Im Interview: Gerhart Polt:"Könnt´ ja sein, dass wir mal einen bekehren"

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Gerhart Polt und die "Biermösl Blosn" denken laut nach über Stoiber als Rindsroulade, die Satire als Medizin und sowieso über ihr neues Stück. Hier im Interview.

Christine Dössel

Eigentlich war ein Gespräch mit Gerhart Polt geplant, aber dann sitzen sie in seiner Künstlergarderobe alle lustig beeinand: Polt und die drei Biermösl Blosn, als da sind Hans, Christoph (¸¸Stofferl") und Michael Well. Seit 30 Jahren stehen sie auf der Bühne, und das seit 27 Jahren meistens zusammen. Mit satirischen Stücken wie ¸¸München leuchtet" (1984), ¸¸Diri-Dari" (1988) und ¸¸Tschurangrati" (1993) haben sie einst bei Dieter Dorn an den Münchner Kammerspielen Furore gemacht. Seit dessen Wechsel ans Bayerische Staatsschauspiel sind sie auch dort seine Gäste, zuletzt 2002 mit der Revue ¸¸Crème Bavaroise - Obatzt is". Ihr neues Stück heißt ¸¸Offener Vollzug" und hat im Residenztheater Premiere.

"Die Informationen waren da. Aber unsere Chance war eben, den Leuten den ganzen Wahnwitz des Projekts nahe zu bringen. Das hat eine eigene Kraft." (Foto: Foto:)

SZ: Ihr neues Stück firmiert als ein ¸¸Staatsschauspiel". Was dürfen wir uns darunter vorstellen?

Michael Well: Na, dass wir streiken!

Hans Well: Wir haben eine Streikfassung: konzertant. Also ohne den Polt.

Christoph Well: ¸¸Staatsschauspiel" heißt aber auch, dass wir mit dem Staat Theater machen können.

SZ: ¸¸Offener Vollzug" ist ein Begriff aus dem Strafvollzugsgesetz . . .

Gerhard Polt: Es gibt ihn aber auch in der forensischen Psychiatrie. Unser Stück spielt in einer Art Nervenheilanstalt. Es sind Verrückte, so wie jeder auf seine Art verrückt ist. Für uns ist die Frage: Wer ist drin, und wer ist draußen?

SZ: Und wo sind Sie?

Christoph Well: Wir sind Freigänger. Aber wir sind auch Mediziner.

Hans Well: Wir sind ja auch keine Kabarettisten, weil wir nicht von der Bier- und Möbelindustrie gesponsert werden.

SZ: Wer ist denn Ihr Sponsor?

Christoph Well: Feuerwehren, Kleinstkunstbühnen und momentan das Staatsschauspiel.

Hans Well: Sponsoring ist ein interessantes Thema zu WM-Zeiten. In unserem Programm kommt aber auch der Otto Beisheim vor, dem die Metro gehört und der geizgeile Saturn-Markt. Der Beisheim wohnt ja auch am Tegernsee, obwohl er in der Schweiz Steuern zahlt.

Christoph Well: Es gab ja die Diskussion, ob man das Staatliche Gymnasium Tegernsee in Otto-Beisheim-Gymnasium umbenennen soll.

Hans Well: Die Lehrerschaft des Gymnasiums hat Bedenkzeit erbeten, weil der Beisheim in der SS-Leibstandarte Hitler war. Er hat auch den Bayerischen Verdienstorden.

Polt: Und wer den Bayerischen Verdienstorden hat, der ist doch eigentlich geröntgt, der gilt als sauber.

SZ: Gibt es auch eine Handlung in Ihrem Stück, so wie in ¸¸Tschurangrati"?

Polt: Es ist eine revueartige Vorstellung, in der Machart vergleichbar mit ¸¸Crème Bavaroise".

Hans Well: Stücke wie ¸¸Tschurangrati" oder ¸¸Diri-Dari" kriegen wir gar nicht mehr hin, mangels Masse. Die Gisela Schneeberger hat keine Zeit gehabt. Otto Grünmandl ist gestorben . . .

Polt: Und der Dieter Hildebrandt wird da auch nimmer mitspielen. Diese Mannschaft kriegt man nicht mehr zusammen.

SZ: Welche Rolle spielt Ihr Freund Edmund Stoiber im ¸¸Offenen Vollzug"?

Hans Well: Eine gebührende

Christoph Well: Eine Rindsroulade.

Polt: Der Rückmarsch von Stoiber aus Berlin ist natürlich schon ein Thema.

Hans Well: So manche Lichtgestalt hat sich als rußige Funzel entpuppt. Der Freistaat Bayern ist zur Zeit im Bund eher eine Lachnummer wegen ihm. Aber inzwischen hat sich der Stoiber erholt. Er kämpft jetzt nimmer gegen die Merkel, sondern gegen ausländische Schüler und Al-Qaida. Und für den Papst.

SZ: Wie entsteht so ein Stück?

Hans Well: Im Wirtshaus. Wir gehen da immer wieder in Klausur.

Polt: Es gibt ja Themen genug. Jeden Tag wird eine Sau durchs Dorf getrieben. Die Frage ist: Was nehmen wir, und wie sortieren wir das?

Hans Well: Uns interessiert mehr der Input als der Output. Dass so manches Scheiße ist, merkt jeder.

SZ: Woher beziehen Sie all Ihre Insider-Informationen?

Polt: Es gibt zum Beispiel Journalisten, die uns füttern. Der Journalist hat gewisse Möglichkeiten, etwas zu dokumentieren. Der Satiriker kann mit dem gleichen Thema, aber mit anderen Stilmitteln eine andere Form von Aufmerksamkeit erzeugen. Ich werde nie vergessen, was für ein Skandal das war, als wir im Fernsehen was zu dem geplanten Bau des Rhein-Main-Donau-Kanals gemacht haben. Das hat damals eingeschlagen wie eine Bombe. Dabei hatten wir das gar nicht erfunden. Im Stern war über die Hintergründe zu lesen, im Spiegel, in der Süddeutschen. Die Informationen waren da. Aber unsere Chance war eben, den Leuten den ganzen Wahnwitz des Projekts nahe zu bringen. Das hat eine eigene Kraft.

Christoph Well: Aber gebaut worden ist der Kanal nachher trotzdem.

SZ: Und in Bayern regiert trotz Polt & Biermösl Blosn immer noch die CSU!

Michael Well: Aber sie hat noch keine 100 Prozent!

Polt: Ohne uns hätten"s schon 102.

Hans Well: Es hat sich also die Prophezeiung bewahrheitet: Eher wird ein Bayer Papst als Kanzler. Das ist und bleibt eine offene Wunde.

SZ: Die alte Frage: Kann Satire überhaupt was bewirken?

Christoph Well: Für mich hat es was ungeheuer Befreiendes, wenn ich über die Zustände wenigstens lachen kann. Das tut mir einfach körperlich gut. Und genauso gerne mach" ich mich auf der Bühne drüber lustig.

Polt: Ich könnte den Spieß umdrehen und fragen: Was würde es bewirken, wenn"s keine Satire gäbe? Wenn"s den Karl Valentin nicht gegeben hätte, wäre das für uns ein Gewinn oder ein Verlust? Ich würd"s als einen Verlust sehen. Die Frage ist nicht, ob jemand die Welt verändert. Weil die Welt verändert keiner.

Michael Well: Nicht einmal der Stoiber.

Polt: Aber ein Satiriker kann, so wie ein Clown oder ein Komödiant, die Sichtweise auf die Welt verändern. Das ist es, was der Humorist klassischerweise macht: Er zeigt einem eine Perspektive, von der aus man eine Sache betrachten kann. Und diese Perspektive ist eben eine andere als die dokumentierte oder literarisch beschriebene. Es ist eine humorgefärbte, abstrakte, groteske, abstruse . . . eine andere Sichtweise, weiter nix.

Hans Well: Eine Bekannte von uns geht als Clown in Kliniken und spielt krebskranken Kindern lustige Geschichten vor. Das ist wahrscheinlich eine wirkungsvollere Medizin als so manche Chemotherapie.

Christoph Well: Wenn wir in einem Bierzelt spielen, und da sitzen 70 oder 80 Prozent CSUler drin, dann hören die mal was Ungewohntes.

SZ: Ist das nicht frustrierend: Ein Zelt voller CSUler, denen Sie den Marsch blasen, und die lachen, gehen heim und wählen weiter CSU?

Hans Well: Ja sakradi, da haben Sie Recht. Ich gehe aber auch heim und wähle was anderes.

Michael Well: Das hat vielleicht mit der Liberalität der Bayern zu tun. Das gehört zum Katholischen dazu: immer noch besser, als wenn sie nicht mal zuhören.

Polt: Könnt" ja sein, dass wir doch noch mal einen bekehren.

Michael Well: Manche Veranstalter von Vereinen sind inhaltlich toleranter, wenn die Kasse stimmt. Wenn das Bierzelt bei unseren Auftritten brechend voll ist und dann plötzlich eine Ruhe herrscht, so eine theatrale Atmosphäre.

Hans Well: Die nutzen das Zelt am nächsten Tag meist für einen politischen Magneten wie den Beckstein. Da kommen dann 250 Leut". Und bei uns warns 2000. Das stärkt das Selbstbewusstsein von Minderheiten wie unsereins.

Christoph Well: Unser Unterhaltungsprogramm ist einfach besser als das vom Beckstein.

SZ: Wäre auch an einem Berliner Theater mal ein Stück von Ihnen denkbar?

Michael Well: Unsere kulturellen Wurzeln liegen eher in Bayern. Das ist unser Biotop. Wir treten schon auch im Norden auf, um das Bayernbild ein bissl zu relativieren. Aber ich würd" nie auch nur zwei Monate in Berlin leben können. Undenkbar.

Christoph Well: Wenn wir wegfahrn, dann will jeder von uns spätestens nach fünf Tagen wieder heim.

Hans Well: An den Ammersee.

SZ: Ihre Gegner verhalten sich in letzter Zeit so ruhig. Gar kein Aufruhr mehr?

Hans Well: Der Bayerische Rundfunk geht uns da schon ein bissl ab. Das ist alles nicht mehr wie früher. Das Kultusministerium hat mal 70 000 Schulbücher eingestampft, weil darin versehentlich unser Lied ¸¸Gott mit dir, du Land der BayWa" abgedruckt war. Wenn heute Warsteiner versucht, gegen uns zu prozessieren, weil wir singen ¸¸Zum Warsteiner gehört ein Aspirin", dann ziehen sie die Strafanzeige zurück. Weil sie merken, dass der Schuss nach hinten losgeht. Auch der Müller-Milch hält sich zurück.

SZ: Herr Polt, Ihr letzter Film ¸¸Germanikus" ist gefloppt. Haben Sie jetzt die Schnauze voll vom Filmgeschäft?

Polt: Die Erfahrung möchte ich nicht missen. Aber das Filmgeschäft ist eine vollkommen andere Welt. Im Moment denke ich eher in Richtung Hörspiel. Es gab in Deutschland einmal eine große Hörspielkultur, und ich bedauere es sehr, dass das Radio sie nicht mehr erfüllt. Das große Hörspiel ist was Wunderbares. Vielleicht kommen wir durch den Hörbuch-Boom jetzt langsam wieder dahin zurück. Das Bedürfnis bei den Leuten ist jedenfalls da. So was zu machen, wär" vielleicht eine schöne Sach".

SZ: Ihr nächstes Projekt?

Hans Well: Wir möchten jetzt mal richtig g"scheit essen gehen.

© Quelle: Süddeutsche Zeitung Nr.98, Freitag, den 28. April 2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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