Im Kino: "The Boss Of It All":Der große Hasser

Lesezeit: 2 min

Ravn hat sich durch Ausbeutung ein kleines Imperium aufgebaut. Wenn es brenzlig wird, verweist er auf einen Boss aus Amerika, den es nicht gibt. Eine böse Psycho-Komödie von Lars von Trier.

Tobias Kniebe

An der Oberfläche ist dies eine sarkastische Komödie über die Yes-We-Can-Mentalität von jungen Technologie-Startups, über Profitgier und moralischen Ausverkauf und die Qualen einer Folterdisziplin, die man "Mitarbeiterführung" nennt. Tatsächlich aber nimmt "The Boss Of It All" seine sogenannten Themen keineswegs ernst, nicht mal eine Sekunde lang.

Mitarbeiter-Motivation: Jens Albinus und Peter Gantzler in "The Boss Of It All". (Foto: Foto: Filmverleih)

Der Regisseur Lars von Trier setzt sich gleich am Anfang höchstselbst in Szene, als Spiegelbild im Fenster des tristen grauen Büroquaders, in dem alles spielen wird, leugnet jede tiefsinnige Absicht und fragt: "Sollte man mit der Kunst nicht auch ein wenig herumspielen?"

In der Tat, warum nicht? Die Sache ist nur die, dass schon die nächsten Szenen mit solcher Boshaftigkeit geschrieben und inszeniert sind, dass man merkt: Hier will einer nicht nur spielen, hier will einer auch seinem aufgestauten Hass mal richtig Luft machen. Lars von Trier ist ein großer Hasser. Das zieht sich durch all seine großen Filme der letzten Jahre - und macht ihn nahezu einzigartig unter den Regisseuren. Und hier nun offenbart er nur wenig verklausuliert, was er im Lauf seiner Karriere vor allem hassen gelernt hat: Schauspieler.

Ein Schauspieler steht hier im Mittelpunkt des Geschehens, der arbeitslose aber doch lachhaft-pompöse Kristoffer (Jens Albinus). Er wird von dem Startup-Unternehmer Ravn (Peter Gantzler) für einen Geheimauftrag angeheuert. Ravn hat in den vergangenen Jahren mit sechs engen Mitarbeitern eine Software-Firma aufgebaut, allerdings ohne sich je zur Verantwortung des Chefs zu bekennen: Für die harten Entscheidungen war stets ein imaginärer "Boss von allem" verantwortlich, der nie in Erscheinung trat und das Unternehmen per E-Mail aus den USA steuerte. Nun, da Verkauf und Abwicklung der Firma anstehen, muss der Boss endlich in Erscheinung treten - und Kristoffer soll seine Rolle spielen.

Die Dämlichkeit der Schauspieler

Das folgende Drama hat nichts mit der realen Arbeitsweise einer Firma zu tun, sehr viel aber mit Improvisationstheater und Schauspielschüler-Psychologie, von plötzlich enthüllten Identitäten über Gruppenumarmungen bis zu Sex auf dem Bürotisch und unerwarteten Gewaltausbrüchen. Sehr originell ist das nicht, auch nicht wirklich komisch. Schräge Kameraperspektiven sowie Jumpcuts, die angeblich ein Computer per Zufallsgenerator ausgewählt hat, führen leider auch nicht zu neuen Erkenntnissen - sie verdoppeln nur die leicht zynische Egal-Attitüde des Scripts.

Über allen Konflikten aber liegt ein sentimentaler Versöhnungszwang, den man sozialdemokratisch nennen könnte und der wohl Lars von Triers Verachtung für die Harmoniesucht der dänischen Gesellschaft ausdrücken soll. Die hasst er auch, aber wirklich auf Touren bringt ihn doch nur die ewige Fragerei, die Sinnsuche, die Eitelkeit und Dämlichkeit der Schauspieler. Die karikiert er bis ins Groteske in der Figur Kristoffer - und nutzt sie für die denkbar böseste Auflösung der ganzen Verwicklungen.

Natürlich kommen einem dabei sofort Björk und Nicole Kidman in den Sinn - und die mehr oder weniger öffentlichen Machtkämpfe, die sich Lars von Trier am Set mit ihnen geliefert hat. Denn natürlich ist er, wie alle Regisseure, von seinen Schauspielern restlos abhängig, genau wie diese von ihm. Hier sieht man, in welche Verzweiflung ihn das manchmal stürzt. Der Boss von allem ist eben gerade nicht der Regisseur - gegen den halbgaren Theoriequatsch in den Köpfen seiner Akteure hat auch er am Ende keine Chance.

DIREKTØREN FOR DET HELE, DK/F/SCHWEDEN 2006 - Regie und Buch: Lars von Trier. Kamera: Claus Rosenløv Jensen. Mit Jens Albinus, Peter Gantzler, Iben Hjejle, Henrik Prip, Mia Lyhne.Verleih: Alpha Medienkontor, 99 Minuten.

© SZ vom 15.1.2009/rus - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: