Internationale Buchmesse:Big in Taiwan

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Liao Yiwu, Exilant in Berlin und Gast der Buchmesse in Taipeh. (Foto: Ali Ghandtschi)

Die Buchmesse in Taipeh bietet verfemten Autoren aus China Zuflucht. Und deutsche Verlage können hier gute Geschäfte machen.

Von Maximilian Kalkhof

Dass eine Buchmesse auch immer ein Spiegel der Weltpolitik ist, weiß wahrscheinlich niemand besser als Peter Weidhaas. Der Berliner leitete 25 Jahre lang die Frankfurter Buchmesse. Jetzt sitzt Weidhaas an einem Tisch der Buchmesse in Taipeh, der Hauptstadt Taiwans, vor sich sein Buch "Und kam in die Welt der Büchermenschen", seine Erinnerungen an ein Vierteljahrhundert Buchmesse. Der Weltgeist zu Gast in Frankfurt, das ist eine der Botschaften. "So ist das ja auch hier", sagt Weidhaas, "alle kommen nach Taipeh, sogar die Chinesen". Was er meint, ist: Offiziell nimmt kein Verlag aus China an der Messe in Taiwan teil. Aber chinesische Verleger und Autoren tummeln sich trotzdem in den Hallen des World Trade Center.

Seit Donald Trump im Dezember mit der taiwanischen Präsidentin Tsai Ing-wen telefoniert hat, sorgt das vertrackte Verhältnis zwischen China und Taiwan für Schlagzeilen. Denn China betrachtet Taiwan als Teil seines Territoriums. Das Machtverhältnis zwischen den beiden Ländern könnte ungleicher kaum sein. China ist ein politisches, wirtschaftliches und militärisches Schwergewicht, die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt und die Supermacht des 21. Jahrhunderts.

Taiwan hingegen hat aufgrund des Drucks aus China h gerade einmal 21 diplomatische Verbündete. Dennoch hat der Inselstaat der chinesischen Übermacht etwas entgegenzusetzen. China ist eine Autokratie mit einem staatlich reglementierten Verlagswesen, Taiwan hingegen eine Demokratie, die bürgerliche Freiheiten beschützt. Und weil man auch auf der Insel Chinesisch spricht und liest, werden dort Bücher verlegt, die in China keine Chance haben. Den Wert der eigenen Soft Power haben die Taiwaner mittlerweile erkannt. Im Jahr 2012 hat das Land ein Kulturministerium ins Leben gerufen.

Dass die Taipei International Book Exhibition ein Zufluchtsort für verfemte chinesische Autoren ist, zeigt sich am Abend des zweiten Messetags. Da schmeißt Liao Yiwu eine Party. Der chinesische Schriftsteller lebt seit 2011 im Exil in Berlin, 2012 hat er den Friedenspreis des deutschen Buchhandels erhalten, zuletzt ist von ihm auf Deutsch der Roman "Die Wiedergeburt der Ameisen" erschienen.

Jetzt steht er in der Küche, serviert taiwanische Würste und Hirseschnaps und rezitiert Gedichte. Unter den Gästen ist Bei Ling, der Vorsitzende des unabhängigen chinesischen Autorenverbands Pen, der im Exil in den USA lebt. Und Lam Wing-kee, einer der fünf Buchhändler, die 2015 in Hongkong verschwunden sind. Dass er zur Buchmesse gekommen ist, hat am Eröffnungstag die Berichterstattung beherrscht. Lam hat China vorgeworfen, ihn vor zwei Jahren aus Hongkong entführt zu haben. Am Flughafen in Taipeh hat ihn deshalb ein Konvoi aus Polizeiautos empfangen und ins Hotel geleitet.

Während seines gesamten Aufenthalts in Taiwan steht Lam unter Polizeischutz. Im vergangenen Jahr hat er der Presse in Hongkong berichtet, er fühle sich in der chinesischen Sonderverwaltungszone nicht mehr sicher. Seitdem kursiert das Gerücht, er wolle nach Taiwan auswandern. An diesem Gerücht sei nichts dran, sagt Lam jetzt, er sei nur wegen der Buchmesse angereist. In Hongkong werde es immer schwieriger, Bücher zu verlegen, die das Narrativ der Kommunistischen Partei in Frage stellen. "Aber Taiwan ist frei", sagt er, "und ich will den taiwanischen Verlegern und Buchhändlern sagen, dass sie diese Freiheit verteidigen müssen."

Die Buchmesse in Taipeh ist sowohl Fach- als auch Publikumsmesse. Während Verlagsvertreter in der internationalen Zone Lizenzen vertreiben, decken sich die Besucher in den Messeläden mit Büchern zu Sonderpreisen ein. Im vergangenen Jahr kamen etwa eine halbe Million Messebesucher, fast doppelt so viele wie in Frankfurt. Es gibt einen Stand mit Büchern aus China, er dient als Anlaufstelle für chinesische Verleger und Autoren.

Deutsche Verleger schätzen an Taiwan, dass sie dort keine Rücksicht auf politische Befindlichkeiten nehmen müssen. Für das Chinageschäft brauche sie einen Agenten, die Kommunikation mit taiwanischen Verlegern übernehme sie selbst, sagt Friederike Barakat, Leiterin der Abteilung für ausländische Lizenzen bei Hanser. Der Münchner Verlag verkauft vor allem Kinder- und Sachbücher nach Taiwan. Kinderliteratur boomt auf der Insel. Während die taiwanischen Buchverkäufe im vergangenen Jahr um 25 Prozent zurückgingen, stieg der Umsatz mit Kinderbüchern um zehn Prozent. Zuletzt hat Hanser etwa die Lizenz für das Jugendbuch "Wer war Adolf H.?", eine Hitler-Biografie von Thomas Sandkühler, nach Taiwan verkauft.

Dass es auch in Taiwan zu Missverständnissen kommt, weiß Peter Weidhaas. Er erzählt die Anekdote vom taiwanischen Kollegen, der ihm begeistert von einem gerade ins Chinesische übersetzten Buch über "Porzellan" erzählt. Die Euphorie blieb Weidhaas rätselhaft. Erst bei einer späteren Begegnung stellte sich heraus, dass er den Mann missverstanden hatte: Gemeint war eine Übersetzung der Gedichte von Paul Celan.

© SZ vom 14.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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