Im Interview: Architekt Frank Gehry:"Ich werde täglich mit großer Dummheit konfrontiert."

Frank Gehry ist bekannt für seine Architektur in Bestlaune, faszinierende Formen und atemberaubenden Schwünge. Im Interview erkannt man, dass Stahl und Steine die Mentalität des Architekten exakt spiegeln - vor allem, wenn er sich über den Intelligenzquotienten seiner Kunden auslässt.

Patrick Barton

Frank Gehry wurde am 28. Februar 1929 in Toronto als Frank Goldberg geboren. Er änderte den Namen auf Drängen seiner ersten Frau, die wegen des jüdischen Klangs Nachteile befürchtete. Er entwarf das Vitra-Design-Museum in Weil am Rhein und das Guggenheim-Museum in Bilbao. Sein jüngstes Projekt ist ein neunstöckiges Bürohaus in Manhattan für das Internetunternehmen von Barry Diller. Ausnahmsweise soll es keine Stahl-, sondern eine Glasfassade bekommen.

Im Interview: Architekt Frank Gehry: Gehry bei der Eröffnung der von ihm entworfenen Konzerthalle in Los Angeles.

Gehry bei der Eröffnung der von ihm entworfenen Konzerthalle in Los Angeles.

(Foto: Foto: AP)

SZaW: Guten Tag, Mister Gehry. Wissen Sie, wie man einen Fotokopierer bedient? Gehry: Ja. Warum?

SZaW: Hat Sie das noch niemand gefragt? Gehry: Nein, bis heute nicht.

SZaW: Auch nicht jetzt, wo Sie Ihre Konzerthalle in Los Angeles zu Ende gebaut haben? Gehry: Ach, das meinen Sie. Nein, dafür habe ich keinen Fotokopierer gebraucht.

SZaW: Aber Parallelen zum Guggenheim-Museum in Bilbao sehen Sie schon? Gehry: Parallelen gibt es bei jedem Haus, das ich baue.

SZaW: Einige Kritiker sagen "Bilbao 2" zu Ihrer Konzerthalle, obwohl Sie die viel früher als das Museum entworfen hatten. Was sagt der Architekt? Gehry: Er sagt nichts. Wenn ich ganz ehrlich sein soll: Eigentlich habe ich keine Lust mehr, darüber zu sprechen.

SZaW: Sie haben die Nase voll? Gehry: Ja. Ich bekomme immer die gleichen Fragen von den Leuten, und die bekommen immer die gleichen Antworten. Jedes Mal. Das ist nicht spannend.

SZaW: Wollen Sie lieber über etwas anderes reden? Gehry: Ja, das wäre mal nett.

SZaW: Worüber? Gehry: Hm. Worüber? . . . Wie wäre es mit Dummheit?

SZaW: Sie wollen über Dummheit reden? Gehry: Ja. Warum nicht?

SZaW: Sind Sie da Experte? Gehry: Wer weiß. Ich werde jedenfalls täglich mit allen Arten von Dummheit konfrontiert.

SZaW: Sie? Von wem? Gehry: Zum Beispiel von Leuten, die ein Haus von mir wollen.

SZaW: Wollen Sie sagen: Die Leute, die zu Ihnen kommen, sind dumm? Gehry: Nicht alle. Aber manchmal bin ich ganz froh, dass nicht jeder, der hier rein kommt, als Kunde wieder rausgeht. Nehmen Sie Donald Trump. Der hat mich immer wieder gefragt, ob ich ihm einen Wolkenkratzer baue.

SZaW: Das wäre doch Ihre Chance gewesen! Sie haben noch nie einen Wolkenkratzer gebaut. Gehry: Stimmt. Ein richtiges Hochhaus wäre auch etwas Besonderes. Wir haben schon einige Modelle entworfen, aber bis jetzt haben wir keins davon gebaut. Einmal sind wir aus dem Wettbewerb geflogen. Dann hatten wir ein Projekt in New York, am Madison Square Garden. Alle waren ganz aufgeregt, aber plötzlich ging unser Auftraggeber bankrott.

SZaW: Da wäre Donald Trump doch gerade recht gekommen. Gehry: Aber ich mag ihn nicht. Deshalb habe ich ihm auch eine Absage geschickt.

SZaW: Hat er sich damit zufrieden gegeben? Gehry: Nein. Er wurde ziemlich wütend. Und jetzt verleumdet er mich, wo er nur kann. Selbst die Presse setzt er gezielt ein. Nur weil ich ihm einen Korb gegeben habe. Siebenmal hintereinander.

SZaW: Darauf sind Sie stolz? Gehry: Und wie! Das ist keiner, mit dem ich arbeiten will. Mit Trump bekommt man kein gutes Projekt hin.

SZaW: Warum nicht? Gehry: Dafür muss man eine Beziehung aufbauen. Wie soll das mit einem Menschen wie dem gehen?

SZaW: Ist Mister Trump nicht nett? Gehry: Ich weiß es nicht. Zum Beispiel lügt er. Er rief mich mal an und sagte voller Inbrunst: "Ich komme gerade aus Bilbao wieder, und ich finde, das ist das wunderbarste Gebäude aller Zeiten." Nach dem dritten Satz war mir klar, dass Trump niemals in Bilbao gewesen sein konnte.

SZaW: Nicht sehr clever von ihm. Das alles klingt aber so, als könnten Sie sich Ihre Kunden aussuchen. Gehry: Das denken die meisten. Aber leider stimmt es nicht. Gerade jetzt müssen wir uns sehr strecken. Das Schlimme ist, dass viele denken, wir seien so beschäftigt, dass sie erst gar nicht versuchen, bei uns anzurufen, um neue Projekte vorzustellen. Dabei herrscht bei uns absolut kein Hochbetrieb.

SZaW: Das geht Ihnen wohl nicht allein so. Rem Koolhaas hat das von seiner Firma auch berichtet. Kommt das daher, dass das Häuserbauen in Ihrer Liga inzwischen zu einem Showbusiness geworden ist? Gehry: Für manche schon. Aber ich sehne mich nicht nach Show.

SZaW: In Deutschland nennt man Ihresgleichen auch Stararchitekt. Gehry: Ich weiß. Das ist sehr lustig. Ich lebe in Los Angeles. Ich weiß ziemlich gut, was Stars sind und was dazugehört, als Star einsortiert zu werden. Ich will doch sehr hoffen, dass ich kein Star bin.

SZaW: Aber Sie haben von Sidney Pollack einen Film über sich drehen lassen, der nächstes Jahr herauskommen wird. Gehry: Das ist ein Dokumentarfilm. Keine Angst, ich tauge nicht zum Filmstar.

SZaW: Sie kümmern sich auch nicht um Ihre Außendarstellung? Gehry: Am Ende zählt nicht, wie viele PR-Agenturen man für seine Zwecke einspannt, sondern wie die Häuser aussehen.

SZaW: Muss man in den USA manchmal etwas dicker auftragen, um ernst genommen zu werden? Gehry: Ist das ein besonders amerikanisches Phänomen? Ich erlebe das überall, nicht nur unter Amerikanern. Ein Beispiel: Als ich an dem Wettbewerb um die Konzerthalle in Los Angeles teilnahm, musste jeder Bewerber einen Vortrag über seinen Entwurf halten. Vor mir war Gottfried Böhm dran. Ich wartete vor dem Saal. Dann kam er heraus und sagte: "Du kannst mir gratulieren, ich habe soeben das ganze Ding gewonnen!" — Da habe ich ihn erst angeschaut und dann gefragt: "Du meinst, ich soll da gar nicht mehr reingehen?" Und er: "Das musst Du selbst wissen, aber die Jury war absolut begeistert von meinem Plan, das habe ich in der Tasche."

SZaW: Und? Gehry: Ich habe ihm gesagt: "Okay, ich gehe eben rein, nach allem was Du sagst, wird es wahrscheinlich nicht lange dauern, und dann können wir auf Deinen Sieg eine Flasche Champagner aufmachen."

SZaW: Und Sie sind rein gegangen? Gehry: Ja. Und noch bevor ich selbst irgend etwas gesagt hatte, hörte ich Leute in der Jury darüber tuscheln, wie furchtbar Böhms Vortrag war.

SZaW: Dick aufgetragen, aber sehr durchsichtig. Gehry: Ja.

SZaW: Sie haben sehr viel in Deutschland gebaut. Ihre Meinung über die Deutschen? Gehry: Sie sind nicht dümmer und nicht klüger als andere auch.

SZaW: Bad Oeynhausen, Herford, Hannover, Düsseldorf: Sind das die Orte, an denen ein Architekt aus Los Angeles schon immer bauen wollte? Gehry: Man weiß nie, was auf einen zukommt. Außerdem haben Sie Berlin nicht erwähnt.

SZaW: Ja, denn ich dachte, da würde man gerne bauen. Gehry: Das ist richtig. Aber auch in kleineren Städten kann man viel erleben.

SZaW: Zum Beispiel? Gehry: Nehmen Sie nur Bielefeld: Da sollten wir die Erweiterung für ein Museum entwerfen. Wir haben unsere Pläne präsentiert, und es waren viele Leute da. Johannes Rau zum Beispiel. Und Frau Oetker. Als wir unsere Modelle vorgestellt hatten, kam sie herüber zu mir und sagte mit erhobenem Finger, fast wie eine Hexe: "Ihr Entwurf ist von vorgestern!"

SZaW: Wissen Sie, womit sich die Oetkers hauptsächlich beschäftigen? Gehry: Ja, mit Pudding.

SZaW: Können Sie auch über Ihre eigene Dummheit sprechen? Gehry: Wenn Sie wollen. Haben Sie etwas Bestimmtes im Sinn?

SZaW: Zum Beispiel, zweiter Versuch, Ihre neue Konzerthalle in Los Angeles: Jeder könnte denken, sie sei eine blanke Kopie des Guggenheim-Museums in Bilbao — dabei ist allenfalls das Museum eine Kopie der Konzerthalle. Kluges Timing? Gehry: Nein. Aber ich kann nichts dafür, dass das Projekt in Los Angeles von allen Seiten torpediert wurde und sich die Realisierung damit um Jahre verzögert hat. Es gab hinter den Kulissen extreme Machtkämpfe. Ich war am Anfang nur ein Zählkandidat, der Lokalmatador, der gut aufs Gruppenbild passte. Ich habe mich dazu überreden lassen, an dem Wettbewerb teilzunehmen und wollte eigentlich mittendrin wieder aussteigen. Aber am Ende hat es dann doch noch funktioniert.

SZaW: Und dass Sie sich von der Disney-Familie für dieses Projekt haben einspannen lassen: War das besonders klug? Da ist der Disney-Konzern nicht weit, und der will eher dem Gegenteil von Hochkultur zum Sieg verhelfen. Ihre Konzerthalle wirkt da wie ein Alibi. Gehry: Los Angeles ist eine provinzielle Stadt. Aber das ist nichts Ungewöhnliches: Eigentlich ist jede Stadt so. Die Disney-Familie hatte das Geld, und man brauchte einen Architekten. So kam eins zum anderen.

SZaW: Sie sind gut mit Michael Eisner, dem Chef von Walt Disney, befreundet. Die Disneys waren Ihnen wohl gesonnen? Gehry: Nein, ganz und gar nicht. Der Familie gehört auch nicht das ganze Unternehmen. Im Gegenteil, Michael Eisner hatte gerade einen von Lillian Disneys Schwiegersöhnen aus der Firma geworfen, als der Wettbewerb anlief. Und einer der Anwälte der Familie hat mir noch während des Wettbewerbs felsenfest versichert, dass ich nicht zum Zug kommen würde.

SZaW: Was Anwälte eben so sagen. Gehry: Genau. Erst als alle Modelle in einem Raum ausgestellt wurden, zeigte Miss Disney auf meins und sagte: Das soll es sein. Sie wusste aber nicht, dass es meins war, denn auf keinem der Modelle stand, welcher Architekt dahinter steckte.

SZaW: Haben die Disneys alles bezahlt? Gehry: Nein, es gab da zum Beispiel noch einen gewissen Eli Broad. Das ist ein furchtbarer Mann, der überall seine Nadeln rein stecken möchte.

SZaW: Warum haben Sie ihn dann mit ins Boot genommen? Gehry: Er ist Milliardär. Wir brauchten sein Geld.

SZaW: Geld regiert die Welt. Zu dumm? Gehry: Nein, so ist es halt.

SZaW: Auch Sie sind nicht immun? Gehry: Man tut, was man kann. Bei Broad bin ich vielleicht etwas eingeknickt. Disney war nicht das einzige Projekt, das ich mit ihm gemacht habe: Ich sollte ihm auch sein Wohnhaus bauen. Erst wollte ich nicht, denn ich kann ihn wirklich nicht ausstehen. Aber dann habe ich mich überreden lassen. Allerdings nicht bedingungslos: Ich ließ mir völlige Autonomie zusichern, Zeit und Geld sollten keine Rolle spielen. Und das war ziemlich dumm von mir.

SZaW: Die Bedingungen klingen eigentlich ganz erträglich. Gehry: Die bittere Lehre ist, dass sich ein Mann wie Broad mit all seinem Geld nicht darum schert, was er unterschreibt. Denn ihm gehören alle Anwälte der Stadt, und wenn er unzufrieden ist, dann reiht er seine Maschinenpistolen auf und feuert einmal kräftig durch. Zook, zook, zook! Und eine Kugel davon wird dich treffen.

SZaW: Und so kam es? Gehry: Ja, es gab ein endloses Hin und Her, er hat mich unter Druck gesetzt und wollte mich verklagen. Am Ende habe ich aufgegeben, denn ich will nicht jeden Tag vor Gericht erscheinen: Er hat sein Haus allein zu Ende gebaut, aber mehr oder weniger nach meinen ursprünglichen Modellen.

SZaW: Wie sieht so etwas dann aus? Gehry: Ich weiß es nicht. Ich war noch nie da.

SZaW: Bereuen Sie, dass Sie sich darauf überhaupt eingelassen haben? Gehry: Ja. Ich arbeite am liebsten mit Leuten, die ich leiden kann. Und deshalb hätte ich Mister Broad von vornherein den Laufpass geben sollen. Das ist so ein Mann, der öffentlich erklärt, er sei mit seinen Kindern unzufrieden. Jeder, der so etwas sagen kann, hat etwas Fieses.

SZaW: Mister Gehry, Ihr Job scheint ziemlich gefährlich zu sein. Gehry: Ja, aber nicht gefährlicher als das Leben allgemein: Man muss eben sehr aufpassen, was man macht und was nicht. Und vor allem mit wem und mit wem nicht.

SZaW: Hinterher ist man immer klüger. Gehry: Ja. Vorher ist aber besser.

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