Im Kino:Geschossen, geschnibbelt und gewonnen

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Antonio Banderas spielt den mordenden Mariachi in Robert Rodriguez' "Once Upon A Time In Mexico".

Von Susan Vahabzadeh

(SZ vom 25.9.2003) Zwischen "Once Upon A Time in Mexico" und seinem Vorläufer "Desperado" liegt eine Art Phantomfilm - Robert Rodriguez blendet zurück in eine Geschichte, die er nie verfilmt hat, was seinem Mariachi eine seltsame Tiefe verleiht, die den meisten Sequels fehlt, die Ahnung eines Lebens jenseits der Leinwand. Das ist eine schöne Vorstellung, und es macht Spaß, sich das anzusehen, und man spürt die Lust, die Rodriguez hatte auf diesen Film und seine Schauspieler, die Rollen mit Leben zu füllen. Der Erholungsfilm für einen Filmemacher, der drei sehr erfolgreiche Kinderfilme gedreht hat - die "Spy Kids"-Reihe - und sich jetzt zur Sommerfrische in das filmische Universum zurückbegibt, aus dem er eigentlich kommt.

Charaktere des Augenblicks - Banderas in "Once Upon A Time In Mexico". (Foto: Foto: dpa)

The One-Man-Band

Eine Herausforderung für den Filmemacher Rodriguez ist "Once Upon A Time" im Grunde nicht: Er ist wie "Desperado", aber er weist nicht darüber hinaus. Rodriguez, der offensichtlich nicht gerade darauf aus ist, mit seinen Projekten Arbeitsplätze zu schaffen - er filmt und schneidet selbst, schreibt die Musik, kümmert sich eigenhändig um die Ausstattung -, liefert eine Show ab und präsentiert so ziemlich alles, was er drauf hat an handwerklichen Tricks. The One-Man-Band . . .bloß eben mit viel Selbstironie: "Shot, chopped and scored by Robert Rodriguez" heißt es im Vorspann.

Das Wunderkind Rodriguez, gerade 35 geworden, hat vor mehr als zehn Jahren ein bisschen Geschichte gemacht mit seinem "El Mariachi", ein für sehr wenig Geld gedrehter Riesenerfolg, hat dann eine Zweitversion für sehr viel mehr Geld gedreht, "Desperado". Nun wird der mordende Mariachi (Antonio Banderas) in eine Verschwörung verwickelt, mit der ein Gangsterboss (Willem Dafoe) die Macht über Mexiko an sich reißen will. Der Mariachi muss sich erst befreien aus den Fängen der Gangster und dann Mexiko retten, in einem grandiosen, blutigen Showdown. Eigentlich hätte sich Rodriguez im Abspann ruhig auch noch als Choreographen einbauen dürfen.

Geck mit Schoßhündchen

In dem Plot spielen noch eine Reihe anderer Typen eine Rolle, lauter Charaktere des Augenblicks, ohne Geschichte, und man sieht ihnen zu, wie sie herausfinden, wer sie sind - sie haben sich treiben lassen und müssen nun Farbe bekennen; daraus entsteht der Drive für die besten Western.

Mickey Rourke ist Dafoes Mädchen für alles, ein Geck mit einem niedlichen Schoßhündchen, das er mehr liebt als seinen Herren. Und ein zwielichtiger CIA-Agent (Johnny Depp) versucht, im Hintergrund die Fäden zu ziehen, zu schauen, ob es nicht irgendetwas für ihn zu gewinnen gibt in diesem Spiel - Johnny Depp ist derzeit in großer komödiantischer Form und nimmt sich dabei lustvoll selbst auf die Schippe. Man kann Robert Rodriguez seine comichafte Gewaltdarstellung um die Ohren hauen, man kann ihn abtun als einen, der sich am wahren Epos nicht einmal versucht - aber kaum ein anderer Regisseur macht derzeit Filme mit einer solch ansteckenden Leidenschaft.

"Once Upon A Time In Mexico" ist ein filmisches Gagfeuerwerk, den Löwenanteil daran hat Johnny Depp, der mit einem dritten Arm bewaffnet sein Unwesen treibt - in einem T-Shirt, auf dem in großen Lettern CIA geschrieben steht. Am besten sind aber jene Szenen, in denen der Witz im Einfall besteht und in der Konsequenz, mit der Rodriguez ihn inszeniert - wenn Banderas und Salma Hayek - als seine Frau - beispielsweise, in einer Rückblende, aneinander gekettet aus dem Fenster eines Hauses flüchten - und sich dann, Stock um Stock, gegenseitig hinab schwingen.

Spiel mit den Regeln

Gedreht hat Rodriguez mit einer Digitalkamera, und mit verteufelt gutem Ergebnis. Ein Film voller Einfälle, aber ohne den großen Bogen einer Geschichte - Rodriguez konzentriert sich immer schon lieber auf die Macht des Augenblicks. Ein Film übers Filmemachen also, gutes Entertainment, nicht weniger, aber auch nicht mehr. "Once Upon A Time" spielt in einem Filmuniversum, und Rodriguez weiß das - weshalb er sich auch den Scherz erlauben kann, selbst in einem Sequel seine Stammkunden Cheech Marin und Danny Trejo wieder auftauchen zu lassen in neuen Rollen. In "From Dusk Till Dawn" hat er Marin, spaßeshalber, im selben Film immer wieder aus dem Hut gezaubert. Das ist wunderbar - nachmachen kann man das nicht.

Rodriguez ist vor allem deswegen gut, weil er mit viel Mut herumexperimentiert mit den Tricks der Genres und Assoziationen zu alten Filmen - hier hat er sich genüsslich bei Sergio Leone bedient; die Anregung für Film und Titel stammt vom Kollegen Tarantino.

Leer ist das nicht: Die Story lebt vor allem von der Ambivalenz der Figuren und der sichtbaren Wonne, mit der Johnny Depp, Willem Dafoe, Antonio Banderas und Mickey Rourke ihre Drahtseilakte vorführen. Die Gewalt hat Rodriguez vor allem gegen Ende ins Groteske übersteigert, wie er das auch schon in "El Mariachi/Desperado" und bei der Zusammenarbeit mit Tarantino - "From Dusk Till Dawn" - getan hat. Es geht ihm mehr um die Spielregeln als ums große Ganze, eher um den Aufbau der Charaktere als um ihre Funktion in der Geschichte. Insofern war es vielleicht die größte Herausforderung, die Seele seines Helden von dem Punkt an zu entdecken, da die Kamera ihm nie wieder in die Augen sehen kann.

ONCE UPON A TIME IN MEXICO, Regie, Buch, Kamera Schnitt, Musik und Ausstattung: Robert Rodriguez. Mit: Antonio Banderas, Johnny Depp, Salma Hayek, Mickey Rourke, Danny Trejo, Enrique Iglesias, Cheech Marin, Rubén Blades, Willem Dafoe. BVI, 101 Minuten.

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