Im TV: "Ein Mann, ein Fjord":Weisheit auf dem Rücken der Elche

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Von Wanne-Eickel in die Welt: Hape Kerkeling geht im ZDF auf Fjord-Suche und beweist, dass gute Klamotten noch immer unterhalten.

Hermann Unterstöger

Als Hape Kerkeling vor etwa zwei Jahren Ein Mann, ein Fjord als Hörbuch herausbrachte, fühlte eine Rezensentin sich einerseits wegen der "Hoppla-hopp-Stimmungsschwankungen" und andererseits wegen der "Seinsfrage" sowohl an die Operette als auch an die griechische Tragödie erinnert.

In "Ein Mann, ein Fjord" darf auch er nicht fehlen: Hape Kerkelings Horst Schlämmer. (Foto: Foto: dpa)

Das sind mächtige, durchaus auch beängstigende Vorgaben, und wir haben uns in Vorbereitung auf den Film Ein Mann, ein Fjord, der an diesem Mittwoch im ZDF gezeigt wird, in beiden Genres umgetan. Doch keine Bange. Weder Lehárs Lustige Witwe, deren zäheste Ohrwürmer wir aufriefen, noch Sophokles' Antigone mit ihrer doch recht schwierigen Seinsfrage halten im entferntesten den Vergleich mit Ein Mann, ein Fjord aus, geschweige denn, dass sie dem Film im Wege stünden.

Anders gesagt: Es empfiehlt sich, ja es ist in hohem Maße ratsam, sich Kerkelings neuem Film so hinzugeben, als hätten Lehár & Sophokles nie eine Note respektive Zeile geschrieben. Wer sich vor Beginn durch Gattungsbezeichnungen wie Road-Movie oder Komödie dazu verleiten lässt, lotrecht im Stuhl zu sitzen und auf eine rasante Story zu warten, verhält sich ebenso unsinnig wie einer, der am Ende des Films fragt, was der Dichter - in diesem Fall das Dreigestirn Hape Kerkeling, Angelo Colagrossi (auch Regie) und Angelina Maccarone - uns haben sagen wollen.

Nichts haben sie uns sagen wollen, außer vielleicht dies: dass auch Klamotten etwas Schönes sind, vorausgesetzt sie funktionieren nach den ewigen Gesetzen der Klamotte und hören zu rattern auf, ehe der Zuschauer sie über hat. Diese Klamotte schnurrt ziemlich gut vor sich hin, so gut, dass sie den Punkt, an dem sie um ihrer selbst und um der Zuschauer willen besser zu schnurren aufhören sollte, beinahe verpasst.

Sprichwörter, die mit "Ein Mann" anlaufen, sind in aller Regel das, was man in gehobener Sprache "dräuend" nennt: "Ein Mann soll allweg mehr wöllen, als er thun kann" und so was. "Ein Mann, ein Wort" kommt aus der Sphäre der Ordalien, also der Gottesurteile, wo sich ein Mann mit seinem Zeugnis für die strittige Wahrheit verbürgte. Entsprechend geharnischt klingt der Spruch, und wenn er durch Zusätze wie "Eine Frau, ein Wörterbuch" verballhornt wird, gibt das ein Gefälle, das lustig zu finden nicht verboten ist. Insofern ist Ein Mann, ein Fjord ein ganz witziger Titel, erstens wegen des Wortspiels und zweitens, weil nordische Anklänge spätestens seit der Ikea-Werbung als genuin heiter gelten.

Gewinnspiele in der Badewanne

Es ist üblich, bei Vorbesprechungen nur einen Teil der Story zu referieren und dann mit einem neckischen "Mehr sei aber nicht verraten" zu allgemeinen Erörterungen abzudrehen. Von dieser Sitte kann man hier getrost Abstand nehmen, weil die Geschichte keinerlei Schaden nimmt, wenn man sie bis zu ihrem absehbaren Ende erzählt. Es geht um Norbert, Birgit und Ute Krabbe, eine Prekariatsfamilie, wie sie im Buche steht. Vater Norbert (Jürgen Tarrach) verbringt seine Tage damit, dass er entweder in der Badewanne abtaucht oder an Gewinnspielen teilnimmt. Eines Tages, nachdem er schon alle Scheußlichkeiten der Welt gewonnen hat, passiert das, was man in der Novelle eine "unerhörte Begebenheit" nennt: Er gewinnt einen Fjord in Norwegen, den er, der an einer Reisephobie leidet, allerdings selbst abholen, richtig gesagt: in Besitz nehmen muss.

Nun beginnt eine große, chaotische Nordlandfahrt: alle mit allen und jeder gegen jeden. Norbert reist mit seiner resoluten Tochter Ute (Olga von Luckwald), die ihrerseits Gefallen an dem charmant gaunerischen Lars (Mads Hjulmand) findet. Gattin Birgit (Anneke Kim Sarnau) nimmt, gestützt durch die Aussicht auf einen großen Geldgewinn, Urlaub vom Dauerfreund Alkohol (Alkohol), heuert den Taxler Kemal (Hilmi Sözer) an und brettert ihren Lieben hinterher.

Nackt und weise

Um diese vier Hauptreisenden wimmelt ein Haufen von Nebenreisenden, die deren Wege mal kreuzen, mal queren, mal fördern, mal hemmen. Es kommt zu Koalitionen der seltsamsten Art, wobei natürlich der gute alte Horst Schlämmer (Hape Kerkeling) weder im Guten noch im Schlechten fehlen darf. Vergeblich versucht die Rezeptionistin auf der Fähre (Wencke Myhre), Ordnung in das Durcheinander zu bringen. Und dann gibt es da noch das Ehepaar Schwarz-Ebershagen (Johanna Gastdorf, Matthias Brandt), deren männlicher Teil die endlose Straße der Konfusionen fast traumwandlerisch durchschreitet. Einmal landet er nackt, nur mit einem Schurz bekleidet, auf einem Elch, und wie er da so auf dem Riesentier sitzt und ins Ungefähre blickt, wirkt er wie der letzte, vielleicht auch erste der ganz, ganz großen Weisen.

Die Sache endet, wie sie enden muss, wenn auch vielleicht aber nicht unbedingt enden sollte: Norbert Krabbe erreicht den Norbert-Krabbe-Fjord und wird dort mit den Seinen offenkundig glücklich. Dieses Ende kommt so schnell und platt, wie man es nach all den Wuseleien eigentlich nicht mehr erwartet hätte. Man hatte die Hoffnung, dass die Bagage irgendwann wieder in Wanne-Eickel anlandet und dass sich, wie das ja auch in der Operette und der griechischen Tragödie unterläuft, irgendetwas Kathartisches ereignet, eine Wendung zum Besseren oder in drei Teufels Namen zum Schlechteren, was auch immer. So aber geht's nur weiter, wie's angefangen hat, und dafür war das Feuerwerk an Gags und Jokes denn doch sehr aufwendig.

Apropos Gag: Monatelang unterhielt uns der Spiegel mit einer Bestsellerliste, auf der unmittelbar hinter Kerkelings "Ich bin dann mal weg" Joachim Fests "Ich nicht" stand. Am Schluss dieses seines Pilgerbuchs schreibt Kerkeling, dass Gott die Menschen in die Luft werfe, um sie dann wieder aufzufangen. Wenn er, Kerkeling, wieder mal einen Film macht, soll er ruhig all seine vielen Einfälle in die Luft werfen. Auffangen sollte er aber nur die guten: Die reichen locker.

Ein Mann, ein Fjord, ZDF, an diesem Mittwoch, 20.15 Uhr.

© SZ vom 20.1.2009/holz - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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