Im Interview: Kevin Costner:"Das war damals nicht Disneyland."

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In seiner vierten Regiearbeit "Open Range" spielt Kostner wieder einen Cowboy. Allerdings einen auf der unsicheren Seite. Im Interview erklärt er, was ihn - "How the West Was Won" - an der Geschichte seiner Heimat erinnert.

Kevin Costner ist nach dem Oscar-Ruhm für "Der mit dem Wolf tanzt" dem Wilden Westen treu geblieben. In seiner vierten Regiearbeit "Open Range" spielt er einen Cowboy.

Die besten Filme haben diese Details, einen Blick, eine Geste die man niemals vergisst. (Foto: Foto: AP)

SZ: Western ziehen Sie magisch an. Kommt das aus der Jugend?

Kevin Costner: Die weite, offene Landschaft hat mich immer beeindruckt, wie die Leute angezogen waren, und - Sie werden es nicht glauben - dass da niemand in die Schule ging. "How the West Was Won" war wichtig für mich: Ich fand das Leben dieser Leute aufregend. Es gab noch viel zu entdecken.

SZ: Der Western ist ein komplexes Genre, zwischen Mythos und realistischer Desillusionierung . . .

Costner: Genau das versuchen wir in "Open Range" zusammenzubringen. Die meisten Western sind schlecht, weil sie sich zu stark im Mythos verlieren und dadurch dem Publikum von heute nichts mehr zu sagen haben. Man muss nicht auf eine aufgesetzte Modernität aus sein, aber was für die Menschen, die vor 150 Jahren dort lebten - die meisten Europäer - eine greifbare Realität war, kann durchaus beispielhaft sein, wenn man sie und ihre Probleme verstehen kann.

SZ: Sie gehen fast dokumentarisch an diese Zeit heran.

Costner: Als Regisseur hat man alle möglichen Handwerkszeuge: die Geschichte, den Schauplatz, den Sinn für Details, authentische Kleider und Material. Gleichzeitig gibt es viele Möglichkeiten, das Publikum zu betrügen. Man kann behaupten, dass diese Leute keine Angst hatten, dass sie sich nicht nach Liebe sehnten, dass die Gewalt, die sie erlebten sie nicht krank machte. Das war damals nicht Disneyland . . .

SZ: Sie nehmen sich auf geradezu unverschämt altmodische Weise sehr viel Zeit für den Alltag von Beziehungen und Verrichtungen.

Costner: Ich versuche einfach nur ehrlich, bei den kleinsten Details genauso sorgfältig zu sein wie im großen Shootout. Die besten Filme haben diese Details, einen Blick, eine Geste die man niemals vergisst. Wenn man sich zu schnell dem Publikumsgeschmack beugt, werden die Filme nicht unterhaltsamer, das schafft nur Distanz. Insofern sehe ich mich nicht als provokant, ich bewege mich nur neben der eingefahrenen Spur - allein schon weil ich Western mache, die schon lange kein Geld mehr bringen.

SZ: Fühlen Sie sich der Vergangenheit näher als der Gegenwart?

Costner: Ich habe keinen nostalgischen Blick auf die Vergangenheit, keine unrealistische Sicht auf die Welt. Aber ich weiß, wie schwer es ist, einen guten Film zu machen. Niemand wollte "Der mit dem Wolf tanzt" oder "Bull Durham". Auch wenn es kein Kassenschlager wird, gibt es jemanden, dem dieser Film gefällt, der ihn in zwanzig Jahren seinen Kindern zeigt. Das macht ihn für mich erfolgreich.

SZ: Anfang der Neunziger waren Sie ganz oben, danach kam ein Fall . . .

Costner: Das hat mir die Augen geöffnet, über die Presse und die Art, wie da Sachen verfälscht werden. Ich sehe erfolgreiche Filme wie "Matrix Reloaded" und "Revolutions", die ich nicht verstehe. Man muss sich selbst kennen, um sich nicht verwirren zu lassen durch das, was die Welt einen glauben machen will.

SZ: Was bedeutet Ihnen das Filmemachen? War das immer Ihr Traum?

Costner: Es ist für mich eine Gelegenheit, etwas das mich sehr berührt zu teilen. Wenn wir Freunde wären, würden Sie mir davon erzählen, wenn Sie ein wirklich tolles Buch lesen. So geht es mir, wenn ich ein tolles Script lese, ich habe sofort das Gefühl, dass ich es mit anderen Menschen teilen möchte.

SZ: Sie haben mal gesagt, dass das Schauspielern Ihnen erlaubt, klüger und mutiger zu sein, als Sie in Wirklichkeit sind. Interessiert Sie die dunkle Seite der menschlichen Existenz nicht?

Costner: Doch, im Leben, aber auch in Filmen wie "A Perfect World" oder "3000 Miles to Graceland". Ich habe keine Angst, eine dunkle Figur zu spielen, und hätte in "Open Range" auch den Baxter spielen können. Aber ich muss niemandem beweisen, dass ich schauspielern kann. Der Butch in "Perfect World" ist eine Figur mit guten und schlechten Seiten - aber würden Sie ihn als Freund haben wollen? Ich kenne gewalttätige Leute und weiß, wie unberechenbar sie sind. Ich könnte mir auch vorstellen, einen wie Hannibal Lecter zu spielen.

Interview: Anke Sterneborg

© SZ v. 29.01.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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