Im Gespräch:Ein Playboy wird bibelfest

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Er gehört zu den schillerndsten Ikonen des HipHop. Doch nach 20 Jahren wildem Leben kümmert sich LL Cool J nun lieber um seine Familie und eifert Leonardo da Vinci nach.

James Todd Smith alias LL Cool J gehört zu den erfolgreichsten und langlebigsten Ikonen des HipHop. Der New Yorker Rapper, dessen Pseudonym "Ladies Love Cool James" sowohl seine Selbsteinschätzung als auch das Hauptthema seiner Songs verrät, hat sich seit seinem 1984er Debut "Radio" vom Playboy-Macho zum Romantiker und Anti-Drogen-Prediger entwickelt. Diesen Sommer erschien sein zwölftes Album "Todd Smith" (Def Jam).

Der Family Man: LL Cool J. (Foto: Foto: Universal)

SZ: Viele Kritiker haben Ihr neues Album "Todd Smith" als gefälligen und Radio-tauglichen Mainstream-HipHop abgeschrieben. Stört Sie solche Kritik?

LL Cool J: Wissen Sie was? Die meisten HipHop-Kritiker sind Männer. Ich aber spreche mit meinem Album vor allem die Damen an. Ich rappe an ihre Adresse, flirte mit ihnen, mache sie heiß, wie nur ich das kann. Kein Wunder, dass da einige eifersüchtig reagieren.

SZ: Öffentlich mimen Sie immer noch den Playboy, während Sie privat als fürsorglicher Familienvater gelten.

LL Cool J: Ich habe eine Frau und vier Kinder, gut. Ich mache da niemandem was anderes vor - aber manche Menschen nehmen die Bildersprache der Videos viel zu ernst. Sie verwechseln den Rapper mit dem Menschen. Oder den Schauspieler mit seiner Rolle. Trotzdem ist es kaum sinnvoll, über mein Privatleben zu rappen. Da würde mir zuallererst mein 14-jähriger Sohn den Vogel zeigen.

SZ: Sie lassen Ihr tatsächliches Leben als Ehemann und Vater aus Image-Gründen außen vor?

LL Cool J: Wenn Sie glauben, Familie sei nicht cool, verstehen Sie nichts von HipHop. Und was die Posen mit den leichten Mädels und Champagner betrifft: Das war einmal, meine Kinder haben meinen Vibe schließlich nachhaltig verändert. Heute würde ich niemals für Alkohol oder Zigaretten werben.

SZ: Stattdessen posieren Sie in Werbespots mit Ihrer Tochter.

LL Cool J: Schreiben Sie ruhig: LL Cool J ist ein Family-Man geworden. Und wenn ich trotzdem Lust habe in einen Strip-Club zu gehen, na und? Ich bin vielleicht gewachsen, aber immer noch ein Mensch mit allen Fehlern.

SZ: Sie haben neben Ihren HipHop-Alben, der Schauspielerei und zwei eigenen Kleidermarken Zeit gefunden, ein Kinderbuch zum Mitrappen zu schreiben.

LL Cool J: Ich weiß doch als Vater, wie man Geschichten erzählt. Was ich Kindern sagen will: dass sie nicht unsicher werden müssen, wenn sie verlieren, und nicht arrogant, wenn sie Erfolg haben.

SZ: Ist das Ihr Leben?

LL Cool J: Die Geschichte könnte so ähnlich auch in meiner Biographie stehen: Ich habe mehr Koks, Geld und Frauen gehabt, als Sie sich vorstellen können. Aber irgendwann habe ich gesehen, dass mich dieses Leben kaputt macht. Meine Großmutter hat mich immer emotional und spirituell gestützt. Wenn ich tief in der Scheiße saß, sagte sie: Glaub an dich selber, du kannst drüber hinauswachsen.

SZ: Sie reden in Ihren Interviews viel von positivem Denken und der Macht der Bibel. Doch anders als bei Kanye West fließt Ihr Glaubensbekenntnis kaum in Ihre Texte ein.

LL Cool J: Kanye West und ich kommen aus verschiedenen Schulen. Trotzdem hat mich sein Song "Jesus Walks" inspiriert, so positiv hat schon lange kein HipHop-Song mehr geklungen. Im Übrigen haben Sie mein neues Album nicht gründlich genug gehört: "Give ten percent to God / bet you get it right back."

SZ: Doch im Rest des Albums variieren Sie in Rap-Balladen wie "Freeze", "So Sexy" oder "Best Dress" vor allem Ihr Erfolgsrezept als Bettkanten-Macho.

LL Cool J: Was heißt schon Macho? Das ist 20 Jahre her, dass ich mit dicken Goldketten und Angeber-Sprüchen auf der Straße rumlief. Ist es etwa kein Geständnis, wenn ich "I need love" rappe? Andererseits: Unsicher habe ich mich nie gefühlt. HipHop war von Anfang an ein Wettkampf der Egos. Wer reimt am schnellsten, originellsten, schlagfertigsten? Wenn du da nicht ganz und gar von dir überzeugt warst, hattest du schon verloren.

SZ: Sie haben inzwischen in zwei Dutzend Hollywood-Filmen mitgespielt. Sind Sie als Rapper nicht auf bestimmte Rollen festgelegt?

LL Cool J: Mir hat die dramatische Heldenrolle, die ich etwa in "Edison" spiele, genauso getaugt wie mein Part in einer romantischen Komödie. Viele Leute wissen nicht, dass ich die letzten acht Jahre Schauspielunterricht genommen habe. Was ich im Film spiele, hat jedenfalls nichts mit meiner Karriere als Rapper zu tun. Schauen Sie sich nur Leonardo da Vinci an, der war Maler, Erfinder, Bildhauer, Mediziner und Forscher. Er hatte keine Ausbildung, er hat für seine Ziele gekämpft und: Er war in allen Bereichen einer der Besten. Ich bewundere diesen Mann und eifere ihm nach.

SZ: Können Sie denn als 38-jähriger Veteran noch mit den Jugendmoden der HipHop-Industrie mithalten?

LL Cool J: Es hat keinen Sinn, unter einem Wasserfall zu stehen, und zu verlangen, dass er zu fließen aufhört. Du wirst trotzdem nass werden. Die ganze Welt lebt nun mal vom Jugendkult. Und ich fühle mich nicht als alter Hund. Schauen Sie meinen Körper an, ich trainiere jeden Tag zwei Stunden.

SZ: Sie sind der dienstälteste Rapper, der noch im Geschäft ist. Wie erklären Sie sich Ihre Langlebigkeit?

LL Cool J: Ich habe meine Geschichten immer von Herzen geschrieben, nicht als Kopie irgendeiner Film-Gangsterstory. Auf die Reimkunst kommt es an. Meine Battle-Raps haben Geschichte gemacht. Dagegen habe ich Gewalt als Mittel der Auseinandersetzung stets abgelehnt. All diese Möchtegern-Gangster auf MTV wissen nicht, was es bedeutet, ein Künstler zu sein. Du darfst nur nicht stehen bleiben. (Er zieht eine zerfledderte Bibel aus der Gesäßtasche) Ich lese hier täglich drin. Solange ich weiß, dass mich der Boss oben wachsen lässt, mache ich mir keine Sorgen.

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