Im Interview: Eric Clapton und J. J. Cale:"Ich bin dran. Also, die Antwort ist: Nein."

Lesezeit: 13 min

Die beiden Musiker gehören zu den einflussreichsten Songschreibern und Gitarristen der Musikgeschichte. Wir trafen beide zu einem gemeinsamen Interview. Das wurde so lebhaft, dass anschließend keiner mehr wusste, wer hier eigentlich wen interviewt hat.

Alexander Gorkow

Vorm Four Seasons in Beverly Hills schaukeln Palmen im Sonnenwind. Die zwei Herren, die in T-Shirt und Jeans herbeispaziert kommen, hatte man sich stiller vorgestellt. Clapton hat einen Händedruck wie ein Gewichtheber und eine Rostblechstimme, mit der er ohne Mikro die Hollywood Bowl beschallen könnte. Der Oklahoma-Akzent des harry-dean-stanton-haften J.J.Cale ("Ya knouuuuu, määäääään!") leiert durch den Novembersommer wie ein betrunkener Seevogel. Die beiden sind nicht nur gut gelaunt, sie sind regelrecht aufgekratzt vor Freude, vermutlich vor allem darüber, dass sie ein paar Tage gemeinsam in der Sonne sitzen dürfen, bevor Clapton zur Tour nach Japan weiterfliegt. Außerdem haben sie gerade eine Platte zusammen eingespielt, nach so vielen Jahren. Das Bild entstand auf der nahen Paramount Ranch, vor den Toren von Los Angeles.

Eric Clapton (rechts) und J.J.Cale (links)haben erstmals zusammen ein sehr schönes Album eingespielt. Es heißt "The Road To Escondido" (Foto: Foto: Warner Music)

SZ: Mister Clapton, auf wann datieren Sie Ihre erste Erinnerung an J.J.Cale?

Clapton: 1970? 1971? J.J. hatte zwei Singles 'rausgebracht. Eine Sensation. Ein cooler, unbeeindruckter Sound. Die erste war "After Midnight", auf der B-Seite war "Slow Motion". Die weite war "On The Outside Looking In", und auf der B-Seite, was war auf der B-Seite?

Cale: Keine Ahnung. "In My Time"?

Clapton: Du musst es doch wissen.

Cale: Was ich vor allem weiß: Ich hab' damals nicht zwei Singles 'rausgebracht, sondern drei. Hörst du? Drei Singles.

Clapton: Drei? Nein.Zwei.

SZ: Ist ja nicht so wichtig, jedenfalls . ..

Clapton: Es waren drei?

Cale: Yep. Und die erste war auch nicht "After Midnight", wie du gerade sagtest. "After Midnight" war die zweite. Die erste hast du vergessen: "Dick Tracy"!

Clapton: "Dick Tracy"?

Cale: "Dick Tracy".

Clapton: Was ist das denn?

Cale: Ein Song, Mann.

Clapton: Kennen Sie den? "Dick Tracy"?

SZ: Ist das nicht ein Film?

Clapton: J.J.! Er kennt ihn auch nicht, niemand kennt ihn!

Cale (singt): Dick Dick Dick Dick - DICK TRACY! Dick Dick Dick Dick ...

Clapton: Ahahaha! So geht der Song?

Cale: Der Refrain! Ein guter Song. Der große Leon Russell hat ihn produziert.

Clapton: Ein Witz! Lassen Sie sich nicht hochnehmen, er will Sie verunsichern!

SZ: Ich glaub' auch, also ich ...

Cale: Kein Witz, Mann. Irgend so 'n Sammler wird die Single noch haben.

Clapton: Das Lied gibt es nicht! Ich kenne jeden verdammten Song von dir, J.J.! Wir sind auch all' deine Songs jetzt für die Platte nochmal durchgegangen.

Cale: Bis auf "Dick Tracy".

SZ: Ich kenn' ihn jedenfalls auch nicht.

Clapton: Spielst du ihn mir mal vor?

Cale: Ich spiel ihn dir mal vor.

SZ: So. Und jetzt wüsste ich gerne . . .

Cale: Eric, du musst unserem Freund hier jetzt mal seine Frage beantworten.

SZ: . . . was Sie an Cale so fasziniert hat.

Clapton: Oh, ich kann das kaum analysieren. Es ist dieser cool schwebende Sound. "After Midnight" hat mich vom ersten Ton an ins Herz getroffen. Drum habe ich den Song dann auch gecovert.

SZ: Mr.Cale, ist der Ruhm zwischen Ihnen beiden ungerecht verteilt?

Clapton: Yeah. Richtige Frage.

Cale: Ich bin dran. Also, die Antwort ist: Nein. Ich meine, was ist Ruhm?

SZ: Alle kennen Ihre Songs, "Cocaine" ist das vielleicht berühmteste Gitarrenriff der Welt - aber kaum einer kennt Ihr Gesicht.

Cale: Mann, wozu sind wir hier?

SZ: Jetzt gerade, hier in Beverly Hi . ..?

Cale: Auf der Welt! Wir sind nicht für immer hier, oder? Wir sind irgendwann wieder weg. Wir sind Wasser in einem Fluss. Das Wasser ist, wenn wir Glück haben, sauber, es sind ein paar Fische drin, es fließt vorbei, dann ist es weg, neues Wasser kommt. So ist das Leben. Sie mögen meine Songs. Eric mag meine Songs. Wenn das Wasser weg ist, bleibt also was: meine Songs. Sie hören sie. Eric hört sie. Ich hab' Glück gehabt. Ich kann sagen: Das Wasser rauscht vorbei, und ein paar Songs werden bleiben.

SZ: Ihr Kumpel hier, Mr.Cale, ist sehr reich geworden - auch mit Ihren Songs.

Cale: Nicht nur er, mein Lieber.

SZ: Sie haben Tantiemen kassiert.

Cale: Nicht zu knapp, nicht zu knapp. Es gibt dümmere Arten, zu Geld zu kommen, das kann ich Ihnen sagen.

SZ: Stimmt es, dass Sie sich von dem Geld, das Sie plötzlich bekamen, statt eines Hauses einen Wohnwagen kauften?

Cale: Einen schicken neuen! Ich hab' schon immer im Wohnwagen gelebt. Zunächst, weil es billig war. Später, weil man abhauen konnte, wenn man wollte.

Clapton: "Kennen Sie die Geschichte mit dem Geld? Keiner kennt die!"

Cale: Oh, Eric, lass gut sein.

Clapton: Doch, sie ist großartig!

SZ: Bitte!

Cale: Ach nein . . .

Clapton: Doch, sie sagt viel über Ruhm aus. Jeder hat sein Bild von Ruhm. Das Bild, das J.J. abgab, es war sensationell.

SZ: Also?

Clapton: Erzähl' unserm Mann aus Deutschland, wo das Geld war!

Cale: Ich hab's zwischen die Wände im Wohnwagen gestopft, Mann.

SZ: Wie bitte?

Cale: Es musste ja irgendwo hin.

SZ: Gott, es muss viel gewesen sein!

Clapton: Die Tantiemen für "Cocaine"? Viel ist kein Ausdruck! J.J. hat's in die Hohlräume gestopft. Als eine Art Dämm-Material. Kein Dieb hätte das gefunden. Der Wohnwagen war eine einzige und immense Geldbombe, verstehen Sie?

SZ: Hatten Sie kein Konto, Mr. Cale?

Cale: Nein. . . . Also, es war so: Die Plattenfirma ruft an: Mr. Cale, wir haben hier Tantiemen für Sie, ein Haufen Geld, wenn Sie uns fragen. Ich: Fein, ihr lieben Freunde aus der Abteilung Erlöse und Gewinne, tut es in einen Koffer, ich hol ihn ab! Sagen die: Wir brauchen ein Konto, wo wir's hin überweisen können. Also fahre ich zur nächsten Bank. Ich sage: Guten Tag, ich brauch' ein Konto. Der junge Mann in der Bank schaut mich an: Ihr Wohnsitz? Ich sag' ihm, ich hab' keinen Wohnsitz, ich leb' im Wohnwagen, immer auf Rädern, mein Freund . . .

SZ: Und dann?

Cale: Sagt er: Kein Wohnsitz - kein Konto. Ich hab' mir gedacht: Okay, Arschloch, du weißt ja gar nicht, was dir da entgeht. Ich hab' die Plattenfirma also überzeugen müssen, mir das Geld in bar auszuzahlen. Ich hab' den Banken eh nie getraut. Ich musste das Geld jetzt nur gut verstecken. Damit es nicht irgendein Idiot mitnimmt, wenn er sich meinen Wohnwagen von innen anschaut.

SZ: Mr.Clapton, haben Sie J.J. mitunter um seinen speziellen, eher stillen Ruhm beneidet? Um seine Unabhängigkeit?

Clapton: Das wollte ich gerade sagen. Natürlich habe ich das. Schauen Sie, er ist ein sensationeller Songschreiber und Musiker - und er hatte im Gegensatz zu mir seine Ruhe. Ich meine, die Leute schrieben in London auf die Hauswände: "Clapton ist Gott." Ich dachte: Ich? Gott? Seid ihr jetzt alle verrückt geworden?

SZ: Sie berühren die Menschen.

Clapton: Aber: Gott? Das war die ultimative Phrase. Niemand ist Gott, nicht mal der Papst, der ist nur der vice president.

SZ: Sie wollten den Ruhm - und Sie wollten ihn nicht. Richtig?

Clapton: Nein, ich wollte mit absoluter Sicherheit immer der verdammt nochmal beste Gitarrist sein! Das wollte ich! Ich freue mich bis heute, dass viele Menschen meine Musik hören und meine Konzerte besuchen. But it's a musician's thing, you know?! Es geht um die Musik. Ich habe nie den Kult um meine Person bedient.

SZ: Mr.Cale, wie würden Sie den Unterschied in der Anerkennung definieren?

Cale: Mmh, sagen wir so: Eric wird geliebt, er wird wirklich verehrt, heute ja sogar noch mehr als früher, wenn wir mal richtig hinschauen. Bei mir war es nie Liebe. Es war aber Respekt. Wenn Eric Clapton deine Songs covert und die werden erst monströse Hits und dann Klassiker, man fühlt da Respekt.

SZ: Wieso gründet Ihr Ruhm nicht auf Liebe?

Cale: Oh, noch keine Sekunde drüber nachgedacht. Vielleicht war mein "After Midnight" ein bisschen folky? Oder Eric hat das nettere Gesicht? Eins von beiden!

SZ: Sind Sie nicht auch nett?

Cale: Ich kann ein bisschen still und zynisch sein. Ich hab' auch nie Lust auf, eeeh, den ganzen Unsinn gehabt.

SZ: Was ist das - Unsinn - in diesem Fall?

Cale: Na, das Drumherum. Mein erster Manager wollte, dass ich einen weißen Anzug anziehe, immer schöne Interviews gebe und weiße Zähne und Gott, was weiß ich. Aber bin ich Liberace? Meiner Musik bekommt es nicht, wenn ich mich verkleide. Andere sollen das machen.

SZ: Jetzt gerade geben Sie ein schönes Interview, finde ich.

Cale: Ja, oder? Ist ja was anderes. Die Sonne scheint über Kalifornien. Mein alter Freund Eric ist hier. Kein Stress.

SZ: Gründet Ihr Image, dieses Einsamer-Cowboy-auf-seinem-Pferd-Image am Ende auf einer gewissen Faulheit?

Cale: Mmh . . .

Clapton: Was? Jetzt aber, J.J.!

Cale: Ich hab' 14 Platten gemacht, war viel unterwegs. Faul? Nein. Richtig ist, dass der Ruhm, wie wir ihn aus'm Fernsehen oder den Magazinen kennen, immer an mir vorbei ging. Ja.

SZ: Sie sollen mal gesagt haben, dass es, solange das Geld 'reinkommt - und das kam es ja bei Ihnen - bessere Dinge zu tun gibt als ausgerechnet: zu arbeiten.

Cale: Habe ich das gesagt?

SZ: Angeblich. Ganz sympathisch.

Clapton: Ich würd' sagen, dass du es gesagt hast, J.J., es passt zu dir.

Cale: Finde ich auch. Also, wenn ich das gesagt haben sollte, so gehört es zu den besseren von den Sachen, die ich schon gesagt habe. Ich hab' nie nach Ruhm gesucht. Ich hab' nach Glück gesucht. Ich hab' mein Glück gefunden. Und mein Glück besteht auch darin, in die Landschaft zu starren. Oder ein bisschen auf der Gitarre zu schrammeln.

SZ: Ihre überwundenen Drogen-, vor allem Alkoholprobleme, Mr.Clapton: Waren sie eine Folge des unglaublichen Ruhms, der plötzlich über Sie hereinbrach?

Clapton: Das wird immer vermutet. Aber es stimmt nicht. Das liegt in der Familie.

SZ: Sie sind, was Sie erst spät erfahren haben, nicht bei Ihren Eltern, sondern bei Ihren Großeltern aufgewachsen.

Clapton: Vor allem ist es so: Mama und Papa waren Alkoholiker. Sämtliche Onkel und Tanten waren Alkoholiker. Und sämtliche Opas und Omas waren auch Alkoholiker. Alles reizende Leute, damals in Surrey. Und allesamt rund um die Uhr: totally fucked up. Besoffen.

SZ: Es war also normal.

Clapton: Ja. Die Uropas und Uromas übrigens auch. Mein Urgroßvater war Chef einer Landwirtschaftsgenossenschaft. Er war der Herr über die Geräte, die die Bauern brauchten. Der mächtigste Mann von Surrey. Auch er: stramm. Ja, die Claptons waren immer schon mächtig. Und dabei stets total besoffen.

SZ: Also hat der Ruhm nicht . . .

Clapton: Hören Sie: Ich war schon mit 16 Jahren: a full blown alcoholic. War ich mit 16 berühmt? Nein. Ich kam mir nur so vor. Die Musik hat mich zunächst sogar gerettet. Ich verbrachte einfach nicht mehr so viel Zeit mit Saufen, weil ich so viel Zeit mit Üben verbrachte.

Cale: Hehehe ... aber der Teufel findet natürlich immer ein Türchen!

SZ: Sie spielten in jungen Jahren oft mit dem Rücken zum Publikum, angeblich, weil Sie derart auf Drogen waren, dass Sie nicht wussten, wo vorne und hinten ist.

Clapton: Auch so eine hartnäckige Geschichte, die nicht stimmt. Ich meine, natürlich war ich auf Drogen! Aber ich drehte mich vom Publikum weg, weil ich die Gesichter der Leute nicht sehen wollte. Ich kann das heute noch nicht. Ich schaue nie ins Publikum. Ich muss es auch nicht mehr, denn heutzutage werden Sie in den großen Hallen auf eine Art und Weise angeleuchtet, dass Sie erst zwei Stunden nach dem Konzert wieder die ersten Gesichter erkennen.

SZ: Was stört Sie an den Leuten?

Clapton: Nichts! Es ist keine Arroganz! Aber die Erwartungshaltung in den Gesichtern. Ich kann nicht damit umgehen, Leute ausflippen zu sehen. Oder wie da einer 'rumsteht, und ich denke: Was guckt der so angepisst?

Cale: Die Leute wollen gute Musik hören, Mann. Nicht angeschaut werden.

SZ: Sie haben diese Ängste, Mr.Clapton?

Clapton: Es gibt Abende, an denen es weniger gut läuft, das sind Abende, an denen ich nicht bei der Sache bin, weil ich mir über andere Sachen Gedanken mache als über die Musik. Ich brauche meine Gitarre und meine Band, um mich zu konzentrieren. Keine Ablenkung.

SZ: War es cool, auf Drogen zu sein, damals?

Clapton: Ein guter Punkt! Die Leute sagten: Hey, der Arme! Er ist so sensibel. Er ist in Not. Er muss Drogen nehmen. Das war bullshit. Wenn Sie jung sind, haben Sie coole Vorbilder. Meine waren: Ray Charles, Charlie Parker, Billie Holiday. Alles Genies. Und: alle auf Heroin. Ein dummer, junger Mensch mit meiner Familiengeschichte rutscht da in eine Kausalität hinein, verstehen Sie?

SZ: Wie Pete Doherty heute? Ein lieber Junge aus gutem Hause, der plötzlich glaubt, man müsse, um ein dunkler Dandy zu werden, bei den Drogen Gas geben?

Cale: Pete wer?

Clapton: Doherty. Ein junger Kerl in England, J.J., kennst du nicht.

Cale: Er ist auf Drogen?

Clapton: Offenbar, ja. Klar, er hat seine Vorbilder. Es geht um einen Glamour, den es nicht gibt. Aber wieviele Artikel in der englischen Presse haben sich in den letzten Jahren mit der Musik seiner Band Babyshambles befasst - und wieviele mit seinem Drogenscheiß? Da haben Sie's, der Mist hält ihn im Gespräch.

SZ: Keiner lernt aus der Geschichte.

Clapton: Jeder zieht die falschen Schlüsse draus. Ich habe gedacht, Ray Charles sei ein Genie, weil er auf Heroin war. Konsequenz: Ich bin ein guter Gitarrist. Aber um ein Genie zu sein, muss ich mir die Rübe wegsaufen und dann eine Nadel setzen. Neulich sagt mir ein Musiker: Eric, ich bin nur groß, wenn ich auf Heroin bin. Ich hab' ihm gesagt: Wenn du nur auf Heroin ein großer Musiker bist, such' dir einen anderen Job!

Cale: Hat noch nie jemand 'was aus der Geschichte gelernt. Ich sag' euch, was Geschichte ist: Der Wind kommt von rechts, und am nächsten Tag kommt er von links. Das ist Geschichte.

SZ: Und Alkoholismus ist wohl auch keine reine Musikerkrankheit.

Clapton: Nein, ich habe, wie Sie wissen, ein Zentrum für Suchtabhängige gegründet, darunter sind bekannte Menschen und Menschen von der Straße, Kinder und so weiter. Weiter oben: Generäle, Kardinäle, Schriftsteller, was weiß ich. Der Präsident der Vereinigten Staaten ist Alkoholiker. Ist er glamourös?

SZ: Sie glauben, er ist immer noch einer?

Clapton: Was weiß ich. Bevor er mich verklagt: George W.Bush ist kein Alkoholiker, ich hab' mich trotz langer Erfahrung mit Alkohol und Alkoholikern wohl getäuscht. Und wenn er doch einer ist: Braucht er grad einen Drink!

Cale: Möge Gott seine schützenden Hände über sein Haupt . . .

SZ: . . . Mr.Cale, Mr.Clapton, Bob Dylan predigt seit einigen Monaten . . .

Cale: . . . Mann! Bob redet und redet, oder? Eine eigene Radiosendung, was ist in ihn gefahren? Eine Mission?

SZ: . . . er sagt, die großen Musiker aus den 20er und 30ern und 40ern gelte es nun zu entdecken. Ist diesen Leuten zu wenig Ruhm widerfahren? Sie, Mr.Clapton, spielen diese Songs immer wieder.

Clapton: Definitiv. Und um Ruhm geht es auch gar nicht. Es geht um den Reichtum in dieser Musik: Howlin' Wolf, Robert Johnson, wir haben viel zu entdecken.

SZ: Wieso kommt dieser Trend jetzt?

Clapton: Die moderne Popmusik hat eine Sättigung erreicht. Es geht inhaltlich nicht mehr richtig weiter, oder, J.J.?

Cale: Ich sehe das nicht negativ, sie hat sich halt verändert, die Musik, ist okay so, ist ja nicht schlechter. Aber: es ist physischer, technischer, effektreicher geworden. Der Punkt ist: Die Leute früher hatten diese Effekte nicht, nicht im Studio, nicht auf der Bühne. Es gab nur den Song und den Sänger. Wenn du keine Magie hattest, wenn du die Leute nicht durch die Melodie berührt hast, musstest du dich leider, leider erschießen. Heute kannst du's durch die Show retten. Da liegen Schätze auf dem Grund des Sees - Bob hat also recht.

SZ: Eine sehr konservative These, oder?

Cale: Konservativ? Mann, keine Ahnung.

Clapton: Schon, ja. Aber es ist nicht reaktionär. Bob zeigt den Leuten, dass sie in der alten Musik Sachen entdecken können. Es ist mehr eine Art Geschenk. Wie heißt noch der kleine Mistkerl mit der Glatze, der da ständig herumsampelt?

SZ: Moby?

Clapton: Ja, macht ein Blues-Album, raubt die Musikgeschichte aus, legt Drum n' Bass drüber, und keiner erfährt, wo er 'rumgeräubert hat. Das ist Scheiße. Sowas macht man nicht. Das trägt auch zur Bildungsarmut bei.

SZ: Könnten Sie, Mr.Clapton, ohne Ruhm noch leben?

Clapton: Wieso fragen Sie?

SZ: 2001 gaben Sie in der Albert Hall in London Ihr Abschiedskonzert. Es endete mit einer umwerfenden Version von Judy Garlands "Somewhere Over The Rainbow". Die halbe Halle hat geheult.

Cale: Eric!

Clapton: Ich danke Ihnen.

SZ: Zwei Jahre später waren Sie schon wieder auf Tour. Warum?

Clapton: Ich kann nicht aufhören. Ich hab' schon mal den Rückzug verkündet.

SZ: Wann?

Clapton: Mit 17. Es hat natürlich keine Sau interessiert, mich kannte ja keiner. Ich habe es trotzdem verkündet. Mit 18 habe ich dann weitergemacht. Ich sollte es nicht nochmal verkünden.

SZ: Wieso können Sie nicht aufhören? Sie haben eine reizende junge Frau, Kinder.

Clapton: Weil ich komplett durchdrehe, wenn ich länger als zehn Tage an einem Ort bin. Ich halt's nicht aus, verstehen Sie, ich muss dann weiter. . . . J.J., sag ihm, was du mir gestern gesagt hast!

Cale: Ich hab' ihm gesagt, er soll sich einen Wohnwagen zulegen. Dann muss er nicht immer 100 Leute und seine Familie mitschleifen, wenn er 'rumzieht.

SZ: Das Problem gerade ist: die Dame von der Plattenfirma gibt mir Zeichen, wir haben sehr schlimm überzogen. Darf ich zwei Fragen noch abschießen?

Clapton: Ah, also kurze Antworten?

SZ: Ja, bitte. Also, erste Frage: Was ist das Geheimnis eines großen Gitarrensolos?

Cale: Oooops - die Lebensfrage!

Clapton: Von J.J. habe ich es gelernt.

SZ: Was?

Clapton: Das Geheimnis. Es lautet: Mach es kurz! Fang pünktlich an mit deinem Solo und hör' rechtzeitig wieder auf!

SZ:Sie haben sich nicht immer dran gehalten, als junger Musiker, oder?

Clapton: Ist das die letzte Frage oder eine Zusatzfrage zur vorletzten Frage vor der dann wirklich letzten Frage?

SZ: Zusatzfrage zur vorletzten Frage vor der dann wirklich letzten Frage.

Clapton: Ich habe mich nicht dran gehalten, da haben Sie recht. Ich sagte ja, es gehört zu den wunderbaren Sachen, die ich erst vom großen J.J. Cale lernte.

SZ: Wir man im Alter weise?

Clapton: Okay! J.J., was sagst du?

Cale: Nein, man wird nicht weise. Kommt einem nur so vor. Wieso kommt es einem so vor? Weil man senil wird! Hehehe!

SZ: Okay. Das war's.

Clapton: Ich muss hinzufügen, dass es bei der Senilität Ausnahmen gibt: J.J. und ich sind die Ausnahmen. Ich sag' Ihnen meine Theorie. Wir alle haben einen Eimer mit Dummheiten, die wir im Leben begehen dürfen. Wenn wir den Eimer aufgebraucht haben, haben wir hoffentlich noch ein paar Jahre zu leben. Ohne diese Dummheiten. Wir haben sie ja aufgebraucht. Der Zustand, in dem wir dann sind, nennt man? Weisheit!

Cale: Wow! Deine sind aufgebraucht?

Clapton: Kann nicht anders sein. Es waren ziemlich viele, mein Lieber.

Der Engländer Eric Clapton (61) geriet nicht nur als Kopf wechselnder Formationen (z.B. Cream), als stilbildender Gitarrist und als Gastmusiker von Bands wie den Beatles ("While My Guitar Gently Weeps") zu Ruhm - sondern in dunkler Hinsicht auch durch Affären und Tragödien, wie durch den Tod seines 4-jährigen Sohnes Connor, der 1991 in New York aus dem Fenster eines Hochhauses fiel. Seine Sucht brachte Clapton mehrmals fast um. Der Amerikaner J.J.Cale (67) hingegen führte stets ein Leben in relativer Abgeschiedenheit, produziert dabei bis heute ungerührt viel gelobte Platten im Tulsa-Sound, an dem sich Musiker und Bands - nicht zuletzt Clapton - früh ein Beispiel nahmen. Beide haben nun erstmals zusammen ein sehr schönes Album eingespielt. Es heißt "The Road To Escondido" und ist bei Warner erschienen.

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