Im Interview: Denzel Washington:"Es ist alte Angst, die jetzt wieder präsent ist."

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Der Oscar-Preisträger hat Lust an Regie und Recherche - auch wenn er früher einmal lieber Football-Profi geworden wäre. Im Interview spricht er über Gewalt, Lüge und die harte Arbeit, eine Wolldecke aufzulösen.

Ein Mann, der für gewisses Prickeln, für Erregung sorgt, bei den Mitarbeitern und Kollegen, bei den Zuschauern. Und bei der Oscarverleihung 2002, in der er für ¸¸Training Day" als bester Darsteller ausgezeichnet wurde, war Julia Roberts, die den Umschlag öffnete, erheblich aufgeregter als Denzel Washington . . .

Im Moment hätte ich Lust auf eine richtige leichte Komödie, weil ich das noch nie probiert habe. (Foto: Foto: ddp)

SZ: In Hollywood werden zur Zeit eine Menge Filme gedreht, in denen der Held rapide den Boden unter den Füßen verliert . . . auch ¸¸Out of Time" gehört dazu.

Denzel Washington: Die Geschichte wiederholt sich ständig. Nehmen wir meinen nächsten Film, ¸¸The Manchurian Candidate", ein Remake des Films von Frankenheimer - der handelte von den Überwachungstaktiken der CIA, und war damals, in den Sechzigern, eine Reaktion auf die Ängste Amerikas und Englands nach dem Zweiten Weltkrieg, mit Hitler, Stalin und dem Kommunismus. Heute gibt es eine große Bedrohung durch den Terrorismus - das ist eine völlig andere Situation, aber es ist dieselbe Angst, die jetzt wieder präsent ist. Wir dachten doch alle, wir wären sicher, und dann stellt sich heraus, dass das eine Lüge ist. Mit dieser Angst müssen wir irgendwie umgehen.

SZ: Sie haben einst Journalismus studiert, ist davon etwas in Ihre Arbeit als Schauspieler eingegangen?

Washington: Die beiden Berufe sind einander ähnlich in der Lust an der Recherche, am Aufdecken, im Versuch zu verstehen. Ich habe für ¸¸Die Akte" mit Leuten der Washington Post gearbeitet. Eine Frau erzählte mir damals, dass sie als Kind auf ihrem Bett eine Decke hatte, an der ein Faden lose war. Sie zog daran . . . und konnte nicht mehr aufhören, bis das ganze Ding aufgetrennt war, weil sie sehen wollte, wohin das führte. Genauso empfinde ich als Schauspieler. Bob Woodward, der den Watergate-Skandal ans Licht brachte, hat mir mal von der Recherchearbeit erzählt, und so wie er langsam zum Herzen der Geschichte vordringt, arbeitet man sich als Schauspieler zum Herzen einer Figur vor.

SZ: Sie spielen gern Leute mit Autorität, Anwälte, Offiziere, Psychologen . . .

Washington: Naja, an der Figur in ¸¸Out of Time" interessierte mich nicht, dass er Polizist ist, er hätte auch Hausmeister sein können. Wichtiger war mir, dass er voller Schwächen und Fehler war. Er geht ins Haus eines anderen Mannes und schläft mit seiner Frau, er stiehlt Geld, das ihm anvertraut wurde. Ich suche immer wieder was Neues - im Moment hätte ich Lust auf eine richtige leichte Komödie, weil ich das noch nie probiert habe. Auch Theater würde ich gern wieder machen.

SZ: Sie zeigen auch erstmals Haut in hitzigen Sexszenen.

Washington: Carl (Franklin) war da sehr bedächtig, aber ich drängte ihn, doch etwas weiter zu gehen. In ¸¸Training Day" gab es Diskussionen, ob man den Typ sterben lässt. Mir war es wichtig, dass er auf die schrecklichste Weise stirbt, denn nur so konnte ich für mich rechtfertigen, dass er auf die schrecklichste Art gelebt hat. Auch in ¸¸Out of Time" tut dieser Typ Dinge, für die er bezahlen muss.

SZ: Sie scheinen sehr stark auf die moralische Integrität eines Films zu achten.

Washington: Ich überlege schon, bevor ich eine Rolle annehme. Bei ¸¸John Q" war ich nervös, ob der Film jemanden verleiten könnte, sich eine Pistole zu holen und damit in einem Krankenhaus herumzufuchteln. ¸¸Man on Fire", den ich gerade gedreht habe, ist ein sehr gewalttätiger Film, trotzdem denke ich nicht, dass er die Zuschauer zur Nachahmung provoziert. Das Script von David Finchers ¸¸Seven" hatte ich beispielsweise gelesen - das schien mir zu düster für mich. Als ich ¸¸Cry Freedom" machte, erzählte mir ein Freund, der Arzt ist, dass er den ganzen Tag mit Blut, Sterben und Tod konfrontiert sei und sich in seiner Freizeit nur noch unterhalten lassen wolle. Das war mir eine Lehre. Im Sommer habe ich mir ¸¸Bad Boys 2" angeschaut, das macht Spaß - auch wenn man zwei Stunden später nicht mehr darüber nachdenkt.

SZ: Fiel es Ihnen nach Ihrer ersten Regie, ¸¸Antwone Fisher", schwer, sich wieder einem Regisseur unterzuordnen?

Washington: Man ordnet sich nicht unter, man vertraut dem anderen. Ich füge mich ja nicht auf Gedeih und Verderb dem Willen eines anderen, wenn ich anderer Meinung bin, sage ich das auch.

SZ: Welche Ihrer Regisseure haben Sie beeinflusst?

Washington: Jonathan Demme, weil er es schafft, ein Gefühl von Glück auf dem Set zu verbreiten, das einen anspornt, hart zu arbeiten. Die Leidenschaft und das Herz von Edward Zwick, und die verrückte Energie von Spike Lee, die Hingabe, mit der Norman Jewison seinen Schauspielern begegnet, Richard Attenborough, der mit Lautstärke oder Sanftheit seiner Stimme die Stimmung einer Szene spiegelt.

SZ: Sie haben die gleiche Ruhe und Gelassenheit wie Sidney Poitier. War das ein Vorbild für Sie?

Washington: Ehrlich gesagt, war ich damals mehr an Football interessiert als am Kino. Ich habe in meiner Jugend keine Filme gesehen, wollte Footballspieler werden. Von Jim Brown war ich viel mehr beeindruckt als von Sidney Poitier.

Interview: Anke Sterneborg

© Quelle: Süddeutsche Zeitung Nr.59, Donnerstag, den 11. März 2004 , Seite 14 Fenster schließen - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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