Im Interview: Jack Nicholson:"Ja, wir stehen unter Druck"

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Wenn man ihn schon mal hat, dann soll er auch erzählen. Und das tut er dann auch: Jack Nicholson erklärt Fälle von Viagra und Niagara, bricht eine Lanze für den Kollegen John Wayne und "tendiert dazu, schöne Frauen zu mögen."

FRITZ GÖTTLER

Jack Nicholson malocht. Er wirkt an diesem Donnerstag in Berlin wie das letzte verbleibende Mitglied der arbeitenden Bevölkerung, Abteilung Superstar. Er ist der Fels, auf den die Berlinale-Leute ihr Festival bauen - er muss, mit seinem neuen Film "Was das Herz begehrt", einiges von der Enttäuschung kompensieren, die durch die Absagen von Nicole Kidman, Nick Nolte, Jude Law hervorgerufen wurde. All work and no play ... Natürlich lässt Nicholson nicht erkennen, wo das eine endet und das andere begonnen haben könnte. Er tritt im lässigen Pullover zum Gespräch an, und mit ebenso sportivem Grinsen.

Im Film bin ich einer, der es sich einfach gutgehen lässt. Meine wirkliche Persona ist ganz anders. (Foto: Foto: AP)

Natürlich führt man nicht wirklich ein Gespräch mit Jack Nicholson - zumindest sind nicht wir es, die das Gespräch führen. Man setzt Exkurse in Gang, die sich mal in Anekdoten verlieren, manchmal in versponnene Reflexionen zum Metier. Und es ist irgendwie beruhigend, wenn man noch den einen oder anderen europäischen Kollegen neben sich in der Kleingruppe sitzen hat - oder noch besser Kolleginnen, die einem gewisse Fragen abnehmen: "Mr. Nicholson, um ältere Männer mit jungen Mädchen geht es in diesem Film, wie stehen Sie dazu?" Antwort: "More power to them ..." Die mit Abstand kürzeste Antwort. "Mr. Nicholson, Viagra spielt eine Rolle im Film - stehen die Männer heute unter Druck?" "Ja, wir stehen unter Druck ..."

Man spürt eine Mischung aus Melancholie und Monotonie in den Antworten, die man aus den Filmen kennt, denen der letzten Jahre zumindest. Erschreckend, dass da manchmal kein Blatt zu passen scheint zwischen dem Mann Nicholson und die Figur, die er abgibt. Er selber versucht es immer wieder, spielt den Charme der Differenzierung aus. Ist versiert im Umgang mit dem eigenen Image. "Ich fand das immer sehr nützlich, so ein Image in der Öffentlichkeit. Im Film bin ich einer, der es sich einfach gutgehen lässt. Meine wirkliche Persona ist ganz anders. Ich fand es wichtig, auch ein privates Leben zu haben. Deshalb gebe ich keine Fernsehinterviews. Die Leute sollen nicht mal auf den Gedanken kommen, sie wüssten, wer ich bin."

Ein Mann ohne Ego-Probleme, offensichtlich. Beruhigend war, dass auch Nicholson in der Mehrzahl anwesend schien. Nicholson der Charmeur, Nicholson der Selbstdarsteller, Nicholson der sanfte Verweigerer. Und Nicholson, der Dozent: "Mein erster Schauspiellehrer machte mir klar, weshalb Schauspielerei ein so vitales Element ist im Kino. Wenn Sie ein tolles Panorama zeigen von den Niagara-Fällen oder vom Monument Valley, und am Rand ist ein zentimetergroßer Mensch - dann wird das Publikum auf diesen Menschen gucken." Und wenn man schon beim Monument Valley ist, kann John Wayne nicht weit sein. "Ich komme ja aus einer anderen Richtung, aus der Method-Actor-Ecke, aber ich habe immer John Waynes Art zu spielen verteidigt. Das ist wie in der Malerei: Weil ein Mann Blumen malt, ist er doch nicht schlechter als einer, der große Schinken produziert. ,Star Wars' war ein schwacher Film, aber Harrison macht diese Figuren glaubhaft, die er bei Lucas und Spielberg spielt. Es gibt Filme, die brauchen schlechte Schauspielerei. Nehmen Sie die Sachen mit Buster Crabbe und seinen Flash-Gordon-Raketen. Das ist kein Akteur, über den man lacht, und so ist das auch mit Leuten in den Blockbusterfilmen heute. Daneben gibt es natürlich bad acting in Kunstfilmen ..."

Etwas hat sich verändert während dieser Sätze, eine leichte Spannung liegt in der Luft. Die Stimme ist noch säuselig, aber - Nicholson der Engagierte ist aufgetaucht. "Filme erklärt man doch nicht für gut oder seriös, bloß weil der Filmemacher das sagt. Unser Film - dieses Eigenlob dürfen Sie natürlich nicht zitieren - ist womöglich das originellste movie des Jahres. Alle tragen sie gerade schwarz, alle sind bleich, alles ist elendig, das geht schon richtig ins Klischee. Wenn Sie plötzlich einen Film machen, der leicht ist, werden Sie nicht ernst genommen. Aber jeder, der es macht, wird Ihnen sagen, es ist schwieriger." Und noch eine Drehung weiter: "Ich war so schockiert vom 11.September, dass ich beschloss, ich würde eine Zeit lang Komödien machen. Ich bin nicht gut, was die sozialkritischen Standard-Statements angeht. Ich werde nicht groß auftrumpfen mit: Let's have peace ... Terrorismus und Aids, das sind wohl die zwei größten Dinger, weshalb wir wenig Spaß haben in der Welt. Die Regierungen haben das Monopol auf Kriege verloren, wir leben alle wirklich auf einem Schlachtfeld." Da dreht er sich plötzlich zu dem jungen Mann neben ihm: "Himmel, das ist wohl ein Ire, dem ich das erzähle ..."

All politics and no play ... weshalb Jack der Frauenheld nochmals in die Bresche springt. "Ja, ich gestehe, ich bin voreingenommen - ich tendiere dazu, schöne Frauen zu mögen." Was der Regisseurin, Nancy Meyers, womöglich Probleme bereitete. Hat er mit ihr über das konservative Ende gestritten? "Aber der Film stellt die konventionelle Sicht doch auf den Kopf. Sie nennen das ein konservatives Ende - das enttäuscht mich ein wenig. Die zwei Alten bleiben zusammen, es gibt keinen anderen Film mit solch einem Ende - es ist ein revolutionäres Ende. Das Publikum in Amerika mochte den Film - 97 Prozent Zustimmung. Ich bin sicher, dass die Rate für die sogenannten Experten beträchtlich niedriger ist."

Man verspürt Sympathie bei dieser Kritikerschelte - Auftritt Jack der überzeugte Cineast, Mitglied einer lost generation. "Meine Kids haben nie ,On the Waterfront" gesehen, Nancy Meyers hat nie Kurosawas ,Sieben Samurai' gesehen. Es ist, als würde ich eine fremde Sprache sprechen, wenn ich darüber rede, was Kino ist. Und Nancy Meyers ist keine Achtzehnjährige." Hätte er denn da nicht Lust, selber noch einmal Regie zu führen - sein erster Regiefilm, "Drive, He Said" läuft in der Retrospektive des New Hollywood. "Ich habe immer wieder daran gedacht, aber da ist wohl das Alter ein wenig hochgekrochen. Ich arbeite immerhin ein Jahr an jedem meiner Filme, dieser begann weit vor vorigem Februar, und zog sich hin, mit dem Synchronisieren, dem Schnitt. Ich sehe mich da schon als einen Filmemacher. Ich habe eine merkwürdige Rolle beim Filmemachen. Ich kann sehr oft einen produktiven Weg ausfindig machen - weil ich alle Tricks kenne." Nicholson dixit. Der letzte. Jack der Joker.

© SZ v. 07./08.02.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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