Integrationsdebatte in Holland:Allah für alle

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Im Kampf gegen den Hass auf Muslime hat ein katholischer Bischof eine groteske Idee: Er schlägt vor, Christen, Juden und Muslime sollten künftig als Bezeichnung für Gott "Allah" verwenden: "Gott ist es doch egal, wie wir Ihn nennen."

Siggi Weidemann

Seit dem Mord an dem Amsterdamer Filmemacher Theo van Gogh im Jahre 2004 durch einen radikalen Islamisten sind die Niederlande nicht mehr zur Ruhe gekommen. Zwar ist die anfängliche Polarisierung abgeflaut, der zwischenmenschliche Umgang hat sich aber eher verschärft.

Sind Namen nur Schall und Rauch? Für einen katholischen Bischof in den Niederlanden schon: Er schlägt vor, als Versöhnungsgeste sollten Vertreter aller Religionen Gott künftig "Allah" nennen. (Foto: Foto: AP)

Kaum ein Tag vergeht, an dem nicht über die ungelösten Probleme der "neuen" Immigranten und ihre Unfähigkeit, die Normen und Werte einer stark säkularisierten und individualisierten niederländischen Kultur zu übernehmen, diskutiert wird, an dem nicht das Unbehagen von Politikern über den Islam und muslimische Zuwanderer zur Sprache kommt.

So provozierte jetzt Geert Wilders, Fraktionschef der Partei für Freiheit (PVV), mit der Aussage, dass der Koran ein "faschistisches Buch" sei; Wilders will Parallelen zwischen dem Koran und Hitlers "Mein Kampf" entdeckt haben und fordert, der Koran müsse deshalb in Holland verboten werden.

Der Gründer des Komitees für Ex-Muslime, Ehsan Jamin, wird von Islamisten mit dem Tode bedroht, weil er die Grausamkeiten von Mohammed mit denen von Saddam Hussein verglichen hatte. Seit diesem Wochenende gilt für den 22-jährigen Sozialdemokraten die höchste Sicherheitsstufe, der sich auch Wilders unterwerfen muss.

Koranverbot oder Gottesverbot?

Um der Angst vor Ausländern und dem Hass auf Muslime zu begegnen, hat sich der katholische Bischof von Breda, Tiny Muskens, eine besondere Versöhnungsgeste ausgedacht. Er schlägt vor, man möge Gott in Zukunft "Allah" nennen. Christen, Juden und Muslime beteten schließlich denselben Gott an.

In Indonesien, einer früheren holländischen Kolonie, und in anderen islamischen Ländern sei es nicht ungewöhnlich, dass auch Christen statt "Gott" "Allah" sagen, so der 71-Jährige: "Gott ist es doch egal, wie wir Ihn nennen. Wir Menschen haben die verschiedensten Namen erfunden, um darüber streiten zu können." Der als progressiv geltende Bischof ist bereits früher durch kontroverse Vorschläge aufgefallen. So hatte er dafür plädiert, dass arme Menschen, die Hunger haben, Brot stehlen dürften; er unterstützte Aktionen für die Kondombenutzung im Kampf gegen Aids und sprach sich für die Priesterehe aus.

In Holland, dem "gedoogland", in dem vieles geduldet wird, hat der Vorschlag des Bischofs zu heftigen Diskussionen geführt. Seine Kritiker bezweifeln, dass Muskens über die wissenschaftlichen, literarischen, moralischen, prinzipiellen, künstlerischen und theologischen Fragen, die sein Vorstoß aufwirft, überhaupt nachgedacht hat. Was soll etwa mit der flämischen oder nordniederländischen Malerei eines Rubens oder Rembrandt geschehen? Soll das Meisterwerk der flämischen Renaissance "Lamm Gottes" von Jan van Eyck, das in Gent zu sehen ist, künftig "Das Lamm Allahs" heißen? Oder was passiert mit dem Bestseller von Geert Mak "Wie Gott aus Jorwerd verschwand" und anderen Büchern, die "Gott" in ihren Titeln führen?

Der Präses der protestantischen Kirche in den Niederlanden verurteilte entschieden Muskens' Vorschlag, weil damit die "Identität des westlichen Christentums in Frage gestellt" werde und weil Christen an die Dreieinigkeit glauben, was für Muslime wiederum unvorstellbar sei. Ein Rabbiner erklärte, wenn schon eine Namensänderung gemacht würde, dann liege es doch nahe, Gott mit einem jüdischen Begriff zu umschreiben, da das Judentum die älteste der monotheistischen Religionen sei. Bischof Muskens sei ein Geisterfahrer und habe die falsche Abzweigung genommen, befand die rechtsliberale Partei VVD.

Zustimmung erhält der Bischof vom Niederländischen Muslimrat: "Alles ist eins. Wir glauben doch alle an einen Schöpfer. Wir begreifen einander. Der Unterschied liegt nur in den Details." Die christliche Tageszeitung "Trouw" hingegen kommentiert den Vorschlag als "episkopalen Wechseltrick" und gibt ihm nicht die Spur einer Chance. Auch in Holland bleibt es also unwahrscheinlich, dass sich gesellschaftliche Probleme mit der Veränderung von Sprache lösen lassen.

© SZ vom 20.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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