman (1968) erinnern. Da der Eintritt für die ersten beiden Runden kostenlos ist und das Studio 1 nur 320 Plätze bietet, stehen die wahren Fans jeden Morgen und jeden Nachmittag aufs Neue bis zu zwei Stunden an, um die Künstler aus nächster Nähe zu erleben. Wer zu spät kommt, kann die Live-Übertragung auf einer Großleinwand vor dem Studio verfolgen.

Zwar ist sich die Mehrheit der Zuschauer einig darüber, dass das Niveau der Sänger in diesem Jahr insgesamt etwas höher ist als noch vor drei Jahren, aber dafür gibt es keine klaren Favoriten. Als am Donnerstag um 19 Uhr bekannt gegeben wird, wer in der zweiten Runde singen darf, hat auch der Bariton Andreas Werner Beinhauer "etwas erhöhten Puls", wie er sagt. Natürlich könnte er auf die Ergebnisse im Internet warten, aber im BR-Funkhaus geht es ein paar Minuten schneller. Seine Erleichterung ist groß, als auf der grünen Liste mit den Namen aller Teilnehmer auch hinter dem Namen Beinhauer ein weißer Zettel mit dem Vermerk "2. Durchgang" aufgeklebt wird. Der erst 27-jährige Sänger erinnert in Auftreten und Gesang an eine junge Version von Thomas Hampson - kein Zufall, schließlich hat er zur Vorbereitung auf den Wettbewerb schon zum dritten Mal mit seinem großen Vorbild zusammengearbeitet. Im Gegensatz zu den meisten anderen Kandidaten hat der Sänger ein oratorienlastiges Programm gewählt - "kein Kalkül", wie er sagt, sondern das Oratorium liege ihm sehr am Herzen. Zwischen den Auftritten versucht Beinhauer, den Kopf frei zu bekommen und auf seine ausgedehnte Vorbereitung zu vertrauen. Die Auftritte der anderen Sänger hat er sich nicht angehört. Lieber bewegte er sich zwischen seinen Auftritten an der frischen Luft, ging zur Isar, ließ sich von der Natur ablenken.

Für die amerikanische Sopranistin Emalie Savoy, die bereits an der Metropolitan Opera in New York gesungen hat, ist dies der zweite internationale Wettbewerb. Da sie gleich als dritte Kandidatin am Mittwochmorgen singen durfte, hatte sie bis zur Bekanntgabe der Ergebnisse am Donnerstagabend mit die längste Wartezeit. Eine nervenaufreibende Situation. Aber sie sieht es nüchtern - wie die Vorbereitung auf einen sportlichen Wettkampf: Neben dem eigentlichen Training seien auch Visualisieren und regelmäßige Entspannung sehr wichtig. Für jeden Auftritt setzt sie sich mehrere technische Ziele, aber am wichtigsten ist es für sie, eine "spontane spirituelle Erfahrung" zu machen und "das, was die Musik zu sagen hat, mit dem Publikum zu teilen". Wenn sie auf diese Weise eine Verbindung zum Publikum herstellen kann, ist sie mit ihrem Auftritt zufrieden. Ein Ziel, das sie besonders mit ihrer emotionalen Darbietung von Vitellias Arie "Non piu di fiori" aus Mozarts "La clemenza di Tito" eindrucksvoll erreicht hat. Nicht zuletzt auch aufgrund der Zusammenarbeit mit dem Pianisten Jonathan Ware, den sie schon vom gemeinsamen Studium an der Juilliard kennt - Emalie Savoy betont, dass sie nie allein auf der Bühne steht, sondern immer als Teil eines Teams.

Die Mezzosopranistin Sylvia Rena Ziegler, deren temperamentvoller Auftritt als Offenbachs "La Grande Duchesse de Gérolstein" ihr den Weg in die zweite Runde sicherte, ist sogar mit ihrer eigenen Klavierbegleiterin angereist und kann die Zusammenarbeit gar nicht hoch genug würdigen. Auch den Einzug in die zweite Runde haben die beiden gemeinsam gefeiert: Ziegler übte gerade, als sie am Donnerstag nach Bekanntgabe der Ergebnisse den Anruf ihrer Pianistin mit dem trockenen Kommentar "Weiterüben!" erhielt. Das tat sie dann auch. Eine viertel Stunde lang. Bis sie schließlich die Ansage verstand: Sie ist weiter.

© SZ vom 07.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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