Im Kino: "Inside Hollywood":Unter Haien

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Regisseure, Stars, und das klebrige Etwas, das sie zusammenhält: Robert de Niro gewährt Einblicke in die Abgründe der Produzentenseele. Ein Film über gutsituierte Opfer der Umstände.

S. Vahabzadeh

Satire ist selten in Hollywood, das hat seine Gründe: Ist sie wirklich beißend, wird irgendjemand sie aufhalten, bevor sie das Publikum vergrätzt; ist sie zu zahm, wird ihr ebendas zum Verhängnis. Barry Levinson, der mit "Inside Hollywood/What Just Happened?" ein Buch des Produzenten Art Linson ("Heat", "Fight Club") verfilmt hat, wusste, worauf er sich mit der Satire einlässt. Seinem "Wag the Dog", mit Robert De Niro als Spin Doctor, wurde vorgeworfen, er habe das Klassenziel als Satire verfehlt - zu nah dran an der tatsächlichen Inszenierung in der amerikanischen Politik. Was hätte die denn toppen können - ein echtes Bombenattentat? Ist das lustig?

Produzent Ben (Robert de Niro) in den Fängen Hollywoods. (Foto: Foto: Filmverleih)

In "Inside Hollywood" geht es um eine harmlosere Klientel, das Filmvolk, Produzenten, Regisseure, Stars, und das klebrige Etwas, das sie zusammenhält - Agenten. De Niro, Sean Penn, Bruce Willis, Catherine Keener, Stanley Tucci, John Turturro ... "Inside Hollywood" ist vielleicht nicht Barry Levinsons bester Film, aber dass er diese Leute dafür zusammentrommeln konnte, liegt auch daran, dass echter Frust in dieser Geschichte steckt. Darüber, dass es letztlich immer ums Geld geht - und dass im teuren Medium Kino selbst die Leute mit den edelsten Absichten nie ganz ausblenden können, dass es so ist.

Der Produzent Ben, Art Linsons Alter Ego - gespielt von Robert De Niro -, sitzt im Testscreening seines neuen Films. Und stellt fest, dass seine Karriere gerade vor seinen Augen zu Ende geht: Der Film soll in wenigen Tagen in Cannes Premiere haben, nun sitzt das Publikum da und sieht die Schlussszene: Sean Penn wird von Gangstern gejagt und getroffen, er fällt, sein Hund rennt zu ihm - und der Gangster knallt den Hund ab. Das Blut spritzt in die Kamera. Das Publikum im Saal ist entgeistert.

Von da an kann Ben seinem Leben bei der Selbstauflösung zuschauen. Lou (Catherine Keener), der freundliche Haifisch, der das Studio leitet, verfügt eine neue Fassung; der Regisseur Jeremy, felsenfest von seiner Kunst überzeugt, weigert sich. Der Hauptdarsteller seines nächsten Films - Bruce Willis - will just bei diesem Projekt herausfinden, ob das Publikum ihn auch noch mit zwanzig Kilo mehr und im Osama-bin-Laden-Look liebt; und bei der Beerdigung eines schmierigen Agenten trifft Ben überrascht seine halbwüchsige Tochter, die mit einer Reihe Starlets trauert. Er hat mich, erklärt sie schluchzend, so berührt. Und Ben bellt: Wo?

Man kann schlimmere Geschichten über Hollywood gnadenloser erzählen als Art Linson, und bei Kritikern kommen die harmlosen Geschichten schlecht an, weil sie die schlimmeren kennen. Levinson, der "Rain Man"-Regisseur, der sagt, Simplifizierung mache das Kino kaputt, schafft es jedenfalls, dass man diesen fürchterlichen Gestalten fasziniert zusieht - und sogar beginnt, sie zu verstehen: Selbst für einen mittleren Hollywoodfilm wird mit zweistelligen Millionen jongliert. Was sind also für einen Studiochef schon ein Selbstmord und zwei, drei unwiederbringlich ruinierte Biographien?

Man muss Ben, dieses ungeheuer gutsituierte Opfer der Umstände, einfach mögen - auch wenn er dauernd alles falsch macht, seiner Ex-Ehefrau nie zuhört und nicht kapiert, dass sie ihn genau deswegen nicht zurückhaben will. Aber da hat er sie so weit, dass sie ihn endlich freiwillig anruft - während er auf dem Flughafen in Nizza der Privatmaschine der giftspuckenden Lou hinterherläuft. Nicht der Moment, ernsthaft den neuen Bezug seines ehemaligen Lieblingssessels zu diskutieren.

Und es steckt eben eine Wahrheit übers Publikum in dieser Geschichte. Die Hundeschlachterei ist nur auf einer kleinen Leinwand in der Tiefe des Kinosaals, in dem Ben sitzt, zu sehen - und selbst aus dieser Entfernung ist sie tatsächlich abstoßend. Das Letzte, wonach im Kino verlangt wird, ist die hässliche Fratze der Wirklichkeit. "Inside Hollywood" ist vielleicht viel zu inside, um Levinsons bester Film zu sein; aber er erzählt davon, wie Hollywood sich verändert hat. Als Jack Warner "Bonnie & Clyde" sah, hielt er den Film für völlig missraten.

Aber er war sich, im Gegensatz zu den Studiochefs von heute, seiner Sache nicht sicher genug, um den Film verändern zu lassen oder zu verhindern. Und da geht "Inside Hollywood" dann doch hinaus über bloße Nabelschau, hält uns allen den Spiegel vor: Das größte Problem des Kinos ist, dass es dem Publikum gibt, wonach es verlangt. Aber vielleicht gibt es in Hollywood auch nur so selten Satiren, weil jede Satire Ideale braucht, an denen sie sich reiben kann.

WHAT JUST HAPPENED, USA 2008 - Regie: Barry Levinson. Drehbuch: Art Linson. Kamera: Stéphane Fontaine. Mit: Robert De Niro, Catherine Keener, Robin Wright Penn, John Turturro. Concorde, 104 Minuten.

© SZ vom 25.03.2009/irup - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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