Im Interview: Uma Thurman:"Vielleicht bin ich wirklich nicht ganz normal."

Lesezeit: 7 min

Uma Thurman, Pulp-Fiction Heroine und wütende Dame in Tarantinos neuem Film "Kill Bill", ist nach einer Göttin benannt. Und dann auch noch nach der für die sanfteren Seiten der Weiblichkeit. Unter einer Göttin tut sie´s eben nicht. Deswegen mussten wir sie einfach nach ihren Rachegelüsten befragen.

Tobias Kniebe

Uma Karuna Thurman wurde 1970 in Boston geboren. Ihre Lehrjahre bestanden aus einer Modelkarriere, Filmauftritten ("Gefährliche Liebschaften") und Eheversuchen, zum Beispiel mit dem britischen Maniac-Kollegen Gary Oldman. Ihr Leben nahm eine neue Wendung, als ein Film-Geek namens Quentin Tarantino ihr verfiel und ihr 1994 in "Pulp Fiction" die Traumrolle verschaffte. Sie hat zwei Kinder, der Zustand der dazugehörigen Ehe mit Ethan Hawke ist momentan jedoch recht ungewiss.

"Wenn jeder hier explosiv seine Rachegefühle ausleben würde, hätten wir Leichenberge in den Straßen." (Foto: Foto: AP)

SZ: Uma Thurman, aus aktuellem Anlass muss es um Rache gehen. Wut und Rache. Das explosive Ausleben starker Gefühle. Viele Menschen haben ja eher Probleme damit . . .

Uma Thurman: Ja, aus gutem Grund! Wenn jeder hier explosiv seine Rachegefühle ausleben würde, hätten wir Leichenberge in den Straßen. Und wenn Sie Leichenberge in den Straßen spannend finden, dann wüsste ich ein paar Orte, die Sie bereisen könnten .

SZ: Lieber nicht.

Uma Thurman: Eben. Das Problem mit Wut- und Rachegefühlen ist, dass man nie weiß, wohin damit. Ich habe in letzter Zeit viele Menschen danach gefragt, aber nie eine gute Antwort bekommen. Ich selbst versuche, so seltsam das klingt, schlechte Gefühle zu verdauen. Indem ich sie aufesse.

SZ: Herunterschlucke.

Uma Thurman: Nein! Da ist ein großer Unterschied. Ich schleuse sie einmal durch mein System wie durch einen großen Entgiftungsfilter. Das, was dann herauskommt, ist nicht mehr ganz so giftig. Zumindest nicht mehr tödlich für andere.

SZ: Nur: Wo bleibt das Gift?

Uma Thurman: Tja, das ist die große Kunst - dass man nicht selbst davon krank wird! Das Gift muss also raus, klar. Aber wie man es rauskriegt, dass ist das Schwierige. Große, große Kunst. Manchmal denke ich, dass Kulturen, wo die Menschen sich mit ihrer Wut wohlfühlen dürfen, irgendwie gesünder leben. Wie die Italiener, die sich wie wahnsinnig anbrüllen, aber dann doch nicht gewalttätig werden.

SZ: Ein gesundes Volk, die Italiener?

Uma Thurman: Gesünder zum Beispiel als das weiße, angelsächsische Amerika, aus dem ich nun mal komme. Wir haben das von den Engländern: Gefühle erstmal verbergen, nur ja nicht die Fassung verlieren! Und falls doch, sich hinterher total dafür schämen. Das führt dann auch dazu, dass ich ganz miserabel darin bin, die Wut anderer Menschen zu absorbieren. Richtige Wut oder nackte Rachegefühle zu erleben schockt mich. Da möchte ich heulen, mache dicht und suche die Schuld bei mir. Was natürlich falsch ist.

SZ: So stellt man sich Uma Thurman vor: ein friedfertiges Wesen, sehr spirituell.

Uma Thurman: Mein Vater ist Professor für Buddhismus, ein religiöser Gelehrter, aber auch ein Mensch. Mit einem gewaltigen cholerischen Temperament! Ich sag mal: Er hatte gute Gründe, zu meditieren. Davon abgesehen ist er ein sehr charismatischer Mann, und ich liebe ihn sehr. Meine Mutter dagegen war schon immer sehr cool, sehr tief, sehr wahr. Ein schöner Mensch. Was ich von meinen Eltern mitgenommen habe: Ich bin ein gewaltloses Wesen.

SZ: Nun aber schwingen Sie das Samurai-Schwert für Quentin Tarantino. Und metzeln Ihre Gegner, bis Ihr gelber Trainingsanzug Blut durchtränkt ist.

Uma Thurman: Trotzdem glaube ich an Gewaltlosigkeit. Im richtigen Leben. Der Film "Kill Bill" ist zwar ein einziger Rachefeldzug, aber reine Fantasy. Er handelt vom jahrtausendealten Blutdurst der Menschen. Der allerdings doch wieder real ist.

SZ: Sie haben die Figur, die Sie spielen, die nur "Die Braut" genannt wird, zusammen mit Tarantino erfunden. Also muss die Idee einer rächenden Frau Sie doch irgendwie fasziniert haben?

Uma Thurman: Der Aspekt des Hongkong-Samurai-Rache-Genrefilms stammt von Quentin.

SZ: Kommen Sie!

Uma Thurman: Okay. Was mich fasziniert hat, war Rache als eine negative Form von Karma, das in die Welt zurückkommt. "Die Braut" wird am Anfang des Films umgebracht. Aber sie stirbt nicht. Obwohl sie es wirklich versucht. Nach vier Jahren Koma bleibt ihr dann nur die grausame Aufgabe, Gerechtigkeit und Karma zu denen zurückzubringen, die ihr das angetan haben. Das ist ihre Mission.

SZ: Und sie hat natürlich keine Wahl.

Uma Thurman: Nein. Quentin hat auch den japanischen Begriff "Jingi" ins Spiel gebracht, der oft im Zusammenhang mit dem Ehrenkodex der Yakuza-Gangster auftaucht, aber eigentlich viel weiter zurückreicht. Es gibt keine direkte Übersetzung dafür, nur eine Beschreibung: Das, was man tun muss, obwohl man es nicht will. Eine Art Pflicht. Die Pflicht der Braut ist es, die Welt von diesen Killern zu befreien.

SZ: Wie findet ein friedliches Wesen die Energie für so eine Rolle?

Uma Thurman: Ich habe an eine großartige Göttin des Hinduismus gedacht: Kali. Shivas schwarze Gattin, die blutrünstige Göttin der Zerstörung. Sie sieht Furcht einflößend aus: drei rote, heraustretende Augen. Eine lange, herausgestreckte Zunge. Mindestens vier Arme, einer davon hält ein Schwert, ein anderer einen abgetrennten Kopf. Außerdem trägt sie eine Girlande mit 51 menschlichen Schädeln um den Hals . . . Soll ich fortfahren?

SZ: Bitte!

Uma Thurman: Es war sexy, diese Grimmigkeit und Wildheit zu verkörpern. Normalerweise dürfen Frauen sowas nie spielen, es sei denn als psychotische Wracks in der Irrenanstalt. Außerdem war das Bild des Phoenix in meinem Kopf: Eine Kreatur, die eigentlich schon tot ist, die nicht mehr, wie alle anderen, um ihr Überleben, um Eiweiß oder Geld kämpft, sondern einer höheren Mission folgt.

SZ: Jetzt sollte man kurz sagen, dass Sie Ihren Namen ebenfalls einer Hindu-Gottheit verdanken. Wie stehen Uma und Kali zueinander?

Uma Thurman: Sie sind Aspekte des göttlichen weiblichen Prinzips, Manifestationen von Parvati, Shivas Gemahlin. Uma steht für die sanfteren Seiten der Weiblichkeit. Sie ist der Mond neben Shivas Sonne.

SZ: Gibt es Momente, in denen Sie selbst vor Wut explodieren und Rache schwören?

Uma Thurman: Ja. Aber da muss schon viel passieren.

SZ: Erzählen Sie mal.

Uma Thurman: Nein, nein. Zuviele Details, die Sie jetzt gerade gar nicht wissen wollen.

SZ: Im Gegenteil! Was fühlen Sie zum Beispiel, wenn Sie an das 22-jährige Model denken, mit dem Ihr Mann gerade . . .

Uma Thurman: Gefährliches Terrain! Was immer ich da für Gefühle haben, sie könnten sich leicht auf den Fragesteller übertragen. Und das wollen wir doch nicht, oder?

SZ: Mmh, nein.

Uma Thurman: Sehen Sie. Es gibt Veränderungen, zu denen ich im Moment besser nichts sage.

SZ: Die Form der Rache, die in "Kill Bill" zur Anwendung kommt, ist das Duell. Heute abgeschafft. Aber eigentlich doch eine praktische Sache.

Uma Thurman: Finden Sie? Sehr altertümlich, sehr darwinistisch.

SZ: Aber auch sehr persönlich.

Uma Thurman: Ja, wenn man es so sieht. Würden alle Kriege als Duell ausgetragen, gäbe es weniger Tote auf der Welt. Jemanden zum Duell zu fordern und ihm die Wahl der Waffen zu überlassen, ist wohl doch eine ehrbare Art zu töten. Falls es sowas gibt.

SZ: Und dieses "Spiel mir das Lied vom Tod"-Gefühl: Er oder ich. Das kennt man doch. Natürlich auch: Sie oder ich.

Uma Thurman: Also, es gibt ja viele Arten, wie man sich duellieren kann. Auch heute. Mit dem Verstand zum Beispiel. Mit dem Herzen. Mit dem Körper! Obwohl, mit dem Körper, das ist nicht so mein Ding. Ansonsten duelliere ich mich viel und gern, mit allem, was ich habe. Mit meiner Ausdauer. Mit Gefühlen. Und mit Disziplin.

SZ: Aber es kann nur einer gewinnen. Oder eine.

Uma Thurman: Tja. So ist das Leben: Wettbewerb. Aber das Leben ist lang, und die Wettbewerbe sind doch eher kurz.

SZ: Wäre es nicht ein tolles Gefühl, den Gegner - oder die Gegnerin - tot zu wissen?

Uma Thurman: Also ich weiß nicht. Manche Menschen, die keinen Opponenten mehr haben, die wissen gar nicht mehr weiter. Sie brauchen diese gegnerische Energie. Das ist ihre Motivation, eine Herausforderung, ein Test. Sie brauchen den Kampf, und ohne Kampf sind sie verloren. Von dieser Sorte kenne ich einige.

SZ: Und Sie selbst?

Uma Thurman: Ganz sicher nicht! Ich liebe es, keine Gegner zu haben. Das ist mein bevorzugter Lebenszustand.

SZ: Mal angenommen, im zweiten und finalen Teil von "Kill Bill" wird Bill, wer immer das ist, tatsächlich gekillt.

Uma Thurman: Hmm, ja. Siehe Titel.

SZ: Die Braut vollendet also ihre Rache - wird sie danach ziellos durch die Welt treiben?

Uma Thurman: Warten Sie's ab! Nein, ich glaube, sie wird etwas gewinnen und etwas verlieren. Gewinnen wird sie ihre Freiheit. Verlieren wird sie natürlich Bill. Den sie mal sehr geliebt hat.

SZ: Wird sie Frieden finden?

Uma Thurman: Vielleicht.

SZ: Oder doch wieder einen Fluch auf sich laden, dem sie nicht entkommen kann?

Uma Thurman: Da gibt es einen schönen Satz in der ersten Sequenz, wo sie eine Gegnerin getötet hat und plötzlich deren vierjähriger Tochter gegenübersteht. "Wenn du erwachsen bist und dann noch Rachegefühle hast", sagt sie zu dem Kind, "werde ich auf dich warten." Sie weiß, dass sie für die neuen Ungerechtigkeiten bezahlen muss. Aber sie ist eine Kämpferin, deshalb wäre es nicht weiter verwunderlich, wenn sie auch im Kampf stirbt.

SZ: Mit der Gerechtigkeit ist das ja so eine Sache. Fanden Sie es nicht faszinierend, dass die Amerikaner ihren ersten Feldzug nach dem 11. September "Infinite Justice" nannten? Unendliche Gerechtigkeit!

Uma Thurman: Okay, wer hat sich das noch mal ausgedacht?

SZ: Irgendjemand im Weißen Haus oder im Pentagon?

Uma Thurman: Ja klar. Ein weiterer verzweifelter Versuch der Regierung, irgendwelche militärischen Abenteuer mit dem Anschlag auf das World Trade Center zu verknüpfen.

SZ: Vielleicht gab es da ein Bedürfnis nach Rache in den Köpfen der Amerikaner?

Uma Thurman: Der bessere Name wäre "Infinite War" gewesen. Inzwischen wissen wir, dass wir aus dem Engagement im Irak und in Afghanistan so schnell nicht wieder rauskommen. Wenn die Regierung das von Anfang an gesagt hätte, glauben Sie mir: auf diese Art von Rache hätte das amerikanische Volk sicher gern verzichtet. Es ist die texanische Mentalität, die unsere Regierung verseucht. Das simple Weltbild streitsüchtiger Ölmillionäre. Davon abgesehen muss man Saddam Hussein natürlich auch keine Träne nachweinen.

SZ: Aber jetzt mal im Ernst: Verstehen sich Frauen am Ende nicht besser auf die Rache als Männer? Besser sogar als texanische Ölmillionäre?

Uma Thurman: Auf keinen Fall! Es ist ja wohl klar, dass Frauen längst nicht so aggressiv sind, dass sie viele Probleme lösen, ohne zu physischer Gewalt zu greifen. Gewalt ist kein Feld, auf dem sich Frauen beweisen müssen, glauben Sie mir! Okay, in "Kill Bill" schon, aber das ist ja eher lustig, fast wie ein Comic. Frauen haben andere Wege, ihre Rechnungen zu begleichen.

SZ: Das meine ich doch. Wohin wir auch schauen in Kunst und Literatur: intrigante Schlangen, die ganze Existenzen mit einem gewisperten Wort vernichten, Giftmischerinnen, die nie verzeihen!

Uma Thurman: Yeah! Ich sehe, Sie haben verstanden! Regel Nummer eins: Lege dich niemals mit einer starken Frau an. Sonst weißt du gar nicht, wie dir geschieht. Du siehst sie nicht mal kommen.

SZ: Auf jeden Fall sollte man sich nicht mit Ihnen anlegen. Nach all dem Kung-Fu- und Schwertkampftraining, dass Sie für die Rolle der "Braut" absolviert haben.

Uma Thurman: Aber an Rache würde ich dabei nicht denken.

SZ: Weil ich Ihnen bisher nichts angetan habe.

Uma Thurman: Nein, nicht deswegen. Ich habe mit wahren Meistern trainiert, und dabei lernt man, seinen Kopf vor dem Kampf leer zu machen. Nur so erreicht man die maximale Konzentration, die wunderschöne, fließende Bewegung des Siegers. Am Ende ist das eine Art Meditation.

SZ: Und was passiert mit dem brennenden Wunsch, jemanden umzubringen?

Uma Thurman: Es klingt jetzt vielleicht seltsam, und vielleicht bin ich wirklich nicht ganz normal: Aber ich hatte noch nie den brennenden Wunsch, jemanden umzubringen.

© SZaW v. 11/12.10.2003 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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