Im Kino: "Underworld":Besuchen Sie Europa, solange es noch steht

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Horror ist wahrlich keine amerikanische Erfindung, sondern Importware aus dem alten Konztinent. Und so sieht man Vampire, Werwölfe und das Proletariat der Städte - ganz so wie in deutschen Fußgängerzonen.

DORIS KUHN

Der Horror, das vergisst man leicht, der Horror ist keine amerikanische Erfindung. Bei allen Axtmördern und Untoten der Groß- und Kleinstädte, die uns das amerikanische Kino nahegebracht hat, ist das Gruseln ursprünglich doch eine rein europäische Sache, die erst nach Nosferatu die Reise in die neue Welt antrat. Daran wird man bei "Underworld" erinnert, bereits im ersten Bild. Eine glückvolle Verheißung - man ist hoch über der Stadt, und den grotesken Steindrachen gleich, die an Kirchenmauern vorspringen, hängen zwei Vampire da und observieren die Passanten unten.

(Foto: N/A)

Man wird Europa hier also in jeder Einstellung finden, wird Schlösser sehen, alten Adel, blasse Gestalten in schwarzen Umhängen und Gruften voller Geheimnisse, auch wenn sich die Wesen der Dunkelheit mittlerweile mit modernem Kampf-Equipment versorgt haben. Man spürt die Zeit in diesem Film, die vielen hundert Jahre, die dem Clan der Vampire auf den Schultern liegen, so wie man manchmal die Zeit spüren kann, wenn man in alten Städten in die U-Bahn hinabsteigt, die Luft, die seit Anbeginn in diese Schächte gesperrt scheint.

In der U-Bahn wohnen allerdings die Werwölfe, im weitverzweigten Netz von stillgelegten Gängen, und sie setzen der Schlossromantik der Vampire eine andere Art von Dekadenz entgegen.

Sie erinnern an jene homeless people der modernen Großstädte, von denen immer wieder unheimliche Gerüchte kursieren. Es sind zerlumpte Gestalten, ein unterirdisches Proletariat, das sich die Nächte mit Raufereien vertreibt - bis es in den Kampf gerufen wird gegen die ehemaligen Herren, die Vampire. Vom Horror- wechselt der Film dann schnell ins Kriegsfilmgenre, Freund und Feind geraten leicht durcheinander in den wirren Schusswechseln, nur die Kugeln sind von anderer Art: Um Vampire töten zu können, ist Tageslicht in ihnen eingeschlossen.

Es wird eine alte Fehde ausgetragen in "Underworld", ein letztes Gefecht zwischen Werwölfen und Vampiren, die sich beide den Menschen gegenüber so verächtlich benehmen, als wären diese nur proteinhaltiges Beiwerk. Aber dann weckt gerade die Begegnung mit einem Menschen in einer Vampirkriegerin, Kate Beckinsale, ein schwer zu bändigendes Gefühl. Einem doppelten amour fou verfällt sie, denn dieser Mann ist nicht nur ein Sterblicher, er ist zudem von den Werwölfen infiziert, Mensch und Todfeind gleichzeitig. Ein wenig traurig ist es am Ende, wenn man ansehen muss, wie diese schönen Kämpfer, die sich den Menschen so überlegen geben, sich doch mit demselben emotionalen Unfug rumschlagen wie jeder Sterbliche auch.

UNDERWORLD, USA/GB 2003 - Regie: Len Wiseman. Buch: Danny McBride. Kamera: Tony Pierce-Roberts. Schnitt: Martin Hunter. Musik: Paul Haslinger. Art Direction: Kevin Phipps, Csaba Stork. Mit Kate Beckinsale, Scott Speedman, Michael Sheen, Bill Nighy. Concorde, 121 Minuten.

© SZ v. 04.02.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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