Im Fernsehen: Der letzte Tango ...:"Ich kenne diesen Mann nicht"

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1972 gelang Bernardo Bertolucci mit "Der letzte Tango in Paris" ein Meisterwerk -- doch seine Stars, Marlon Brando und Maria Schneider, wollen seitdem nichts mehr von ihrem Regisseur wissen. Arte zeigt eine ziemlich spektakuläre Dokumentation zum Skandal um den damaligen Skandalfilm.

CLAUDIA TIESCHKY

Nach dieser Sache, diesem Film, begegneten sich Maria Schneider und Bernardo Bertolucci nur noch ein einziges Mal. Es war Zufall und viele Jahre später, bei einem Festival in Japan. Sie hatte fünf Worte für ihn: "Ich kenne diesen Mann nicht." Dann ging sie.

Die Frage ist: War der, der alle zu diesem Experiment verführte, war Bertolucci am Ende der größte Schauspieler? (Foto: N/A)

1972 endet mit diesem Satz ein radikales Spiel: Der letzte Tango in Paris. Ein Mann und eine Frau, die von Anfang an nur über ihre Körper kommunizieren. Eine leere Wohnung. Sex. Gewalt, Lust, stöhnendes Stoßen, das keine Grenze unverletzt lässt. Bei dieser Sache, diesem Film, kam keiner davon. Ein Kammerspiel des Kontrollverlusts, und Marlon Brando war nie dunkler als in diesem Film. Auch er, dem Der letzte Tango und Coppolas Der Pate 47-jährig ein Comeback brachten, sprach später lange nicht mit Bertolucci. Was eigentlich geschah in dieser Kleingruppe, bei dieser "unmöglichen Wette", wie Bertolucci den Film heute im Nachhinein nennt?

Serge July und Bruno Nuytten gehen der Sache in einem kleinen, ziemlich spektakulären Film nach. Zwei Spezialisten: Nuytten schrieb und drehte 1988 das Künstlerdrama Camille Claudel mit Isabelle Adjani. Serge July ist als Gründer und Chefredakteur der Zeitung Libération auch mit der Kraft der Utopie vertraut: Das heute linksliberale Blatt wurde 1973 für "Intellektuelle" und "Arbeiter" gegründet. In den Gesprächen mit Bertolucci erfährt man schon allerhand: Dass er sich bei den Bildern von Francis Bacon Inspiration holte. Oder dass er eigentlich Jean-Louis Trintignant für den Tango wollte. Aber der mochte sich nicht ausziehen; auch Belmondo und Delon sagten ab. Und Jean-Pierre Léaud, der Star von Truffaut, drehte beim Letzten Tango nur samstags, weil Brando da prinzipiell nicht arbeitete. So haben sich beide, obschon im selben Film, nie getroffen. Nette Geschichten. Die Frage ist: War der, der alle zu diesem Experiment verführte, war Bertolucci am Ende der größte Schauspieler?

"Eine ziemlich romantische Geschichte", sagt er über die Grundkonstellation des Tango. Falls er wusste, wie weit sie das Spiel treiben würde -- die anderen offenbar wussten es nicht so genau. Maria Schneider erinnert sich, sie habe das Drehbuch nicht richtig verstanden: "Da war eine Brutalität, das alles war sehr heikel." Und auf die berühmte, skandalträchtige Szene mit der Butter hatte sie niemand vorbereitet. Der cholesteringeschmierte Analverkehr stand nicht im Drehbuch. Bertolucci erzählt, Brando und er hätten das beim Essen ausgedacht -- es gab Baguette mit Butter.

Das Rätsel des Tangos löst der Film nicht. "You fucking big fucker -- ein Mann mag alle Mysterien des Universums kennen, aber das seiner Frau wird er nie verstehen", sagt Brando am Sarg seiner Ehefrau.

Bertolucci schwört, das war improvisiert -- so einen Monolog hätte er sich nie ausgedacht.

Es war einmal . . . Der letzte Tango, Arte, 22.20 Uhr; danach der Spielfilm.

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