Im Kino: Fluch der Karibik 2:Ein Herz für Keira

Lesezeit: 4 min

Mit Mascara und Maskerade und ´ner Buddel voll Rum! Nicht nur Johnny Depp ist zauberhaft, ja hinreißend in Gore Verbinskis neuem Piratenfilm "Fluch der Karibik 2"

Susan Vahabzadeh

Man kann das, was Johnny Depp seit ein paar Jahren macht, eigentlich nicht mehr als Schauspielerei bezeichnen - eher als eine Mischung aus Performance-Kunst und Zirkusnummer.

Hol´der Klabautermann! Gesichter wie verdorbene Fischgerichte. (Foto: N/A)

Spielen, das hat etwas mit der Geschichte zu tun, mit dem Drehbuch und dem ganzen Drumherum. Johnny Depp wirkt solch irdischen Zwängen in letzter Zeit zunehmend entrückt, scheint seine eigenen Filme im Film zu machen, zieht selbstversunken eine Aufführung durch, die sich in manchen Momenten völlig loslöst von allem um ihn herum: Als opiumsüchtiger Detektiv im Jack-the-Ripper-Film "From Hell", als Schriftsteller an der Schwelle des Wahnsinns in "Das geheime Fenster" oder, demnächst bei uns im Kino, als "The Libertine", als morbider Verführer am Hofe von Charles II. Das ist eine ganz eigenen Kunstform, die er da erfunden hat, und sie ist absolut sehenswert.

Der zweite Teil von "Fluch der Karibik" hat diese Kunstform durchaus nötig. Der Schwerpunkt dieser Filmserie ist Johnny Depp, Johnny Depp und nochmals Johnny Depp. Beim ersten wäre es keine schlechte Idee gewesen, die Captain-Sparrow-Szenen als kleine Compilation-DVD für Liebhaber in den Handel zu bringen, und weil die Macher das auch so sahen, ist er nun in jeder Szene - Captain Sparrow, der Pirat mit dem Keith-Richards-Augenmakeup und dem Alkoholproblem. Er lügt, verrät und trickst, er tänzelt und torkelt, vollführt ein Kunststück aus komisch verführerischen Blicken und irgendwie schwuchteligen Handbewegungen und ist dabei auf vollkommene und verkommene Art bildschön. Ein durch und durch verdorbener Anti-Held, der auf alles pfeift, provozierend unmoralisch, aber dabei keine Sekunde scheinheilig - das ist vielleicht genau das richtige für Amerika nach anderthalb Amtszeiten von George Bush. Ein ganz schlechter Lügner, sagt Depp über Bush, und begegnet ihm so mit dem Sarkasmus, den Sparrow ihm entgegen bringen würde - Augen zu und durch, bis endlich bessere Zeiten anbrechen. Hauptsache, es ist noch Rum da.

Die Hollywood-Legende, Piratenfilme könnten keine Kassenschlager werden, hat schon der erste Teil - eigentlich nur als sehr langer Werbespot für ein Karussell im Disney-Themenpark gedacht - schon widerlegt.

Bei uns kommt die lang erwartete Spektakel-Fortsetzung mit ein wenig Verzögerung in die Kinos, in den USA läuft der Piratensaga zweiter Teil seit der vorletzten Woche - und bricht dort die Einspielrekorde.

Inzwischen liegt der Film, nach 17 Tagen in den US-Kinos, bei einem Einspielergebnis von über 300 Millionen Dollar - diese Hürde hat in dieser Geschwindigkeit noch keiner genommen.

Es handelt sich, das kann man sich bei soviel Erfolg locker vorstellen, nicht um das letzte, was wir von Sparrow & Co zu sehen kriegen, sondern nur um das Mittelstück - wer weiß, ob's davon nicht noch einen vierten Teil geben wird, aber der dritte ist jedenfalls schon fast fertig, hoffentlich mit Keith Richards, dem Paten des Torkelns und des Augenaufschlags, als Piratenpapa Sparrow.

Es ist gegen Ende ein bisschen unbefriedigend, was Gore Verbinski diesmal mit uns treibt - der erst kurz vor der Fertigstellung zweigeteilte "Kill Bill" von Quentin Tarantino hatte im Vergleich zu "Fluch der Karibik" eine natürliche Pause in der Mitte. Soviel Mühe haben sich Verbinski und sein Produzent Jerry Bruckheimer nicht gemacht, der Film endet, als läge die DVD zu Nummer drei (kommt nächstes Jahr in die Kinos) schon auf dem Wohnzimmertisch bereit.

Die nicht besonders gut entwickelte Geschichte aus dem ersten Teil wird im zweiten erst einmal weitergesponnen, um das junge Paar herum, dessen Verbindung Sparrow erst möglich gemacht hat im ersten Teil. Es wird nichts aus der Eheschließung, statt dessen landet Elizabeth (Keira Knightley) im Knast und ihr Beau Will (Orlando Bloom) soll, um sie wieder rauszuholen, den magischen Kompass beibringen, mit dem Sparrow entschwunden ist.

Eigentlich hätte man sich den Rest der Geschichte sparen können, weil Elizabeth sich selbst befreit, während Will auf der Suche nach dem vermaledeiten Gerät, das statt nach Norden immer auf das vom Träger heiß Ersehnten zeigt, auf einem Schiff landet voller untoter Piraten mit Gesichtern wie verdorbene Fischgerichte.

Die Riesenkrake aus dem Computer, die irgendwann auftaucht, ist nicht besonders furchterregend, die Karibik ist hübsch, und der Plot hält einer Überprüfung einfach nicht stand. Vergnüglich ist das alles seltsamerweise trotzdem. Der Film funktioniert so ähnlich wie eine Kissenschlacht: Man lacht sich kaputt, weiß nicht so recht warum und sobald man zu lange drüber nachdenkt ist der Heidenspaß vorbei.

Sei's also drum. Wer Sparrow sehen will, muss die ganze Reise mitmachen. Sparrow ist ein bisschen in Bedrängnis geraten, weil er dem Fliegenden Holländer, dem Captain der Fischgesichter seine Seele schuldet. Der einzige Ausweg besteht darin, das Herz des Piratenzombies zu finden, das dieser sich rausgerissen und auf einer Insel verbuddelt hat - der Fiesling hat tatsächlich mal ein Herz gehabt, bis er an die falsche Frau geraten ist. Auf dem Weg gabelt Sparrow die entflohene Elizabeth auf, lügt ihr die Hucke volle und entwickelt ansonsten den ihm eigenen Charme - bis das unstete Mädchen, das schon im ersten Teil einen Verlobten in den Wind geschossen hat für Orlando Bloom, abermals in emotionale Nöte gerät: Sie kann den Blick nicht mehr abwenden von Sparrow.

Und man kann sie sogar verstehen, er ist irgendwie sexy. Nur erklären kann man es nicht. Männer und Mascara, das passt eigentlich nicht zusammen, und permanente Trunkenheit ist im richtigen Leben so ziemlich das letzte, was Frauen attraktiv finden - aber bei Captain Sparrow schmelzen trotzdem gerade alle dahin. Johnny Depp berührt das Herz des Kinos, begreift, wie es funktioniert, und zaubert ein bisschen - es gibt Dinge, die nur auf eine Leinwand gehören, und dazu gehört Captain Jack Sparrow, ein phänomenales Geschöpf, das allein im Reich der Phantasie seinen Charme entfalten kann. Auf Erden sind Lügner bloß Lügner.

FLUCH DER KARIBIK 2/ PIRATES OF THE CARRIBEAN: DEAD MAN'S CHEST, USA 2006 - Regie: Gore Verbinski. Buch: Ted Elliott, Terry Rossio. Kamera: Dariusz Wolski. Schnitt: Craig Wood , Stephen Rivkin. Musik: Hans Zimmer. Mit: Johnny Depp, Orlando Bloom , Keira Knightley, Stellan Skarsgard , Bill Nighy, Jonathan Pryce, Geoffrey Rush. Buena Vista, 145 Minuten.

© SZ v. 26.07.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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